Pokerspieler machen bei Turnieren teure Fehler. Wir listen die 10 häufigsten Fehler bei Hold'em Turnieren auf und sagen, wie Sie sie beheben.
Die World Series of Poker steht vor der Tür und Turnierspezialisten aus aller Welt lecken sich die Finger in Gedanken an Tausende Amateure, die nur darauf warten, ihr Buy-in von $10.000 wegzugeben. Nicht so schnell! Im Main Event beginnen die Spieler mit 20.000 Chips bei Blinds von 50-100. Man kann die Tabelle mit den nicht ausnutzbaren Pushs und Folds erst einmal beiseite legen, da man bei Leveldauern von 120 Minuten bis spät an Tag 2 richtiges Poker spielen wird.
Um Ihnen dabei zu helfen, das meiste aus schwächeren Spielern zu holen, und dabei zu vermeiden, selbst zur Zielscheibe zu werden, habe ich diese Liste zusammengestellt mit den Top Ten Fehlern, die selbst gute Turnierspieler begehen, wenn die Stacks groß sind.
1. Ein Paar überschätzen
Vielleicht denken Sie, dass dieser Punkt nicht auf Sie zutrifft, wahrscheinlich tut er es aber. Es gehört mehr dazu, als bloß nicht seinen Stack mit Top Pair zu verlieren. Selbst gute Spieler denken, „Pot Control“ heißt kaum mehr als „aufhören zu raisen und nur herunterzucallen.“
Es gibt aber kein Gesetz, das einem befiehlt, den Showdown zu sehen, bloß weil man ein großes Paar auf der Hand hält. Ja, ein Paar Asse sind die Nuts … vor dem Flop. Wenn fünf weitere Karten gedealt worden sind, dann schlagen selbst Asse nicht mehr viele Hände, die ein typischer Gegner für Value bettet. Ihre passiven Gegner werden schlechtere Hände auch auf dem Flop und dem Turn oft nicht raisen.
2. Implied Odds überschätzen
Wenn man gewohnt ist, mit Stacks von 20-30 BB zu spielen, dann kommen einem 75 BB riesig vor. In Wahrheit ist es aber marginal, einen Standardraise auf 3-4 BB mit einem kleinen Paar zu callen, in der Hoffnung ein Set zu floppen. Nicht nur muss man sein Set treffen, außerdem braucht der Gegner eine Hand, die gut genug ist, um seinen Stack zu investieren, Ihr Set aber nicht schlägt.
Weitere spekulative Hände wie Suited Connectors sind noch schwieriger zu spielen. Den perfekten Flop trifft man nicht oft genug, man benötigt also große Stacks und sollte ein paar Tricks auf Lager haben, bevor man mit so etwas callt. Wenn Sie ein gutes Gespür für Ihren Gegner besitzen, und mit großer Genauigkeit bluffen, valuebetten und folden können, dann können solche Hände spielbar sein. Viele Spieler überschätzen sich dabei aber, besonders wenn sie out of Position sind.
3. Zu viele Hände out of Position spielen
Position ist ein Vorteil bei Hold’em, der sich mit jeder zu treffenden Entscheidung verstärkt. Mit anderen Worten, ein Spieler in Position kann auf dem Flop noch mehr auf diesen Vorteil bauen, da er weiß, dass er auch auf dem River Position haben wird. Er wird bessere Entscheidungen treffen können, wenn die Bets groß sind. Position ist auch wichtig, wenn die Stacks klein sind, und man üblicherweise auf dem Flop all-in ist. Sie ist aber weniger wichtig, als wenn es vier oder fünf Gelegenheiten gibt, einen Vorteil daraus zu ziehen.
Unabhängig davon, um wieviel Sie besser sind als Ihre Gegner, es ist sehr schwierig, den Spielstärkeunterschied out of Position zur Geltung zu bringen. Es ist schwieriger zu bluffen, es ist schwieriger, herauszufinden, wo man mit einer marginalen Hand steht, und es ist schwieriger, mit einem Monster viel zu gewinnen. Wenn Sie spekulative Hände wie Suited Connectors aus Early Position spielen, dann sollte es in erster Linie zur Irreführung sein, nicht für Value. Auch Hände wie AJo, die meistens eine marginale Hand machen, wenn man den Flop überhaupt trifft, sind in Early Position ziemlich wertlos.
4. Den Button nicht verteidigen
Korollar: Man kann und sollte mehr Hände auf dem Button spielen. Es geht nicht um das Stehlen von Blinds. Es geht darum, nach dem Flop die Position auszunutzen. Man kann nicht nur mit vielen Händen mit einem Raise eröffnen, sondern auch öfter callen oder reraisen, insbesondere dann, wenn sich schon mehrere Spieler im Pot befinden.
Turnierspieler sind es gewohnt, aggressiv zu callen und zu reraisen, um ihre Blinds zu verteidigen. Bei kleinen Stacks macht das Sinn. Man riskiert nicht nur weniger, sondern gibt zu verstehen, dass die eigenen Blinds in Ruhe gelassen werden sollen. Das ist wichtig, wenn die Blinds 5-10% des eigenen Stacks darstellen.
Bei größeren Stacks ist die Verteidigung der Blinds nicht so wichtig, dafür die des Buttons. Der Button ist wie eine Goldmine, die man mit acht anderen Schürfern teilen muss. Wenn Sie an der Reihe sind, das Gold zu ernten, können Sie es nicht den anderen überlassen. Ein aggressiver Spieler zu Ihrer Rechten, der regelmäßig vor Ihnen raist, sollte durch häufige Calls und Reraises entmutigt werden. Nach einer Weile wird er aufhören zu versuchen, Ihren Button zu stehlen.
5. Zu geradlinig spielen
Bei kleinen Stacks wird man schnell eine Grenze der von einer Position aus profitabel spielbaren Hände erreichen, zumindest wenn andere kompetente Spieler am Tisch sitzen. Bei großen Stacks besteht eher Gefahr darin, zu wenige Hände zu spielen. Wenn die anderen Spieler Sie auf Basis Ihrer Preflop-Aktion sehr genau auf Hände bringen können, wird es schwer für Sie, einen Profit zu erzielen.
Das heißt, hin und wieder sollten Sie mit kleinen Suited Connectors in Early Position raisen oder mit einer anderen Hand als AK oder einem großen Paar reraisen. Selbst wenn nur 10% Ihrer Reraises oder Ihrer Raises aus Early Position Semibluffs sind, reduzieren sich die Implied Odds Ihrer Gegner dramatisch. Außerdem wird es Ihnen leichter fallen, Value mit Ihren guten Händen zu bekommen.
6. Caller zu stark einschätzen
In der erweiterten Version seines Buchs „Tournament Poker for Advanced Players schreibt David Sklansky: „Es ist falsch, am Gap-Konzept festzuhalten, wenn die im Pot befindlichen Spieler viele Chips im Vergleich zu den Blinds haben.“ D. h., Spieler callen Bets und Raises, nicht weil sie eine sehr starke Hand halten, die nicht auf Fold Equity aus ist, wie es bei kleinen Stacks der Fall wäre. Sie callen, weil die Spieler noch viel Geld in der Hinterhand haben und sehen möchten, was Sie auf einer späteren Straße tun.
Turnierspezialisten müssen das Lesen von Händen für Situationen mit großen Stacks neu kalibrieren. Man kann öfter und auf mehr Flops eine Continuation Bet machen, und es gibt mehr Gelegenheiten für zweite und dritte Salven bei Bluffs. Ihre Bluffs werden nicht nur marginale fertige Hände wie kleine Paare zum Folden bringen, sondern auch erheblich schwächere Hände, die mit der Absicht callten, auf einer späteren Straße zu bluffen.
7. Zu wenig setzen
Es gibt eine kritische Fähigkeit bei No Limit Hold’em, die Howard Lederer im Full Tilt Poker Strategy Guide Leverage (Hebelwirkung) nennt. Lederer beschreibt Leverage als eine Bet, die die Möglichkeit und Drohung weiterer Bets auf späteren Straßen andeutet. Eine Bet all-in in Höhe des Pots auf dem Flop mag gefährlich aussehen, eine Bet in Höhe des Pots, während die verbliebenen Stacks noch fünfmal so groß sind, ist noch gefährlicher.
Wenn Sie bluffen, möchten Sie so viel des gegnerischen Stacks wie möglich bedrohen. Und wenn Sie eine sehr starke Hand halten, möchten Sie ebenfalls den gesamten Stack Ihres Gegners bedrohen, um Ihre Gewinne zu maximieren.
Bei kleinen Stacks sind Sie möglicherweise in der Lage, das gesamte Geld in die Mitte zu bekommen, indem Sie auf jeder Straße drei Viertel des Pots oder sogar nur den halben Pot zu setzen. In diesem Fall besitzt eine Bet von einem halben Pot auf dem Flop viel Leverage. Bei Stacks von 100 BB und einem Pot von 8 BB auf dem Flop kann eine Flop-Bet von einem halben Pot realistischerweise nur etwa zwei Drittel des gegnerischen Stacks bedrohen (4 BB auf dem Flop, dann 16 BB, wenn man auf dem Turn den Pot setzt, und schließlich 48 BB auf dem River für insgesamt 68 BB). Ihre Standard-Bets müssen daher größer sein, wenn Sie sicher gehen wollen, dass Sie eine ausreichend große Fold Equity mit Ihren Bluffs haben und einen großen Pot mit Ihren Monstern aufbauen.
8. Die Betmuster nicht den Stackgrößen anpassen
Wie schon erläutert, können große Stacks Einsatzmuster erfordern, die von Leuten, die hauptsächlich Turniere spielen, nicht oft angewendet werden. Der Schlüssel dazu besteht darin, zur letzten Bet vorauszuschauen und dann rückwärts einen Plan zu entwickeln. Ein Checkraise ist nicht unbedingt die beste Art und Weise einen großen Draw zu spielen, wenn man so nicht seinen gesamten Stack in die Mitte bekommt. In diesem Fall könnte es besser sein, auszubetten und auf einen Raise zu 3-betten. Ist dieser Plan nicht gut, dann könnte die beste Option darin bestehen zu checken und zu callen und zu hoffen, ausbezahlt zu werden, wenn man trifft.
Ähnliche Überlegungen kommen zum Tragen, wenn die Stacks sehr groß sind, so dass selbst Bets in Höhe des Pots auf drei Straßen nicht ausreichen, um all-in zu gehen. Wenn Sie ein Monster halten, sollten Sie einen Checkraise versuchen oder versuchen, Ihren Gegner zu einem Raise zu bewegen, um einen größeren Pot aufzubauen.
9. Slowplay
Das hängt mit dem letzten Konzept zusammen. Wenn die effektiven Stacks nur eine oder zwei Bets beinhalten, dann ist der potentielle Nachteil eines Slowplays auf Flop oder Turn beschränkt. Oft wandert das Geld so oder so in den Pot.
Da die Potgröße aber exponentiell anwächst, kann eine verpasste Bet auf dem Flop große verpasste Gewinne auf späteren Straßen bedeuten. Ich zeigte, dass Sie eine Bet von einem halben Pot bei einem Pot von 8 BB auf dem Flop insgesamt nur 68 BB gewinnen lässt. Was aber passiert, wenn Sie auf dem Flop überhaupt nicht betten und auf Turn und River den Pot setzen? Sie bekommen 8 BB auf dem Turn und 24 BB auf dem River für insgesamt 32 BB. Eine Bet von einem halben Pot auf dem Flop erlaubte Ihnen, mehr als das Doppelte zu gewinnen.
Das soll nicht heißen, dass ein Slowplay nie korrekt ist. Der potentielle Nachteil aber ist groß. Sie sollten einen guten Grund haben, wenn Sie mit einem Monster auf dem Flop checken.
10. Hände schützen wollen
Wenn der Pot einen beträchtlichen Prozentsatz Ihres Stacks darstellt, sollte man oft all-in gehen, um eine wahrscheinlich beste Hand zu schützen. Selbst wenn Sie davon ausgehen, nur von besseren Händen Action zu bekommen, ist es wichtig, Hände mit 15 – 25% Equity zum Folden zu bringen. Bei NL Hold’em mit großen Stacks ist das anders. Sie werden mit Ihren marginalen Händen oft den Pot kontrollieren müssen und Freecards geben, damit Sie die Hand zum Showdown bringen können.
Wenn ich davon schreibe, „die Hand zum Showdown zu bringen“, dann meine ich damit, sie profitabel zum Showdown zu bringen, d. h. gegen eine Range von Händen, die Sie schlagen. Man kann offensichtlich jede Hand zum Showdown bringen, indem man bei der erstbesten Gelegenheit all-in geht. Aber dann würde man den Showdown nur gegen Hände sehen, die einen vernichten.
Man könnte Top Pair auf dem Flop checken, so dass man auf Turn und/oder River profitabel Geld in den Pot bekommt. D. h., Sie täuschen Ihren Gegner über die Stärke Ihrer Hand, damit er mit schwächeren Hände blufft oder callt. Wenn Sie die Nuts halten, können Sie die Hand aggressiv spielen, da Sie nichts dagegen haben, die Auswahl der gegnerischen Hände auf seine stärksten Blätter einzuengen. Sie schlagen diese Hände, und die zahlen Sie aus. Ähnlich ist es, wenn Sie bluffen. Auch dann haben Sie nichts dagegen, seine Auswahl an Händen einzuengen, da Sie viele bessere Hände zum Folden bringen
Wenn Sie aber eine mittelmäßig starke Hand halten, dann sollten Sie nicht so viel Stärke zeigen, dass Ihr Gegner alle schlechteren Hände foldet, und nur mit besseren Händen weiterspielt. Das ist ein häufiger Fehler. Viele Spieler sind zu sehr darauf bedacht, Ihre Hand gegen Draws zu schützen. Sie betten vielleicht mehr als den Pot mit Top Pair und schwachem Kicker, und während sie erfolgreich Draws aus dem Pot treiben, bekommen sie keinen Value für Ihre Hand und verlieren Geld, wenn sie gecallt oder geraist werden. Möglicherweise ermutigen sie Ihre Gegner sogar zu einem großen Bluff, den sie nicht callen können.
Zusammenfassung
Das Wissen um diese gebräuchlichen Fehler kann Ihnen im WSOP Main Event und in anderen Turnieren, in denen Sie große Stacks haben, auf zweifache Weise helfen: Es hilft Ihnen dabei, selbst solche Fehler zu vermeiden, und es hilft Ihnen dabei, diese Fehler im Spiel anderer zu erkennen und auszunutzen.
von Andrew Brokos
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 22.05.2008.