Alles verläuft rückwärts vom River. Bei Pot-Limit und No-Limit Hold’em steigt die Potgröße, und damit die Einsatzhöhe, in jeder Setzrunde exponentiell an. Dies bedeutet, dass Fehler auf dem River wesentlich teurer sind als in früheren Setzrunden, wodurch das Risiko eines Irrtums auf dem River einen Fold zu einem früheren Zeitpunkt in der Hand erforderlich machen kann. Im Gegensatz dazu können bestimmte Karten auf dem River aufgrund der Möglichkeit eines Bluffs und/oder einer Value Bet einen Fold in einen Call verwandeln.
Trotz der Wichtigkeit des Spiels auf dem River vernachlässigen es viele Turnierspieler. Dies fiel mir vor allem bei der World Series of Poker auf, als ich erlebte, wie zahlreiche Spieler den Check auf dem River einer kleinen Value Bet vorzogen. Verpasst man durch übertrieben passives Spiel auf dem River regelmäßig Bets mit positivem Erwartungswert, macht man es seinen Gegnern leichter, in früheren Setzrunden grenzwertige Hände weiterzuspielen.
In diesem Artikel möchte ich zwei Hände besprechen, die ich während der WSOP spielte und in denen Vermutungen über das Spektrum eines Gegners für eine River-Bet mein Handeln beeinflussten. Beide Beispielhände schließe ich mit einer kurzen Rückschau der jeweiligen Situation ab.
Hand 1
Diese Hand ereignete sich in der letzten Stunde von Tag 2 des Main Events.Ich war an einen anderen Tisch gesetzt worden und hatte mit überdurchschnittlichen 330.000 Chips den größten Stack am Tisch. Sobald ich am Tisch gesessen hatte, war ich extrem aggressiv, eröffnete aus später Position mehrere Male mit einem Raise und hatte den Spieler zu meiner Rechten gereraist, als er das erste Mal mit einem Raise eröffnete.
Die Blinds lagen bei 1.200/2.400 plus 300 Ante und ich war im Big Blind. Nach lauter Folds füllte der SB dieses Mal nur auf. Ich raiste mit einem Paar Vieren um weitere 5.000 und er callte. Auf dem Flop kamen 9 6 2 , mein Gegner checkte, ich setzte 8.000 und er callte. Den Turn mit der Q checkten wir beide und nach einer weiteren Zwei auf dem River setzte er 18.000.
Mit drei Overcards und einem Underpair auf dem Board sah mein niedriges Paar wahrlich nicht prickelnd aus. Da es auf dem Flop allerdings etliche Draws gab, die mein Gegner nun verpasst haben konnte, war es auch möglich, dass er bluffte. Aufgrund meiner vorherigen Aggressivität kam es mir so vor, als hätte mein Gegner mich bei meinem Raise mit folgender Continuation Bet auf zwei beliebige Karten gesetzt und meinen Check auf dem Turn als Aufgabe betrachtet.
Letztlich ausschlaggebend für meine Entscheidung war, dass ich bei der WSOP kaum Spieler erlebt hatte, die überhaupt zu einer dünnen Value Bet auf dem River in der Lage waren. Entsprechend polarisiert schätzte ich das Spektrum meines Gegners ein. Entweder hatte er meines Erachtens eine sehr starke Hand wie einen Drilling Zweien oder ein Blatt ohne jeglichen Wert bei einem Showdown wie 8x 7x (ein geplatzter Straight Draw). Mit meinen Vieren konnte ich lediglich einen Bluff schlagen, daher musste mein Gegner in 28 Prozent der Fälle bluffen, damit ein Call korrekt war.
Aufgrund dieser Überlegung callte ich und mein Gegner zeigte Tx 9x für den Gewinn der Hand. Er hatte mit Middle Pair eine Value Bet gebracht. Bedeutet dies, dass meine Annahmen über das Spektrum für Value Bets eines unbekannten WSOP-Spielers verkehrt waren? Nicht unbedingt, da es sich bei diesem Spieler um niemand anderen als Robert Mizrachi handelte, wie ich leider erst später erfuhr.
Hätte ich gewusst, dass diese River-Bet von einem Profi stammte, hätte ich gefoldet. Ein sehr guter Spieler ist eher zu einer dünnen Value Bet auf dem River fähig, wodurch die zuvor erwähnte Polarisierung des Spektrums nicht mehr gilt. Obwohl er unter Umständen mit seinen geplatzten Draws auf dem River auch blufft, ist Mizrachi eindeutig dazu in der Lage, mit einem Paar Neunen – und eventuell sogar schwächeren Händen – eine Value Bet zu bringen, und schon gleich, wenn er weiß, dass ich aufgrund der vielen geplatzten Draws vermutlich calle. Die vielen Hände mit einem Paar in seinem Spektrum für eine Bet bedeuten, dass er seltener blufft und ein Fold korrekt gewesen wäre.
Hand 2
In dieser Hand war ich in der umgekehrten Rolle und stellte meinen Gegner vor eine schwierige Entscheidung auf dem River. Sie fand zu Beginn des 6-max-NLHE-Events mit 5.000 $ Buy-In statt. Die Blinds lagen bei 100/200 plus 25 Ante und ich raiste aus UTG mit Ax Qx offsuit auf 600. Beide Blinds callten und wir schauten uns zu dritt einen Flop mit 10 8 3 an.
Dies ist kein idealer Flop für eine Continuation Bet gegen zwei Spieler, aber der SB war vor dem Flop recht loose und nach seinem Call konnte der BB aufgrund der sehr guten Pot Odds mit einem breiten Spektrum callen. Aus diesem Grund hatte ich den Eindruck, meine Hand könne immer noch die beste sein. Beide Spieler checkten und ich setzte 1.400. Der SB foldete, doch der BB callte.
Auf dem Turn kam die 4 und wir checkten beide. Der J auf dem River komplettierte einen möglichen Flush und mein Gegner checkte wieder. Ich feuerte einen weiteren Bluff mit 3.200 ab und nach langem Nachdenken callte mein Gegner mit Tx 9x .
Obwohl ich mich mit meinem Gegner nicht über die Hand unterhielt, habe ich über sie nachgedacht und kam zu dem Schluss, dass seine Entscheidung für einen Call auf dem River ähnliche Gründe hatte wie bei mir und meinem Call in der vorigen Hand. Tatsächlich checken viele Spieler Hände mit einem starken Paar bei einem möglichen Flush auf dem River durch, weil sie Angst vor einem Check-Raise haben. Mein Gegner konnte nicht wissen, dass ich nicht zu dieser Gattung zähle, daher ergibt sein Call absolut Sinn, wenn er mich auf ein polarisiertes Spektrum – Flush oder kein Paar – setzt.
In Wirklichkeit bin ich aber durchaus imstande, genau diese Setzfolge mit vielen starken Händen, die Tx 9x schlagen, anzuwenden, darunter Buben, Damen, Könige, Asse, Ax Jx und Ax Tx . Wäre meinem Gegner dies bewusst gewesen, hätte er vermutlich gefoldet.
Die Drohung einer Bet
Ein weiterer Punkt, über den ich im Zusammenhang mit dieser Hand nachgedacht habe, ist die Frage, ob ich auf dem Turn hätte bluffen sollen. Hätte mein Gegner mit Top Pair plus schwachem Kicker eine zweite Salve gecallt? Das werde ich natürlich nie erfahren, aber ich will damit illustrieren, dass mein Gegner bei der Entscheidung, ob er auf dem Turn callt, die möglichen Folgen auf dem River berücksichtigen muss. Kann er davon ausgehen, dass ich auf dem River weder bluffe noch valuebette, kann er auf dem Turn eher callen. Muss er mir aber zutrauen, dass ich sowohl zu einem dreifachen Bluff als auch zu einer dreifachen Value Bet mit KK imstande bin, entscheidet er sich auf dem Turn mit einer grenzwertigen Hand wohl eher zu einem Fold als dazu, mit einem starken und trickreichen Gegner um einen großen Pot zu spielen.
Dieser Anstieg der Erfolgsquote auf dem Turn verdeutlicht den zusätzlichen Gewinn, den Sie erzielen können, wenn Sie auf dem River gut spielen. Vor allem in Turnieren, wo dem Stehlen von Pots eine derart wichtige Rolle zukommt, müssen Sie dafür sorgen, dass Ihre Gegner Sie höchst ungern mit grenzwertigen Händen bis zum River callen. Bets auf Flop und Turn sind wesentlich bedrohlicher, wenn man eine weitere schwierige Entscheidung auf dem River befürchten muss.
Um aus dieser Dynamik Kapital zu schlagen, müssen Sie jedoch imstande sein, auf dem River dünne Value Bets zu bringen. Viele Spieler tendieren vor allem im Hinblick auf hohe Bets eher zur Vorsicht. Es leuchtet daher ein, dass viele Spieler bei Value Bets auf dem River übermäßig vorsichtig sind, da diese Einsätze recht hoch sind.
Fazit
Es ist ein elementares Konzept, bedarf aber der nochmaligen Wiederholung: Für eine Value Bet auf dem River müssen Sie kein allzu großes Vertrauen in Ihre Hand haben. Es reicht die Annahme, dass Ihr Gegner häufiger mit schlechteren Händen als mit besseren callt. (Es gilt allerdings noch das Risiko eines Bluff-Raise zu berücksichtigen. Darauf inkorrekt zu folden, kostet Sie nicht nur eine Bet, sondern den ganzen Pot. Jedoch sind Gegner, die für eindeutige Value Bets zu ängstlich sind, nicht gerade Kandidaten für solche Bluff-Raises.)
Zusätzlich zum direkten Erwartungswert dünner Value Bets verschaffen Sie sich langfristig zusätzliche Equity, wenn Sie Ihren Gegnern zeigen, dass Sie zu diesen imstande sind. Diese müssen ständig schwierige Entscheidungen in der teuersten Setzrunde befürchten und werden deshalb mehr Steals von Ihnen in früheren Setzrunden zulassen. Verbessern Sie deshalb Ihr Spiel auf dem River, lernen Sie, wie Sie Ihre Gegner vor schwierige Entscheidungen und schauen Sie zu, wie das Geld auf dem River in Ihre Kasse fließt.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 26.11.2009.