Viele meiner Schüler wollen wissen, wie ich an eine Pokerpartie herangehe. Was mache ich, nachdem mir ein Tisch und ein Platz zugewiesen wurde? Mit wie viel Geld setze ich mich an den Tisch? Wie lautet meine Strategie in den ersten Händen? Wonach halte ich Ausschau? Wie nutze ich die ersten Momente, um einen Vorteil zu erzielen, der die gesamte Session anhält?
Ich werde Ihnen verraten, wie meine Vorgehensweise bei diesen anfänglichen Entscheidungen aussieht. Da andere Spieler völlig unterschiedliche Ansätze haben, sollte Ihnen klar sein, dass dies nicht die einzige Methode ist. Aber selbst wenn Sie ganz anders vorgehen, dürfte die Sichtweise anderer Spieler für Sie nützlich sein.
Ich schneide in No-Limit-Partien erfolgreich ab, indem ich mein Spiel meinen Gegnern anpasse. Dafür brauche ich zwei Dinge: Die Kenntnis ihrer Schwächen und eine Strategie, um sie auszunutzen. Besitze ich diese beiden Dinge nicht, kann ich mich nicht anpassen und muss mich auf die Grundlagen des Spiels verlassen, um erfolgreich abzuschneiden. Auch damit kann ich Gewinne erzielen, aber mit einer gegnerorientierten Spielweise sind sie höher.
Nachdem ich mich an den Tisch gesetzt habe, möchte ich so rasch wie möglich etwas über meine Gegner in Erfahrung bringen. Zu diesem Zweck kaufe ich mich mit der Hälfte des Maximums ein. Beispielweise setze ich mich in einer 2 $/5 $-Partie zunächst lieber mit 300 $ an den Tisch als mit dem Maximum von 500 $. In früheren Texten habe ich bereits aufgezeigt, dass es Vorteile mit sich bringt, mit einem kleineren Stack als Ihre Gegner zu spielen. Nach einer oder zwei Runden stocke ich in der Regel auf den maximalen Stack auf. Es kann aber auch vorkommen, dass ich dies unterlasse, wenn ich das Gefühl habe, mit einem kleineren Stack besser zu fahren. In diesem Fall hat man mehr Flexibilität: Man kann vor jeder Hand aufstocken, aber nie Chips vom Tisch nehmen.
Außerdem spiele ich tight. Ich bin aufmerksamer, wenn ich nicht an der Hand beteiligt bin. Vielleicht verklärt die emotionale Verstrickung meine Gedanken, aber meine Handanalyse ist scharfsinniger und mein strategisches Denken ist besser, wenn mein Geld nicht im Pot ist. Sofern ich keine wirklich spielbare Hand bekommen, setze ich deshalb die ersten zehn Hände aus und konzentriere mich völlig darauf, meine Gegner einzuschätzen und die entsprechende Strategie auszutüfteln.
Wonach halte ich Ausschau? Als Erstes möchte ich die Höhe des „Standard-Raise“ vor dem Flop kennen und wissen, wie oft andere Spieler callen. In Internetpartien ist der erste Raise vor dem Flop in der Regel recht niedrig, aber Live-Partien folgen eigenen Gesetzen mit „Standard-Raises“ von 3 bis zu 10 Big Blinds oder sogar mehr. (Ich habe schon in 1 $/2 $-Partien gespielt, in denen regelmäßig auf 25 $ oder 30 $ geraist wurde.) Ich halte mich nicht immer an den Standard-Raise – ganz und gar nicht– , aber ich muss wissen, wovon die anderen Spieler ausgehen und was ihnen normal und anormal erscheint. Mir ist auch wichtig, zu wissen, wie viele Spieler einen Raise vor dem Flop callen. Angenommen zwei Spieler limpen in einer 2 $/5 $-Partie und anschließend raist jemand auf 30 $. Callen oder folden die beiden Limper eher? Kann der Raiser mit einem oder mit vier Callern rechnen? Anhand dieser Beobachtungen kann ich bestimmen, mit welchen Hände und wie hoch ich vor dem Flop raise.Als Nächstes halte ich nach einem Spieler Ausschau, der besonders loose zu spielen scheint. Limpt jemand und callt danach einen Raise, beginne ich mich auf ihn zu konzentrieren. Loose Gegner sind nicht nur sehr profitabel, sondern ich werde vermutlich viele Hände mit ihnen spielen, weil sie sich so oft am Pot beteiligen.
Bei der Konzentration auf einen Spieler versuche ich ein Modell für deren Entscheidungsfindung nach dem Flop zu entwickeln. Nur weil jemand vor dem Flop loose spielt, heißt das nicht, dass er während der gesamten Hand loose agiert. Bei vielen Spielern trifft sogar das Gegenteil zu, sie wollen mit einer schwachen Hand gegen Raise und Reraise den Flop sehen, bringen aber ohne Monster keine Einsätze nach dem Flop. Da dies meine Lieblingsgegner sind, sehe ich dieses Muster sehr gern.
Manche loosen Spieler sind nicht so zuvorkommend. Wenn sie nicht folden, versuche ich herauszufinden, mit welchen Händen sie callen. Callen Sie auf dem Flop automatisch, obwohl sie ihn offenbar verpasst haben? (Erst kürzlich beobachtete ich einen loosen Spieler, der auf dem Turn bei einem Pot von 200 $ eine 900 $-Bet callte und nur einen Flush Draw hielt. Natürlich traf er auf dem River.)
Ich halte auch nach trickreichen und aggressiven Spielern Ausschau. Wenn Ihre Gegner gefügig sind, indem sie auf starke Hände warten, um hohe Einsätze zu bringen, kommen Sie mit vielen Schwindeleien durch. Kommt es Ihnen zum Beispiel so vor, dass niemand einen Pot mit 40 $ will, können Sie nur mit 5 $ oder 10 $ bluffen, und damit einiges Geld sparen, falls jemand callt. Oder Sie können mit einem ordentlichen Top Pair eine niedrige Value Bet bringen und darauf vertrauen, dass Sie nur von Händen gecallt oder geraist werden, die Sie schlagen. Diese Spielweisen können Ihren Gewinn in schwachen Partien enorm erhöhen.
Gegen aggressive Kontrahenten kann sich dies jedoch ins Gegenteil verkehren. Trickreiche Spieler werden Ihre Schwäche riechen und Sie mit Bluffs und knappen Value-Raises unter Druck setzen. Aus diesem Grund versuche ich herauszufinden, welche Spieler mich für eine Abweichung von der „Normalität“ nicht bestrafen und welche es tun.
Dies ist mein Ritual zu Beginn einer Partie. Ich kaufe mich mit weniger als dem Maximum ein, weil ich zwar aufstocken, aber keine Chips vom Tisch nehmen kann. Zu Beginn werfe ich die meisten Hände weg und konzentriere mich darauf, die Spielbedingungen (insbesondere wie oft vor dem Flop geraist und gecallt wird) und die interessantesten Spieler herauszufinden. Spielt jemand ausgesprochen loose, untersuche ich sein Spiel nach dem Flop und versuche ein Modell für seine Entscheidungsfindung zu entwickeln. Dann richte ich meine Strategie so aus, um seine Fehler auszunutzen. Gleichzeitig halte ich Ausschau nach den gefährlichen Spielern, die mich von meinen üblichen Maschen abhalten könnten.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 04.02.2009.