Vor einigen Tagen wurde das Skandal-Urteil des Finanzgerichts Köln vom 31. Oktober 2012 im Fall Eddy Scharf veröffentlicht. Hierin urteilte erstmals ein deutsches Finanzgericht, dass Gewinne aus Pokerspiel versteuert werden können. Hier das umstrittene Urteil mit dem Aktenzeichen 12 K 1136/11 in voller Länge:
Tenor
Die Einkünfte des Klägers aus den Pokerturnieren sind als gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Steuerbarkeit von Gewinnen aus Pokerturnieren bei der Einkommensteuer des Streitjahres (2008).
Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Pilot.
Der Kläger spielt zudem seit fast 20 Jahren Poker in den Varianten „Texas Hold´em“, „Omaha Limit“, „Omaha Pot Limit“ und „Seven Card Stud“ (zu den einzelnen Pokervarianten vgl. die zahlreichen Darstellungen im Internet, z.B. unter http://de.wikipedia.org/wiki/Poker oder www.pokerstars.eu/de/poker). Hauptsächlich spielt er in Casinos (sog. „cashgames“) und bei Turnieren. Die A Spielbanken GmbH & Co KG in B registrierte im Jahr 2008 81 Casinobesuche des Klägers (Bl. 206 ff. GA).
In den Jahren 2003 bis 2007 nahm der Kläger an zahlreichen internationalen Pokerturnieren teil, überwiegend in den USA, aber auch in Großbritannien, Schweden, Niederlande, Italien und Österreich. Sein Interesse für Nordamerika und das Glücksspiel führten ihn jährlich in den USA-Urlaub, in dem er auch einige Tage in Las Vegas verbrachte. In 2001 und 2003 siegte er … in Las Vegas bei zwei Turnieren der World Series of Poker, der wichtigsten Wettkampfserie.
Nach einer vom Kläger im Vorverfahren vorgelegten Auswertung der auf der Internetseite „Hendon Mob Poker Database“ (http://pokerdb.thehendonmob.com/player) gelisteten Ergebnisse internationaler Pokerturniere nahm er in den Jahren 2003 bis 2007 an 19 Turnieren teil und erzielte Preisgelder in Höhe von 596.197 €, denen Antrittsgelder („Buy-Ins“) in Höhe von 43.867 € gegenüberstanden. Danach hatte er im Jahre 2003 bei den World Poker Finals in Mashantuckets (USA) den 7. Platz belegt, im Jahre 2004 bei den World Series of Poker in Las Vegas den 15. Platz (Preisgeld 275.590 $), im Jahre 2005 bei den Sixth Annual Jack Binion World Poker (Tunica USA) den 4. Platz (Preisgeld 81.871 $) und bei den World Series of Poker (Las Vegas) den 7. Platz (Preisgeld 95.840 $). Im Jahre 2007 nahm er zweimal an der Group Match Premier League in Maidstone (Großbritannien) teil und erreichte vordere Plätze (Preisgeld 91.000 $).
Im Streitjahr 2008 nahm er ausweislich der vorgenannten Liste wiederum an zahlreichen Turnieren teil und erreichte obere Platzierungen, so bei den World Series in Las Vegas einen 17. und einen 22. Platz, bei Turnieren in London mehrere Plätze unter den ersten fünf. Ein Turnier in Bregenz gewann er ebenso wie ein Turnier in Cardiff. Bei einem Turnier in Amsterdam wurde er 21. und bei einem Turnier in Australien belegte er Platz 24. Nach der von ihm im Klageverfahren vorgelegten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für die Pokerturniere erzielte er im Streitjahr Einnahmen in Höhe von insgesamt 121.686,59 €.
Für die Teilnahme an der Turnierfolge Partypoker Group Match Premier League im Februar 2008 in London zahlte der Kläger nach einem Vertrag mit dem Veranstalter, der Matchroom Sport Limited, auf dessen Kopie in der Rechtsbehelfsakte des Beklagten verwiesen wird, ein Buy-In i.H.v. 60.000 $. Weitere Aufwendungen sind bislang für das Streitjahr nicht nachgewiesen.
Der Kläger trat zudem bei einem Sportsender als Kommentator für Pokerspiele auf und er erzielte Einkünfte aus einer Autorentätigkeit im Rahmen eines Internetblogs (Poker News Limited) sowie Lizenzeinnahmen aus dem Verkauf der DVD DSF Poker-Schule.
Auf eine Anfrage seiner damaligen Steuerberaterin hin, ob Einnahmen aus einem Pokerturnier in Deutschland steuerpflichtig seien, antwortete das damals zuständige Finanzamt D mit Schreiben 24.11.2006 (Bl. 35 der Gerichtsakte – GA-), dass dem nicht so sei.
Auf die erwähnte Internetliste „Hendon Mob Poker Database“ stieß auch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung E (Steuerfahndung), das von einer Steuerpflicht der Pokergewinne ausging und den Beklagten informierte. Dieser folgte der Rechtsauffassung der Steuerfahndung. Da die Kläger für das Streitjahr noch keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, schätzte der Beklagte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 10.9.2010 die Besteuerungsrundlagen. Die Pokergewinne qualifizierte er i.H.v. 59.000 € als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Im Einspruchsverfahren gegen den Schätzungsbescheid reichten die Kläger die Steuererklärung für das Streitjahr ein. Neben den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärte der Kläger nur noch selbständige Einkünfte aus der Autorentätigkeit i.H.v. 13.590 €. Die Preisgelder seien als Glücksspielgewinne nicht steuerpflichtig. Die aus den DVD-Verkäufen erzielten Einnahmen seien in den erklärten Einkünften aus selbständiger Arbeit enthalten.
Mit weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Teilabhilfebescheid vom 12.11.2010 berücksichtigte der Beklagte die erklärten Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer auf 89.758 € fest. Er ging weiterhin von der Steuerpflicht der Preisgelder aus, reduzierte jedoch die immer noch geschätzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 56.000 €. Im weiteren Einspruchsverfahren drohte er insoweit eine Verböserung an, da sich aus der im Internet veröffentlichten Liste Preisgelder für das Streitjahr von umgerechnet 105.012 € ergäben. Die Betriebsausgaben würden mangels entsprechender Nachweise mit pauschal 30 % geschätzt, so dass der anzusetzende Gewinn 73.508 € betrage. Außerdem sei fraglich, ob die Einnahmen aus den DVD-Verkäufen in den erklärten Einkünften enthalten seien.
Mit Einspruchsentscheidung vom 16.3.2011, auf die verwiesen wird (Bl. 3 ff. GA), wies er den Einspruch zurück und setzte die Einkommensteuer auf 94.905 € fest. Den Gewinn aus den Preisgeldern berücksichtigte er ankündigungsgemäß mit 73.508 €. Einnahmen aus den sog. cashgames sowie aus online-Poker wurden dabei nicht erfasst. Allerdings vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die Erlöse aus den DVD-Verkäufen in den bislang erklärten Einkünften nicht enthalten und i.H.v. 421 € den gewerblichen Einkünften hinzuzurechnen seien. Insgesamt ermittelte der Beklagte Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 73.929 €. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er mit der Einspruchsentscheidung auf.
Hiergegen haben die Kläger am 14.4.2011 Klage erhoben und diese wie folgt begründet:
Die Preisgelder seien als Glücksspielgewinne nicht steuerpflichtig.
Eine Besteuerung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb komme nur in Betracht, wenn die Einnahmen zunächst steuerbar seien und sich die Tätigkeit dann auch als Gewerbebetrieb qualifizieren lassen. Beides sei nicht der Fall.
Poker sei ein Glücksspiel. In den vom Kläger gespielten Varianten habe der Spieler eigene verdeckte Karten. Aus fünf der insgesamt verfügbaren offenen und verdeckten Karten müsse er sich sein Blatt bilden. Die Kartenausgabe durch den Kartengeber und damit das Blatt des Spielers hänge alleine vom Zufall ab. Der gesamte Spielablauf werde dadurch bestimmt, dass die Mitspieler nur die eigenen Karten und, je nach Variante des Pokerspiels, offen gespielte Karten kennen würden und es sich dabei um so wenige Karten von insgesamt im Spiel befindlichen 52 Karten handele, dass zuverlässige Vorhersagen über die Qualität der Karten der Mitspieler und ihre sonstige Verteilung regelmäßig kaum, im Einzelfall nur sehr eingeschränkt möglich seien. Der Reiz des Spiels bestehe letztlich darin, aus dem Verhalten der übrigen Mitspieler, insbesondere ihren Einsätzen, Vermutungen über die Qualität ihrer Karten anzustellen, deren Richtigkeit ebenfalls ein Zufallselement enthalte, das durch die Fähigkeiten und Erfahrungen des Spielers und der Mitspieler beeinflusst werde. Hinzukomme, dass die Einsätze teilweise bereits in einem Spielstadium getätigt würden, in denen das endgültige Blatt noch nicht bekannt sei, weil noch nicht alle verdeckten und offenen Karten verteilt seien.
Auch die Rechtsprechung behandele Poker als Glücksspiel.
In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung finde sich bislang keine Entscheidung, die sich mit der Einordnung speziell des Pokerns beschäftigt habe. Allerdings fänden sich viele Belege in der ordentlichen, verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Rechtsprechung, wo Poker grundsätzlich als Glücksspiel qualifiziert worden sei (z.B. VGH BaWü, Beschluss v. 20.1.2011, 6 S 1685/10; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.8.2009, 11 ME 67/09; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.4.2009, OVG I S 203.08; AG Deggendorf, Urteil v. 4.9.2008, Ds 9 Js 1350/07). Diese Qualifikation beruhe im Wesentlichen auf dem Argument, dass das Pokerspiel nach seinem Gegenstand grundsätzlich zufallsabhängig und in diesem Sinne Glückspiel sei; an diesem Charakter ändere sich auch nichts dadurch, dass es im Rahmen eines Turniers gespielt werde.
Ähnliche Rechtsprechungsbelege gebe es auch in der internationalen Gerichtsbarkeit. So habe z.B. der österreichische Unabhängige Finanzsenat am 11.5.2010 in der Rechtssache RV/0499-I/10 entschieden, dass auch das in Turnierform durchgeführte Pokerspiel in der Variante Texas Hold´em ein Glücksspiel darstelle.
Dabei werde insbesondere in der deutschen Rechtsprechung nicht zwischen den Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer am Pokerspiel unterschieden. Eine Unterscheidung zwischen Profi- und Hobbyspielern begegne auch bereits deshalb Schwierigkeiten, weil nicht festgestellt werden könne, ab welchem Punkt das Geschicklichkeitsmoment das Glücksmoment überlagere. Schlussendlich sei nicht das absolute Geschick des einzelnen Spielers, sondern das relative Geschick zwischen den Spielern für die Einordnung entscheidend. Die steuerrechtliche Einordnung als Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel hänge damit auch von der Zusammensetzung des jeweiligen Tisches ab. Spielten nur „Profis“ oder nur „Hobbyspieler“ miteinander, so wäre ein reines Glücksspiel anzunehmen. Nur wenn beide Gruppen an einem Tisch zusammenträfen, könne das Geschick entscheidend für den Spielverlauf sein. Dies jedoch nur dann, wenn es sich um einen längeren Spielverlauf handele, denn das einzelne Blatt werde immer noch vom Glück bestimmt.
Selbst wenn man für einzelne „Profispieler“ Poker in ein Geschicklichkeitsspiel umqualifizieren wolle, sei unklar, nach welchen Kriterien ein „Profispieler“ zu bestimmen sei. Kriterien dürften dann aber nicht nur in der Person des Spielers, sondern nach den vorherigen Ausführungen auch in der konkreten Zusammensetzung der Mitspieler und deren Qualifikation zu suchen sein. Dies sei nicht handhabbar.
Wegen der eindeutigen Einordnung des Pokerspiels als Glücksspiel in den genannten Entscheidungen sei aufgrund der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auch im Steuerrecht keine andere Entscheidung möglich.
Die finanzgerichtliche Rechtsprechung zu anderen Spielen sei nicht auf den Streitfall übertragbar.
Soweit der Beklagte auf die Entscheidungen des BFH vom 26.8.1993 und 11.11.1993 zu Berufskartenspielern Bezug nehme, sei darauf hinzuweisen, dass diese keine Entscheidungen zu Pokerspierlern darstellten. Dort sei es um Skat, Rommé und Backgammon gegangen. Dies seien nach Auffassung der Ausgangsinstanz, der der BFH letztlich gefolgt sei, aber Geschicklichkeitsspiele gewesen. Poker sei nach der hier vertretenen Auffassung mit diesen Spielen nicht vergleichbar und als Glücksspiel zu qualifizieren.
Eddy Scharf, der KlägerFür Gewinne aus Rennwetten, die Gewinnen aus Pokerspielen näher kämen, habe dagegen bereits der Reichsfinanzhof entschieden, dass es sich dabei um mehr oder minder vom Zufall abhängige Einnahmen handele, die zwar ohne Beteiligung am Spiel nicht zu erzielen seien, aber kein Entgelt für die Spieltätigkeit darstellten. Sie könnten daher nicht als Einnahmen aus Berufstätigkeit angesehen werden (RFH-Urteil vom 14.3.1928, VI A 738/27, RStBl 1928,181). In dieser Tradition stehe das BFH-Urteil vom 24.10.1969 (IV R 139/68, DB 1970,110) in dem auch der BFH Gewinne aus Rennwetten als steuerfrei angesehen habe.
An der Einordnung des Pokerns als Glücksspiel ändere auch der Umstand nichts, dass über Poker medial berichtet und suggeriert werde, dass hier Einflussmöglichkeiten bestünden. Insoweit könne auch aus der Fernsehtätigkeit des Klägers kein Rückschluss auf den Einfluss von Geschicklichkeit erfolgen. Die Außenwahrnehmung sei insoweit verzerrt. Studien hätten ergeben, dass die eigenen Einflussmöglichkeiten auf das Spiel von Pokerspielern überschätzt würden.
Selbst wenn das Pokerspiel hier aber nicht als Glücksspiel eingestuft werde und die Gewinne grundsätzlich einkommensteuerbar seien, so seien sie im konkreten Fall dennoch nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen, da die Merkmale eines Gewerbebetriebs i.S.d. § 15 EStG nicht vorlägen. Der Kläger sei kein professioneller Pokerspieler. Er habe eine zeitaufwändige Vollzeitbeschäftigung als Pilot bei der F und eine Familie mit zwei erwachsenen Kindern. Er verfolge mehrere Hobbys, so sei er z.B. Mitglied in einem Golfclub, spiele Tennis und Doppelkopf. Damit verbleibe nicht mehr viel Zeit für das Pokerspiel. Im Streitjahr habe er durchschnittlich 3,5 Stunden pro Woche Poker gespielt, also weniger Zeit als ein Hobbyfußballer oder Schachspieler in der Regel auf sein Hobby verwende. Darin eingerechnet seien die Spielbankbesuche, bei denen der Kläger zudem ausschließlich cashgames in der Variante Omaha gespielt habe, also einer Spielform, die mehr noch als die Variante Texas Hold´em vom Glück bestimmt werde. Bei einer Gesamtstundenzahl von 8.760 seien dies nicht einmal mehr 3 % des Gesamtjahres. Hierbei habe er letztlich Verluste erzielt, ebenso wie bei den Teilnahmen an Pokerturnieren.
Die für das Streitjahr vorgelegte Gewinnermittlung für die Einnahmen- und Ausgaben aus dem Turnierpoker weise einen steuerlichen Verlust aus (17.499,61 €). Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse betreibe der Kläger das Pokerspiel also nur hobby- und nicht gewerbsmäßig. Insbesondere sei danach eine Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen. Zudem fehle es aber auch an der notwendigen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, da kein Leistungsaustausch gegeben sei. Beim Turnierpoker diene der jeweilige Einsatz nicht der unmittelbaren Ausspielung, sondern dem Erhalt virtueller Chips, die den weiteren Verbleib im Teilnehmerfeld bestimmten. Der Gewinner erhalte ein vorher festgelegtes Preisgeld.
Abschließend werde auch die Höhe des vom Beklagten in Ansatz gebrachten Gewinnes bestritten und hierzu auf die im Klageverfahren eingereichte Gewinnermittlung verwiesen. Einzelnachweise in Form der vom Beklagten verlangten Buchführung seien nicht mehr möglich. Der Kläger sei, ebenso wie das Finanzamt D im Schreiben vom 24.11.2006, von der Steuerfreiheit der Preisgelder ausgegangen. Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten hätten ihn somit nicht treffen können. Es werde jedoch eine Gewinnermittlung 2008 für den Kläger eingereicht und hierauf verwiesen (Bl. 114 – 117 GA).
Die Kläger beantragen,
durch Zwischenurteil zu entscheiden, dass die Einnahmen des Klägers aus den Pokerturnieren nicht einkommensteuerbar sind, hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
durch Zwischenurteil zu entscheiden, dass die Einnahmen des Klägers aus den Pokerturnieren einkommensteuerbar sind, hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Gewinne aus Pokerspielen seien einkommensteuerbar. Pokern in der vom Kläger betriebenen Art und Weise sei überwiegend ein Geschicklichkeitsspiel.
Es sei eine allgemein bekannte Tatsache, dass es den Typus des berufsmäßigen Pokerspielers, der ausschließlich von seinen Spieleinkünften lebe, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gebe. Dergleichen wäre nicht möglich, wenn es beim Poker auf Glück und Zufall ankomme. Tatsächlich sei es so, dass sich das reine Kartenglück bereits bei einer einzigen Pokerrunde – in der Variante Texas Hold´em werde bis zu 20mal ein neues Blatt ausgegeben – weitgehend ausgleiche und der Spielerfolg durch die Beherrschung besonderer, insbesondere analytischer und psychologischer Techniken bestimmt werde. Träfen mehrere Spieler mit solchen ausgeprägten Fähigkeiten aufeinander, handele es sich um eine sportliche Auseinandersetzung, in der der Glücksfaktor nur noch eine untergeordnete Rolle spiele.
Poker sei – auch im Lichte des BFH-Urteils vom 11.11.1993 (XI R 48/91, BFH/NV 1994, 622) – ein Geschicklichkeitsspiel. Hierfür spreche auch, dass es „Pokerschulen“ mit „Spielanalysen“ gebe, an denen auch der Kläger mitwirke. Dies belege, dass es für das erfolgreiche Pokerspiel auf den Erwerb von Techniken, Kenntnissen und Fähigkeiten ankomme.
Auch lägen die Merkmale eines Gewerbebetriebs vor. Insbesondere nehme der Kläger durch seine Tätigkeit als Turnierspieler am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Das hierfür erforderliche auf einen Leistungsaustausch ausgerichtete Auftreten am Markt sei im Streitfall gegeben. Der Kläger stelle sich den Turnierveranstaltern und den übrigen Spielteilnehmern als besonders interessanter, herausfordernder und durch seine überdurchschnittlichen Fähigkeiten ausgezeichneter Mitspieler zur Verfügung. Er eröffne zudem sich und den übrigen Spielern eine an den Spielerfolg geknüpfte Gewinnchance. Der Kläger werde auch nachhaltig tätig, weil er über mehrere Jahre hinweg und wiederholt an großen Pokerturnieren teilgenommen habe. Die Gewinnerzielungsabsicht ergebe sich bereits aus den zum Teil gezahlten sehr hohen Startgeldern, wonach auszuschließen sei, dass das Pokerspiel nur hobbymäßig betrieben werde. Hinzu komme, dass daneben umfassende Reise- und Unterbringungskosten entstanden seien, die derart hoch seien, dass sie nicht in den – von den Spielgewinnen bereinigten – finanziellen Verfügungsrahmen des Klägers passten.
Selbst wenn aber das Vorliegen eines Gewerbebetriebs zu verneinen sei, seien Einkünfte anzunehmen, und zwar solche aus § 22 Nr. 3 EStG.
Die Höhe der Einkünfte sei in hohem Maße zwischen den Beteiligten umstritten. Die Kläger rügten zwar die Schätzung des Beklagten, sie hätten bislang aber nicht ausreichend an der Ermittlung des tatsächlichen Gewinns mitgewirkt. Die im Klageverfahren vorgelegte Gewinnermittlung könne nicht im Ansatz als ordnungsgemäß anerkannt werden. Der Kläger beschränke sich insoweit darauf, summarisch einige Zahlen in den Raum zu stellen, die weder in der gebotenen Weise aufgeschlüsselt noch belegt würden.
Gründe
A. Das Gericht entscheidet durch Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und nicht der Kläger oder der Beklagte widerspricht. Beide Beteiligten haben die Entscheidung durch Zwischenurteil ausdrücklich beantragt. Die Entscheidung ist sachdienlich, weil die Beteiligten den Streit über die Steuerbarkeit der Gewinne aus dem Turnierpoker in den Vordergrund ihrer Diskussion gestellt und die Frage der Höhe der Gewinne und der Einbeziehung von Casino- und Onlinepokerspielen insbesondere bei der Aufklärung des Sachverhalts zunächst zurückgestellt haben.
B. Die in diesem Umfang zu entscheidende Klage hat keinen Erfolg.
Die Gewinne des Klägers aus seinen Turnierpokerspielen sind als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einkommensteuerbar.
I. Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) und nach den Umständen des Einzelfalls keine private Vermögensverwaltung ist (st. Rspr. des BFH, vgl. z.B. Beschluss vom 3.7.1995, GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617).
1. Der Kläger betreibt das Pokerspiel selbständig und nachhaltig.
Die Nachhaltigkeit ergibt sich aus der seit Jahren erfolgenden Teilnahme des Klägers an großen und kleineren Pokerturnieren.
2. Der Kläger hat sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.
a) Dieses Merkmal verlangt, dass eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen muss nach außen hin in Erscheinung treten und sich an eine – wenn auch begrenzte – Allgemeinheit wenden. Das Merkmal dient dazu, aus dem Gewerbebetrieb solche Tätigkeiten auszuklammern, die zwar in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden, aber nicht auf Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet sind. Dabei können neben Sach- und Dienstleistungen auch geistige und andere immaterielle Leistungen Gegenstand gewerblicher Tätigkeit sein. Die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verlangt nicht Güteraustausch gegen festes Entgelt. Das Entgelt kann erfolgsabhängig bestimmt werden (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.1993, XI R 48/91, BFH/NV 1994, 622 m.w.N.).
Diesen Grundsätzen folgend, hat der Kläger eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten. Der Kläger hat seine spielerischen Fähigkeiten als Dienstleistung gegenüber dem Veranstalter bei Pokerturnieren öffentlich dargeboten. Hierfür wurde ihm ein vorher feststehendes oder von der Höhe der Antrittsgelder („Buy-Ins“) abhängiges Preisgeld für den Fall des Siegs oder einer Platzierung in den mit Preisgeldern belegten Rängen in Aussicht gestellt.
b) Das Anbieten einer Tätigkeit gegen Entgelt ist in der Rechtsprechung allerdings bei Glücksspielen verneint worden. Spielgewinne seien mehr oder minder vom Zufall abhängige Einnahmen, die zwar ohne Beteiligung am Spiel nicht zu erzielen seien, die jedoch nicht ein Entgelt für die Spieltätigkeit darstellten. Das EStG verstehe unter Berufstätigkeit nur eine Tätigkeit, die gegen Entgelt ausgeübt werde, wenn ein Steuerpflichtiger nachhaltig Spielverträge abschließe (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.1993, XI R 48/91, BFH/NV 1994, 622 m.w.N.).
Die Erzielung der Preisgelder war im Streitfall aber wesentlich und überwiegend von den Fähigkeiten des Klägers und weniger vom Zufall abhängig.
aa) Poker galt zwar lange Zeit als überwiegend vom Zufall abhängig und damit als Glücksspiel. Aber seit sich mit dem Aufkommen hochdotierter Pokerturniere und den Internet-Pokerspielen sowie den straf- und gewerberechtlichen Fragestellungen auch die Wissenschaft mehr und mehr mit dem Pokerspiel beschäftigt, hat eine differenziertere Betrachtung Einzug gehalten. Unstreitig ist dabei, dass Poker in den am häufigsten gespielten Formen „Texas Hold´em“ und „Omaha“ sowohl Zufalls- als auch Geschicklichkeitsmomente enthält. Umstritten ist jedoch, ob und unter welchen Voraussetzungen entweder das Glück oder das Geschick überwiegt.
(1) Die straf- und verwaltungsrechtliche Literatur stellt bei ihrer Betrachtung auf den Durchschnittsspieler ab. Holznagel (Poker – Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel?, MMR 2008, 439, 444) kommt dabei zu dem Ergebnis, dass beim hier relevanten Turnierpoker, welches über mehrere Runden ohne die Möglichkeit des Abbruchs unter Mitnahme von Gewinnen gespielt wird, die Geschicklichkeitskomponente überwiegt. Zu dem gleichen Ergebnis kommen Hambach/Hettich/Kruis (Verabschiedet sich Poker aus dem Glücksspielrecht?, MR-Int 2009, 41, 46) bei der Auswertung eines praktischen Tests. Dieser Test habe ergeben, dass Durchschnittsspieler die zufällig handelnden Spieler signifikant schlagen würden. Die Aussagekraft der Testergebnisse für die Gesamtbeurteilung des Spiels sei nach stochastischen Methoden positiv festgestellt worden. Damit sei bewiesen worden, dass Texas Hold´em in den untersuchten Serienspielvarianten ein Geschicklichkeitsspiel sei. In einem wirtschaftswissenschaftlichen Gutachten zur „Messung und Bewertung des Suchtgefährdungspotentials des Onlinepokerspiels “Texas Hold´em No Limit“ kommen Peren und Clement (Messung und Bewertung des Suchtgefährdungspotentials des Onlinepokerspiels Texas Hold´em No Limit, www.forschunggluecksspiel.de/publikationen) zu dem Fazit, dass alle betrachteten Studien ein wesentliches Geschicklichkeitsmoment hätten eruieren können. Dabei sei teilweise ein leichtes, teilweise ein deutliches Überwiegen gegenüber der Zufallskomponente festgestellt worden. Poker liege daher zumindest im Kontinuum zwischen Glücks- und Geschicklichkeitsspiel. Ähnlich differenziert fällt das Ergebnis bei Rock/Fiedler (Die Empirie des Online-Pokers – Bestimmung des Geschicklichkeitsanteils anhand der kritischen Wiederholungshäufigkeit, ZfWG 2008, 412) aus. Danach könne aufgrund einer empirischen Untersuchung die „kritische Wiederholungshäufigkeit“ bestimmt werden, ab der das Geschick einen stärkeren Einfluss auf das Spielergebnis habe als der Zufall. Zu eindeutigeren Ergebnissen gelangen Koenig/Ciszewski (Texas Hold´em Poker – Glücksspiel oder Geschicklichkeitsspiel?, GewArch 2007, 402) und Fischhaber/Manz (Grenzen der Zulässigkeit von Pokerturnieren, GewArch 2007, 405). Erstere kommen zu dem Resultat, dass auch der Durchschnittsspieler in der Lage sei, seine Fähigkeiten und Kenntnisse so einzusetzen, dass sie vorrangig entscheidend für Sieg oder Niederlage seien und Texas Hold´em Poker daher als Geschicklichkeitsspiel einzuordnen sei. Die letztgenannten Autoren sind – ohne näher auf die Geschicklichkeitselemente des Pokerspiels einzugehen – dagegen der Überzeugung, dass die Entscheidung über Gewinn und Verlust vom Zufall abhänge. Jeder Spieler sei bei der Bildung seiner Kartenkombination davon abhängig, welche Karten er (zufällig) erhalte und könne nur äußerst vage abschätzen, welche Karten die Gegner haben könnten.
(2) Auch die zivil- und verwaltungsrechtliche Judikatur betrachtet bei der Qualifizierung des Pokerspiels als Glück- oder Geschicklichkeitsspiel den Durchschnittsspieler (vgl. z.B. BGH-Urteil vom 28.9.2011, I ZR 93/10, MDR 2012, 111). Von dieser Prämisse ausgehend wird das Pokerspiel unter Zugrundelegung der Definition des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlÜStV als Glücksspiel eingeordnet. Der 1. Zivilsenat des BGH hat in der vorgenannten Entscheidung vom 28.9.2011 die Auffassung der Berufungsinstanz bestätigt, dass Poker in der Variante Texas Hold´em ein Glücksspiel sei. Die Entscheidung über den Gewinn hänge in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich sei. Dies sei hier der Fall, denn der Gewinn eines Spielers richte sich danach, ob seine Mitspieler früher als er ausstiegen und welche Karten sie letztlich offenlegten. Das Geschick des Spielers habe nur Einfluss auf die Bewertung der Gewinnchancen abhängig von der Einschätzung der eigenen und der gegnerischen Karten. Dabei handele es sich jedoch nur um Wahrscheinlichkeiten, da ein zukünftiges Ereignis, nämlich die nächste aufgedeckte Karte die Gewinnmöglichkeit erheblich reduzieren oder steigern könne (OLG Köln, Urteil vom 12.5.2010, I-6 U 142/09, 6 U 142/09, ZfWG 2010, 359; ähnlich: OVG Lüneburg, Urteil vom 10.8.2009, 11 ME 67/09, NVwZ-RR 2010, 104). Die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung kommt mit ähnlicher Begründung zum gleichen Ergebnis (vgl. z.B. OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.8.2009, 11 ME 67/09, GewArch 2009, 406 und OVG NW, Beschluss vom 3.12.2009, 13 B 775/09, MMR 2010, 350).
(3) In einer jüngeren strafrechtlichen Entscheidung zu § 284 Abs. 1 StGB kommt das Landgericht Karlsruhe (Urteil vom 9.1.2009, Ns 97 Js 14968/07, 18 AK 127/08, nv, www.aufrecht.de/urteile/deliktstrafr.html) in Anlehnung an den Aufsatz von Holznagel in MMR 2008, 439 allerdings zum gegenteiligen Ergebnis. Beim Turnierpoker, welches über viele Runden ohne die Möglichkeit des Abbruchs unter Mitnahme von Gewinnen gespielt werde, überwiege jedenfalls die Geschicklichkeitskomponente. Das Zufallselement sei umso weniger bedeutsam, je mehr Hände gespielt werden müssten. Ziel des Spiels sei es nämlich nicht, möglichst viele einzelne Runden zu gewinnen, sondern am Ende am meisten bzw. alles gewonnen zu haben. Dabei sei die beurteilte Pokervariante Texas Hold´em abzugrenzen von der im Urteil des Reichsgerichts vom 11.6.1906 (RG JW 1906, 798) untersuchten Variante Draw Poker.
bb) Die dargestellten Auffassungen orientieren sich insbesondere an der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, wonach ein Glücksspiel vorliegt, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Ob eine ganz oder überwiegende Abhängigkeit vom Zufall besteht wird dabei abstrakt nach Maßgabe der Fähigkeiten eines durchschnittlichen Spielers beurteilt. Aufgrund dieser Beurteilung wird dann das Spiel generell als erlaubnispflichtig i.S.d. § 4 Abs. 1 GlüStV oder objektiv strafbar nach § 284 oder § 285 StGB eingeordnet. Dabei wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass bereits bei einem Durchschnittsspieler das Geschicklichkeitselement nur noch wenig hinter dem Zufallselement zurücktritt bzw. dieses bereits übertrifft.
Ob steuerlich ein gewerbliches Unternehmen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gegeben ist, kann jedoch nicht abstrakt und durch Betrachtung eines Durchschnittsspielers beurteilt werden, sondern nur aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalles. Denn das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG (insbes. Selbständigkeit, Nachhaltigkeit und Gewinnerzielungsabsicht) kann nur unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten in Person des Steuerpflichtigen geprüft werden.
Der Kläger ist kein Durchschnittsspieler. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger über besondere Fähigkeiten verfügt, die ihn von einem Durchschnittsspieler abheben und ihm in besonderem Maße eine Einflussnahme auf den Ausgang der Pokerturniere gestatten. In der Person des Klägers ist der Erfolg beim Turnierpokerspiel überwiegend von seinem Geschick abhängig.
(1) Das Pokerturnierspiel in den vom Kläger gespielten Varianten enthält immer auch Geschicklichkeitselemente. So gibt es ein Blatt, das einem Spieler den sicheren Gewinn verschaffen kann, fast nie. Der Spieler muss daher seine eigene Gewinnchance anhand der zur Verfügung stehenden Informationen einordnen und abschätzen können. Bei Texas Hold´em gehören die Gemeinschaftskarten, der Wert des Pots, die Höhe der bereits geleisteten Einsätze sowie die Werte der Chips, die die Spieler noch haben, zu den wesentlichen Informationen. Neben Wahrscheinlichkeitsberechnungen sind strategische Überlegungen wesentliche Geschicklichkeitselemente. Die Spieler müssen zu Beginn des Spiels entscheiden, ob sie ihre Hand überhaupt spielen. Danach müssen sie in jeder Runde abwägen, ob sie, auch unter Berücksichtigung schon geleisteter Einsätze, mitgehen, erhöhen oder aussteigen. Wenn Runden mit einem Showdown enden, gewinnt daher nicht notwendigerweise das höchste Blatt, sondern das höchste sich noch im Spiel befindliche Blatt. Auch psychologische Geschicklichkeitsfaktoren spielen eine wesentliche Rolle, insbesondere die Beobachtung der Mitspieler und die Kontrolle über die eigene Körperhaltung, Gestik und Mimik (vgl. Holznagel, Poker – Glücks- oder Geschicklichkeitsspiel?, MMR 2008, 439, 441 f.; zu den einzelnen Geschicklichkeitselementen s.a.: Hambach/Hettich/Kruis, Verabschiedet sich Poker aus dem Glücksspielrecht?, MR-Int 2009, 41, 43 f. und Peren/Clement, Messung und Bewertung des Suchtgefährdungspotentials des Onlinepokerspiels Texas Hold´em No Limit, www.forschunggluecksspiel.de/publikationen).
(2) Der Kläger bringt schon aufgrund seiner Ausbildung und seines Berufs die notwendigen Voraussetzungen für die erfolgreiche Anwendung von Geschicklichkeitsfaktoren beim Pokerspiel mit. Als Flugkapitän bei der F verfügt er insbesondere über Kenntnisse der Elektrotechnik, Aerodynamik, Navigation und Meteorologie, also stark mathematisch geprägter Fachgebiete. Damit hatte er die erforderliche Wissensgrundlage für die Erstellung auch schwierigerer Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Auch psychologische Kenntnisse gehören zum Berufsbild des Flugkapitäns, der in Ernstfällen nicht nur die Passagiere beruhigen, sondern auch binnen Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen muss, die über das Leben vieler Menschen entscheiden können. Er spielt zudem schon seit langer Zeit erfolgreich Turnierpoker. So hat er bereits in 2003 ein Turnier der World Series of Poker in Las Vegas gewinnen können. In seiner langen Pokerkarriere hat sich der Kläger zur Überzeugung des Gerichts auch besondere strategische Fertigkeiten zugelegt, die ihn neben den schon aufgrund seines Berufs vorhandenen Fähigkeiten zu einem konstant erfolgreichen Pokerspieler machen. Außerdem vermittelte der Kläger seine Fähigkeiten auch in einer DVD-Pokerschule, als Fernsehkommentator und in einem Internetblog. Die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Klägers manifestieren sich in seinen Erfolgen, die letztlich zum Ausdruck bringen, dass das Glückselement in Person des Klägers in den Hintergrund tritt.
Es mag in Einzelfällen zutreffen, dass auch ungeübtere Spieler Pokerturniere gewinnen. Diese können allerdings nicht die in den Fähigkeiten des Klägers begründete Konstanz bei ihren Erfolgen aufweisen.
(3) Die Erfolge des Klägers sowohl in den Pokervarianten „Texas Hold´em“ und „Limit Omaha“ zeigen, dass er in beiden Varianten ähnlich erfolgreich war und es daher für die steuerrechtliche Beurteilung keiner weiteren Auseinandersetzungen mit den Unterschiedlichkeiten dieser Spielarten bedarf. Zwar behandeln die dargestellten Meinungen zur Abgrenzung von Glücks- und Geschicklichkeitsspiel überwiegend die Variante Texas Hold´em. Die dargestellten und in der Person des Klägers vorhandenen Geschicklichkeitsfaktoren sind aber nach der Überzeugung des Senats ebenso bei der Variante Omaha von entscheidender Bedeutung.
Dass der Kläger beim hier für die Beurteilung alleine maßgeblichen Turnierpoker auch noch weitere, möglicherweise weniger beeinflussbare Pokervarianten gespielt hat, ist nicht ersichtlich. Nach der Auflistung in der „Hendon Mob Poker Database“ hat der Kläger überwiegend an Turnieren erfolgreich teilgenommen, bei denen die Variante No Limit Texas Hold´em gespielt wurde, vereinzelt auch Omaha. Zwar hat der Kläger mehrfach die Aussagekraft der „Hendon Mob Poker Database“ angezweifelt und auf ihre Manipulierbarkeit hingewiesen. Er hat jedoch nie substantiiert bestritten, an den dort gelisteten Turnieren teilgenommen zu haben. Die Liste war Entscheidungsgrundlage des Beklagten und dauerndes Diskussionsthema im Einspruchs- und Klageverfahren. Der Kläger hat jedoch zu keinem Zeitpunkt abweichend davon Turniere benannt, an denen er teilgenommen bzw. nicht teilgenommen haben will. Erst in der mündlichen Verhandlung hat er behauptet, an manchen der gelisteten Turniere „nachweislich“ nicht teilgenommen zu haben. Zudem hat er zu einem Eintrag für 2007 darauf hingewiesen, dass er nicht Erster sondern Zweiter geworden sei. Die dem Gericht bekannten Tatsachen sprechen im Gegensatz zu den bloßen Behauptungen des Klägers jedoch dafür, dass die „Hendon Mob Poker Database“ einen im Klageverfahren verwertbaren Anhaltspunkt für die Erfolge des Klägers, die gespielten Turniere, seine erhaltenen Preisgelder und die gespielten Pokervarianten gibt: So übertreffen die in der Gewinnermittlung des Klägers enthaltenen Preisgelder für das Streitjahr sogar noch die Preisgelder in der „Hendon Mob Poker Database“. Die Teilnahme an der Turnierfolge im Februar 2008 in London hat er durch die Vorlage des Vertrages mit dem Veranstalter bestätigt. Seine Erfolge bei den WSOP in Las Vegas sind auch auf www.wsop.com/players dokumentiert. In einem Schreiben vom 16.11.2009 an die Steuerfahndung, auf dessen Kopie in der Rechtsbehelfsakte des Beklagten Bezug genommen wird, greift der Kläger sogar selbst auf die „Hendon Mob Poker Database“ als Nachweis dafür zurück, dass er hauptsächlich in seinem Urlaub an Turnieren in Las Vegas teilgenommen habe.
3. Der Kläger handelte auch mit Gewinnerzielungsabsicht.
a) Gewinnerzielungsabsicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.6.1984 (GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) als Merkmal des gewerblichen Unternehmens das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns. An dieser Absicht fehlt es, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt (vgl. BFH-Urteil vom 27.5.2009, X R 62/06, NV, juris, m.w.N.).
Der Kläger strebte mit seiner Teilnahme an Pokerturnieren einen Totalgewinn an. Er nahm an hochdotierten Turnieren teil und erzielte im Streitjahr sowie in den Jahren davor und danach hohe Preisgelder. Dem steht nicht entgegen, dass er nach seiner Gewinnermittlung im Streitjahr Verluste erzielte und nach seinem Vortrag seine Tätigkeit verlustbringend ist. Denn für diese Behauptungen fehlen die tatsächlichen Anhaltspunkte. Den in seiner Gewinnermittlung für 2008 angegebenen Einnahmen von 121.686,59 € abzüglich „Erlösschmälerungen“ i.H.v. 4.200 € stehen geltend gemachte Reisekosten i.H.v. 14.556,87 € und Antrittsgelder („Buy-Ins“) i.H.v. 120.429,33 € gegenüber. Die „Erlösschmälerungen“ werden dabei nicht weiter erläutert. Beide Betriebsausgabenbeträge werden nur in einer Summe ausgewiesen, ohne sie im Einzelnen aufzuschlüsseln. Mehrfach hatte der Kläger zuvor vorgetragen, dass ihm ein detaillierter Nachweis nicht zumutbar sei, da bislang alle Beteiligten von der fehlenden Steuerbarkeit ausgegangen seien. Ob es sich daher bei der Gewinnermittlung um eine Schätzung des Klägers handelt oder er entgegen seinem Vortrag ausreichend Nachweise zur Verfügung hatte und ob dann die Voraussetzungen für einen Betriebsausgabenabzug vorliegen, ist nicht überprüfbar. Insbesondere hinsichtlich der Reisekosten dürfte dies zweifelhaft sein. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass seine aus der „Hendon Mob Poker Database“ ersichtlichen hauptsächlichen Aktivitäten über Zeiträume von 3-4 Wochen in seinem Haupturlaub stattgefunden hätten. Da die Reisekosten vor diesem Hintergrund erheblich privat mitveranlasst sein dürften, stellt sich die Frage, ob sie überhaupt bzw. zu welchem Anteil sie als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Aber selbst wenn im Streitjahr ein Verlust verbliebe, wird dadurch nicht der über die Jahre erzielte Totalgewinn in Frage gestellt. Die Antrittsgelder des Streitjahres beinhalten u.a. ein Antrittsgeld i.H.v. 60.000 $ (40.683,48 €) für das Turnier in London im Februar 2008. Ein solch hohes Antrittsgeld wird nur bei besonderen Turnieren mit geringer Teilnehmerzahl erhoben. Weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus der „Hendon Mob Poker Database“ ist ersichtlich, dass der Kläger in einem anderen Jahr an einem Turnier mit ähnlich hohem Antrittsgeld teilgenommen hat. Die aus der Bezeichnung der Turniere in der „Hendon Mob Poker Database“ ersichtlichen Antrittsgelder bewegen sich nur zwischen 75 € und 10.000 $, so dass angesichts der erreichten Preisgelder von der Erzielung jährlicher Gewinne auszugehen ist. Dagegen spricht nicht, dass der Kläger auch an weiteren Turnieren teilgenommen hat, die in der „Hendon Mob Poker Database“ nicht aufgeführt sind. Bei einem Vergleich der Erlöse aus der Gewinnermittlung 2008 mit den in der „Database“ aufgeführten, insgesamt deutlich niedrigeren Preisgeldern, ist ersichtlich, dass der Kläger Preisgelder auch bei weiteren, in der „Hendon Mob Poker Database“ nicht gelisteten Turnieren erzielt haben muss. Dass das Ergebnis aus diesen nicht gelisteten Turnieren insgesamt negativ ist, hat der Kläger allerdings nicht nachvollziehbar dargelegt. Dies erscheint bei Betrachtung der Fähigkeiten und bekannten Erfolge des Klägers auch unwahrscheinlich.
b) Unerheblich ist, dass – wie der Kläger vorträgt -, das Gewinnstreben dem Spiel um Geld immanent ist und teilweise auf „unrealistischen Annahmen“ beruht. Denn im Streitfall führte das Gewinnstreben des Klägers tatsächlich auch zu einem Totalgewinn.
4. Die Teilnahme des Klägers an Pokerturnieren überschreitet entgegen seiner Ansicht auch den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung.
Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal gewerblicher Einkünfte muss die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreiten. Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre sowie anderen Einkunftsarten andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie gewerblich sein, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist. Die in diesem Zusammenhang von der Rechtsprechung entwickelten Beweisanzeichen dienen dem Zweck, eine die Gleichheit der Rechtsanwendung gewährleistende Zuordnung zum “Bild des Gewerbebetriebs” bzw. zum Gegentypus der privaten Vermögensverwaltung zu ermöglichen. Es entspricht langjähriger und gefestigter Rechtsprechungstradition, das “Bild des Gewerbebetriebs” durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren. Zu diesen gehören die selbständig und nachhaltig ausgeübten Tätigkeiten der Produzenten, der Dienstleister und der Händler (vgl. BFH-Urteil vom 15.3.2005, X R 39/03, BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817).
Unter Anwendung dieser Grundsätze entspricht die Tätigkeit des Klägers nach der Verkehrsanschauung dem Bild eines Gewerbetreibenden. Er hat, was auch die Aufstellung seiner Erfolge in der „Hendon Mob Poker Database“ belegt, nicht nur während einer jährlichen Urlaubsreise an Pokerturnieren teilgenommen, sondern kontinuierlich über das Jahr verteilt. Er war aufgrund seiner hier bereits festgestellten Fähigkeiten ein auch international herausragender Pokerspieler und ähnlich einem Golf- oder Tennisprofi regelmäßiger Teilnehmer großer Turniere. Dass dies anders als vom Kläger angenommen den Hobbybereich lange überschritten hat, belegen die z.T. hohen Antrittsgelder, mit denen er sich in die Turniere eingekauft hat. Ein weiterer Beleg ist der von ihm für die Turnierfolge im Februar 2008 in London mit einem Antrittsgeld von 60.000 $ eingereichte Vertrag mit dem Veranstalter. Der Vertrag regelt detailliert das Verhalten des Klägers bei den Pokerspielen und auch im Umfeld des Turniers. So war der Kläger angehalten, auf Wunsch des Veranstalters Interviews zu geben und an Pressekonferenzen teilzunehmen. Ihm wurde vorgeschrieben, in welchem Umfang er Sponsorenlogos an seiner Kleidung tragen durfte. Außerdem verpflichtete er sich das Urheberrecht für Filmaufnahmen an den Veranstalter abzutreten. Solche Vertragsverpflichtungen und ein solches Antrittsgeld nimmt kein Spieler auf sich, der das Pokerspiel nur hobbymäßig betreibt. Auch die Übertragung zahlreicher der vom Kläger gespielten Turniere im Fernsehen und seine darüber hinausgehende Medienpräsenz sprechen dafür, dass der Kläger als gewerblich tätiger Pokerspieler außerhalb der privaten Vermögensverwaltung und nicht als Hobbyspieler tätig ist.
II. An der festgestellten Gewerblichkeit der Turnierpokertätigkeit des Klägers ändert auch das Schreiben des Finanzamtes D vom 24.11.2006 nichts. Darin teilt das Finanzamt die Auffassung, dass ein Gewinn des Klägers von 63.600 $ nicht einkommensteuerpflichtig ist. Abgesehen davon, dass das Gericht hieran nicht gebunden ist, liegt der damaligen Einschätzung des Finanzamtes nur ein einzelner Gewinn zugrunde. Die Beurteilung des Gerichts beruht jedoch auf einer Gesamtschau der Verhältnisse des Streitfalls über Jahre hinweg.
C. Wegen der Qualifizierung der Einkünfte aus den Pokerturnieren als gewerbliche Einkünfte bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Voraussetzungen des insoweit subsidiären § 22 Nr. 3 EStG (Sonstige Einkünfte aus Leistungen) vorliegen.
D. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Das Gericht hat – soweit ersichtlich – erstmals entschieden, dass Gewinne von Turnierpokerspielern mit den Voraussetzungen und Fähigkeiten des Klägers einkommensteuerbar sind.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 28.12.2012.