Selten hat ein Internet-Spieler für so viel Furore gesorgt wie Isildur1, der momentan ein beängstigendes Pensum an den teuren Tischen von Full Tilt absolviert. Doch wer ist dieser Spieler und was ist sein Geheimnis? In seinem Blog bei cardrunners.com äußerte sich nun der amerikanische Cashgame-Highroller und Full-Tilt-Profi Haseeb Qureshi über das junge Phänomen und seine eigenen leidvollen Erfahrungen mit ihm.
Hier der Text:
Es ist absolut eindeutig, dass Isildur1 ein extrem guter Heads-Up-Spieler bei No-Limit Hold’em und Pot-Limit Omaha ist. Sein Verständnis der Handanalyse, des mehrstufigen Denkens und der Einsatzhöhen ist unübertroffen. Niemand, der Isildur1 an den Tischen beobachtet hat, hat eine Ahnung, wer er ist, man weiß nur, dass er aggressiv ist und oft overbettet, und natürlich, dass er gewinnt. Sein Setzverhalten, seine Denkweise und die strategische Tiefe seiner Gedankengänge weiß nur ein Spieler mit entsprechendem Können während einer Partie zu würdigen. Isildur1 ist ein sehr guter Spieler und aufgrund seiner Ergebnisse ist es unmöglich, das zu leugnen. Er hat in großem Stil für Aufruhr gesorgt. Das beste Beispiel dafür ist das Match, das er gegen Tom “durrrr” Dwan ausgetragen hat, und das schon jetzt in der Geschichte des Internet-Pokers als legendär zu bezeichnen ist. Wer es noch nicht weiß: Isildur1 hat durrrr mehr als 3 Millionen US-Dollar abgenommen, also mehr als 30 Buy-Ins. Ich bin zwar nicht ganz sicher, wie viele Hände gespielt wurden, aber soweit ich weiß, waren es über 30.000. Es war ein episches Match und das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes.
Das erste Mal tauchte Isildur1 an den 25/50 NLHE-Tischen auf Full Tilt auf. Unter den Ersten, die längere Duelle mit ihm austrugen, waren Jungleman und I Win Flips (Tcorbin16). Nach allem, was ich von den beiden gehört habe, dachten sie beide, sie wären Isildur1 deutlich überlegen, obwohl Corbin im Endeffekt einen ordentlichen Batzen gegen ihn verlor.
Unser Duell
Etwa eine Woche später saß ich an einigen Tischen, an denen nichts los war, als Isildur an einem meiner 25/50 NL Tische auftauchte. Mir war langweilig und ich war gewillt, alles zu spielen. Als er mir anbot, 6 Tische zu spielen, nahm ich sein Angebot an (obwohl ich normalerweise maximal 4 Tische spiele). Mit fortschreitendem Spielverlauf bewahrheitete sich alles, was ich gehört hatte – wie aggressiv er sei und wie gerne er mehrere Bluffs hintereinander brachte. Doch gleichzeitig erschien er mir unheimlich scharfsinnig, wenn es darum ging, sich an mein Setzverhalten anzupassen. Dennoch gewann ich innerhalb der ersten Stunde etwa 30.000 $ gegen ihn und fühlte mich sehr selbstsicher. Zu diesem Zeitpunkt saß er an allen Tischen aus. Ich nahm an, die Partie wäre vorbei und war schon fast dabei mich auszuloggen, als er “brb” in den Chat schrieb. Also entschied ich mich, auf ihn zu warten und das Match fortzusetzen.
Von da an begann ich zu verlieren. Viel. Es gab nicht viele Pötte, in denen ich klar ausgespielt wurde, aber bevor ich mich versah, lag er durch Beats, Cooler und ein paar geschickte Manöver 50.000 $ gegen mich vorne. An 6 Tischen gegen einen Gegner ist das keine ungewöhnliche Varianz, also fragte ich, ob er die Einsätze auf 50 $/100 $ NL erhöhen wolle. Er stimmte zu und wir spielten eine kurze Session, in der ich wiederholt gegen die Nuts rannte. Nachdem ich fünf Buy-Ins bei 50 $/100 $ verloren hatte, beschloss ich aufzuhören. Ich sagte “Gut gespielt” und verließ die Tische. Zehn Minuten später saß Isildur an einem meiner 100 $/200 $ PLO-Tische und meinte, ihm wäre langweilig. Er suche nur ein bisschen Action. Ich beriet mich mit einem Freund, der mir sagte, er habe bereits gegen Isildur gespielt und ihn vernichtend geschlagen. Isildur sei ahnungslos, versicherte er mir. Also zuckte ich mit den Schultern und nahm die Herausforderung an. Ich habe großes Vertrauen in mein PLO-Spiel und weiß, dass es nur wenige Leute auf der Welt gibt, die gegen mich die Oberhand behalten. Handelte es sich bei ihm tatsächlich um einen dekadenten Zocker, bestand die Möglichkeit, dass ich einen großen Vorteil besaß und mir mein Geld direkt zurückholen konnte.
Also spielte ich. Nun, ich verlor bei PLO etwa 400.000 $ an Isildur1 und laut HEM lag das 300.000 $ unter meinem Erwartungswert. Wir spielten wahrscheinlich 1.000 Hände oder knapp weniger. Es war ein Blutbad, aber die Pokergötter nahmen ihm den Großteil der Arbeit ab, was bei PLO durchaus vorkommt. Zu dem Zeitpunkt war ich ziemlich am Boden zerstört, aber nachdem ich das Match noch einmal rückblickend bewertet hatte, war ich sicher, dass ich einen schlechten Lauf hatte. Ich bin mir nicht sicher, dass ich einen Vorteil gegen Isildur besaß, aber überzeugt, dass mein Erwartungswert weit vom eigentlich Ergebnis entfernt war. Aber ich war nur der Anfang der Geschichte von Isildur1.
Isildurs Aufstieg
Nachdem ich gegen ihn verloren hatte, legte ich eine Pokerpause ein, aber auf 2+2 und unter anderen High-Stakes-Spielern wurde viel über diesen Isildur1 geredet. Aber da ich ein Fisch bin, hat es die meisten nicht überrascht, dass ich so viel gegen ihn verloren hatte und sie wollten ihr Glück selbst versuchen. Der nächste im Ring war Ugotabanana, ein 18-jähriger PLO Experte. Er ist bekanntermaßen ein unglaublicher Glückspilz, aber selbst er konnte den prometheushaften Lauf von Isildur1 nicht stoppen. Er verlor 250.000 $ in 5.000 Händen Pot-Limit Omaha mit Blinds von 100 $/200 $. Auch hier gilt: Das ist nicht viel für diese Einsatzhöhen und in Anbetracht der Varianz. Doch zu diesem Zeitpunkt fing Isildur1s Lauf an, aus dem Rahmen des statistisch Möglichen zu fallen. In den nächsten Tagen spielte er gegen Cole South, Brian Hastings und Brian Townsend PLO und NLH. Wenn Weltklassespieler wie South oder Townsend gegen einen Neuling an mehreren Tischen gleichzeitig spielen, geht der Neuling normalerweise sehr schnell unter. Aber Isildur1 hielt Stand. Niemand hatte Zweifel gehegt, dass Isildur1 verlieren würde – die Frage war nur, wann?
Zwar schien er ordentlich zu spielen und er war sicherlich kein Fisch, aber gegen die Titanen des Online-Pokers gab ihm niemand eine Chance. Einige Tage nach den Schlachten gegen diese Stammspieler – Isildur war ordentlich im Plus – betrat durrrr die Bühne. Sofort waren die beiden sich einig, an sechs Tischen Heads-Up 300 $/600 $ NLHE zu spielen. Alle Augen richteten sich nun auf dieses Duell, das unwiderruflich eine der bemerkenswertesten Schlachten in der Geschichte des Online-Pokers werden sollte. Obwohl nebenher das Finale des Main Events der WSOP lief, loggten sich Zehntausende von Railbirds bei Full Tilt Poker ein, um zuzuschauen. 300 $/600 $ – dabei blieb es nicht lange. Nach kurzer Zeit und einigen verlorenen Buy-Ins fragte Durrrr, ob Isildur auch 500 $/1.000 $ spiele und Isildur stimmte zu.
Was dann folgte, war eines der aggressivsten, wechselvollsten und intensivsten Heads-Ups, das jemals gespielt wurde. Ich will nicht versuchen, die Dynamik dieses Spiels oder einzelne Hände genauer zu beschreiben. Doch ich glaube, das Spiel wird am besten durch folgendes Zitat beschrieben: “Eine unaufhaltsame Kraft trifft auf ein unbewegliches Objekt”. Die Kraft ist Isildur1, das Objekt durrrr. Dies war eines der seltenen Heads-Ups, das sowohl Kunst als auch Spektakel darstellte. Die Railbirds konnten sich nicht satt sehen.
Den ersten Tag mit viel Aufs und Abs schloss Isildur mit einem Plus von 1,5 Millionen Dollar ab. Obwohl eine sehr lange Session mit nur wenig Pausen gespielt wurde, glaubten nur wenige Beobachter, dass dieser Sieg endgültig sei, wenngleich Isildur1 mit mehr als 15 Buy-Ins vorne lag. Bevor durrrr die Session beendete, verabredeten sich beide für die Fortsetzung des Duells am nächsten Tag und in der folgenden Nacht ging das Spektakel weiter.
Diese zweite Session war die brisanteste. Langsam, so schien es, begann durrrr, seine wahre Stärke zu zeigen. Er veränderte seinen Stil und die Tische schienen sich schließlich zu seinen Gunsten zu wandeln. Das unaufhaltsame Momentum von Isildur1 schien gestoppt. An einem Punkt war durrrr nur noch 350.000 Dollar vom Gleichstand entfernt und zu diesem Zeitpunkt empfanden viele von uns, die von durrrrs Verlusten zuvor entmutigt waren, eine starke Erleichterung. Als ich las, dass durrrr kurz vor dem Breakeven stünde, sagte ich mir: “Das wird es wohl gewesen sein. Isildur1s Lauf ist endlich zu Ende.” Doch als ich ins Bett ging, saß die restliche Online-Poker-Welt weiterhin wie festgewachsen vor ihren Monitoren. Für Isildur1 war diese Nacht noch lange nicht vorbei.
Die folgenden Ereignisse hat niemand auch nur annähernd erwartet – auch die nicht, die Isildur1 anfeuerten. Nachdem durrrr wieder mit Volldampf zu Isildur1 aufgeschlossen hatte, dachte jeder, Durrrr würde seinem Titel eines verrückten Zockers mit Glücksgarantie schließlich doch gerecht werden. Doch Isildur1 begann, langsam aber stetig mehr und mehr Geld zurück zu gewinnen. Auf durrrrs Höhepunkt gewann Isildur1 schnell einige große Pötte und ab diesem Zeitpunkt schien es so, als hätte durrrr nicht den Hauch einer Chance zu protestieren oder auch nur ein Wort mitzureden. Die Pokergötter hatten gesprochen und Isildur1 konnte kein einziges All-In verlieren. Er gewann und gewann und als er wieder 1,5 Millionen Dollar vorne lag, machte er einfach so weiter. Er gewann immer mehr, als wolle er bei durrrr und allen anderen keinen Verdacht hinterlassen, dass seine Gewinne ein Ausrutscher waren. Nach dieser Nacht war Isildur1 mehr als zwei Millionen vorne. Und einige Sessions später waren es mehr als drei Millionen, die Isildur1 durrrr abgenommen hatte.
Fazit
Bisher hat Isildur1 gerade einmal zwei Wochen auf den High Stakes von Full Tilt Poker gespielt. Wir sind mit Sicherheit Zeugen etwas kaum Begreifbaren geworden. Aber wir haben noch nicht interpretiert, was dieses Ereignis bedeutet – nicht nur für durrrr, für Isildur1 oder die Railbirds. Was bedeutet es für das Poker im Internet überhaupt?
Durrr hat verloren. Die Schlacht war groß, einschneidend und entscheidend. Isildur1 triumphierte. Ich könnte viel über Varianz oder die Bedeutung von Ergebnissen und Ranglisten erzählen. Aber was hat es wirklich bedeutet, dass durrrr so viel Geld beim Online-Poker gewann? Hat er wirklich so viele Leute geschlagen und ist er wirklich so gut, wie seine Ergebnisse den Anschein geben? War das überhaupt stimmig? Oder wurden wir alle vom Zufall an der Nase herumgeführt? War durrrrs Besonderheit, seine Grandiosität nur ein Ausrutscher der Varianz? Doch vielleicht war dann auch sein Verlust an Isildur1 nur ein Zufall – das Ergebnis von schlechtem Spiel, von zu viel Selbstvertrauen. Vielleicht werden wir erst in Zukunft sehen, wozu durrrr wirklich fähig ist.
Viele halten Isildur1 schon jetzt für den besten No-Limit Hold’em Heads-Up-Spieler der Welt. Zum Teil beruhte durrrrs Nimbus und die Angst der anderen vor ihm auf seinem Image – nicht nur auf seinem Image innerhalb eines Duells, sondern dem Wissen, dass durrrr gegen niemanden verloren hatte. Es mag nur ein sekundärer Aspekt beim Poker sein, aber wenn man glaubt, dass sein Gegner etwas Besonderes ist, etwas, gegen das niemand ankommt, dann verschafft dies dem Gegner einen großen Vorteil. Es war dieses Image der Unverwundbarkeit, mit dem durrrr die High Stakes regiert hat. Isildur1 hat diese Illusion zerstört. Da Isildur1 nun fast jeden geschlagen hat, der gegen ihn in die Schlacht zog, hat Isildur1 ein noch viel stärkeres Image. Dadurch wird es noch schwerer, ihn zu stürzen.
Doch vielleicht ist es nur Isildur1, der diese Besonderheit, dieser Ausrutscher des Zufalls ist und er wird, so abenteuerlich er in diese Welt eingedrungen ist, sie mit einer großen Explosion sehr schnell wieder verlassen. Nachdem ich diesen Artikel verfasste, hat Isildur1 2.5 Millionen an Patrik Antonius verloren und damit seine Gewinne auf Full Tilt Poker fast halbiert. Offenbar planen die Pokergötter das nächste Spektakel. Ist dies die Ankündigung von Isildur1s Fall oder nur der Anfang einer nächsten Schlacht? Die Welt des Online-Pokers verändert sich sehr schnell und es viel wird noch geschehen. Die hier gestellten Fragen kann ich nicht beantworten, aber ich hoffe, ihr werdet an sie denken, wenn ihr den weiteren Verlauf der High Stakes im Internet verfolgt.
Durrrr und Isildur.
Verdammt, sie waren für einander bestimmt.
Haseeb Qureshi
Im englischen Original ist dieser Text auf cardrunners zu lesen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.11.2009.