Die wohl am meisten diskutierte Hand des WSOP-Main-Events 2012 dürfte die letzte des Finales sein: Jesse Sylvia callt 35 Big Blinds vor dem Flop mit QJs weg, verliert und beendet das Turnier.
Jede WSOP produziert mindestens eine Hand, die im Nachhinein für wilde Diskussionen sorgt. Vor zwei Jahren war es Joseph Cheong, der mit A7o eine 5-Bet gehen Duhamels Damen brachte und letztes Jahr war es Pius Heinz, der mit einem Draw All-In stellte, von einer schlechteren Hand gecallt wurde, die Hand gewann und kurz danach Weltmeister wurde.
Dieses Jahr war es Jesse Sylvia, der nach 12 Stunden für erstaunte Gesichter sorgte, indem er mit Dame-hoch vor dem Flop ein All-In callte und dem längsten Final-Table der WSOP-Geschichte ein eher unrühmliches Ende bereitete.
Schauen wir uns diese letzte Hand aus Sicht der beiden Protagonisten nochmals an:
Die Blinds betragen 1mio / 2mio 300k Ante und Greg Merson raist mit K 5 aus dem Button auf 4 Millionen, Sylvia reraist mit Q J auf 9,5 Millionen, Merson 4-bettet All-In auf 69,3 Millionen. Sylvia callt.
Zum Spiel von Merson
Zu dem Spiel von Merson in dieser Hand ist nur wenig zu sagen. Er hat einen suited-King, eine starke Hand im Heads-Up, die häufig einen Showdown allein durch Highcard-Value gewinnen kann. Ein Raise damit ist völlig angeraten.
Nachdem Sylvia auf 9,5 Millionen reraist bleiben Merson faktisch alle Optionen offen. Ein Call ist denkbar, wäre aber eine eventuell ungünstige Wahl. Zwar bekäme Merson gute Odds und hätte Position, aber mit einem Stack-zu-Pot-Verhältnis von 1:3 wäre sein Spielraum nach dem Flop sehr marginal.
Für einen Fold ist Mersons Hand Heads-Up fast ein wenig zu gut, insbesondere da Sylvia ein sehr aggressiver Spieler ist, der jedoch beim Spiel zu dritt mehrfach gezeigt hat, dass er mit guten Händen vor dem Flop zurückhaltender agiert.
Ein Reraise, für den sich Merson entschieden hat, ist eine solide Option. Es ist realistisch, anzunehmen, dass Merson im Schnitt 33% Equity hat, wenn sein Gegner callt. Dann muss Sylvia auf seine 4-Bet-All-In in 60% aller Fälle folden, damit der Reraise profitabel wird. Gegeben dass Sylvia mit einer sehr breiten Range 3-bettet, aber bei diesen Stacks wahrscheinlich nicht zu einem riskanten All-In-Call bereit ist, kann Merson davon ausgehen, dass sein All-In oft genug nicht gecallt wird.
Zum Spiel von Sylvia
Auf den ursprünglichen Raise bringt Sylvia einen kleinen Reraise. Mit QJs hat er eine überdurchschnittliche Hand, so dass ein Fold auf den Raise ausgeschlossen ist. Ein Call wäre ein sehr spielbare Alternative, er hätte danach mit einem Stack-zu-Pot-Verhältnis von fast 9 eine Menge Spielraum nach dem Flop und seine Hand ist stark genug, um den Positionsnachteil wettzumachen.
Ein Reraise mit der Hand ist augenscheinlich auch eine Alternative, doch bringt sie drei mögliche Probleme mit sich: 1) Sylvia isoliert sich gegen den besseren Teil von Mersons Range, da dieser seine hoffnungslosen Hände auf den Reraise entsorgt. 2) Sylvia schafft ein auch für ihn unbequemes Stack-zu-Pot-Verhältnis von 3, wenn Merson callt. 3) Stellt Merson All-In, muss Sylvia entweder eine starke Hand folden oder einen enorm riskanten Call machen.
Nachdem Sylvia reraist und Merson All-In stellt, callt Sylvia, was bei den meisten Zuschauern für mildes Entsetzen gesorgt hat. Schauen wir uns den Call rein mathematisch an: Sylvia muss 59,8 Millionen zahlen, um einen Pot mit 139,2 Millionen Chips zu gewinnen. Das heißt, er braucht eine Equity von 43% gegen Mersons Range, um profitabel callen zu können.
So sieht seine Equity gegen verschiedene Ranges aus:
Range | Equity von QJs |
Top 10% | 36% |
Top 15% | 39% |
Top 18% | 43% |
Top 20% | 44% |
Top 25% | 45% |
Top 30% | 48% |
Top 35% | 49% |
Top 40% | 50% |
Sobald Merson also mit mehr als 18% seiner Hände die 4-Bet bringt, hat Sylvia einen profitablen Call. So eine Range sähe in etwa wie folgt aus: A5s+, A9o+, KT+, QT+, JT+, 66+.
Tatsächlich sind die einzigen Hände gegen die Sylvia nicht die korrekten Odds auf einen Call bekommt diese: JJ+, AT+, KJ+. Und selbst gegen diese Range hätte Sylvia immer noch 32% Equity.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass Merson in dieser Situation mit einer vergleichsweise breiten Range All-In stellt und Sylvias Call marginal korrekt, oder zumindest kein fataler Fehler ist.
Nichtsdestominder ist es fraglich, ob sich Sylvia durch seinen ursprünglichen Reraise auf 9,5 Millionen überhaupt in die Situation bringen musste, einen solchen Call machen zu müssen. Sein Stack mit 35 Big Blinds hätte ihm auf jeden Fall die Möglichkeit gegeben, die Hand anders und wahrscheinlich etwas profitabler spielen zu können.
Und Sylvia hätte verhindern können, dass die durchaus bemerkenswerte Schlacht am Final-Table in Hand 399 ein so profanes Ende fand.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.