Das Finanzgericht Münster hat nach Ansicht vieler Experten mit dem neuen Urteil die Grenzen der Steuerpflicht zu weit gefasst. Ein Pokerspieler soll jetzt auf seine Umsätze – sprich Gewinne aus Cashgame und Turnieren – unter bestimmten Umständen Umsatzsteuer bezahlen. Eine Steuer, die nach Ansicht vieler Experten schon von ihrem Wesen her nicht auf Pokerspiele passt.
Umsatzsteuer passt nicht auf Poker
Zunächst ist die Umsatzsteuer, auch Mehrwertsteuer genannt, eine Betriebssteuer. Nach § 1 UStG wird die Umsatzsteuer auf alle Lieferungen von Waren und Leistungen erhoben, die ein Unternehmen im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Es muss also eine Leistung ausgetauscht werden und auf einer Seite dieses Austausches muss ein Unternehmen stehen. Ist der Kläger als Pokerspieler ein Unternehmen? Ist seine bloße Teilnahme an einer Partie Poker eine Leistung im Sinne des Gesetzes? Ist es steuerlich das Gleiche, wenn ich z. B. jemandem eine in meinem Betrieb genähte Hose für 100 Euro verkaufe und wenn ich z. B. in einem Pokerturnier 100 Euro gewinne?
Das Finanzgericht hat diese Fragen bejaht, es teilt in den Urteilgründen lapidar mit: “Wie ein erfahrener Marktteilnehmer beherrschte der Kl. die Usancen der von ihm ausgeübten Tätigkeit als Kartenspieler, wozu er in den Streitjahren u.a. auch auf die schon vor den Streitjahren als Bridgespieler gesammelten Erfahrungen zurückgreifen und diese bei den hier streitigen Tätigkeiten verwerten konnte. Aufgrund dieser Erfahrungen durfte er im Gesamtergebnis mit einem Spielerfolg und damit mit der Erzielung von Einnahmen rechnen.”
Wer sich – im Gegensatz zu den Finanzrichtern – ein wenig mit Poker auskennt, weiß, dass bei jedem Pokerspiel nicht nur wegen der Varianz im Grunde alles passieren kann. Der Pokerspieler weiß eben nicht, ob er nach ‘Erbringung seiner Leistung’ mit einem Gewinn nach Hause geht. Das Finanzgericht wertet also denjenigen, der gerade Glück hat, als leistungserbringenden Unternehmer, denjenigen mit einer Pechsträhne nicht. Absurd.
Zudem stellt sich die Frage, an wen die Leistung erbracht wird. An den Mitspieler oder an das Casino in Form von Rake?
Pokerspielen wird als Schneeballsystem gebrandmarkt
Weil das Gericht anscheinend selbst erkennt, dass es die Subsumtion überdehnt und die in der Juristerei unzulässige ‘Sachverhaltsquetsche’ anwendet, konstruiert es im Fall von Herrn Vörtmann auch noch ein “Schneeballsystem”.
Im Urteil steht: “Bei einer Gesamtbetrachtung ist die Tätigkeit des Kl. vergleichbar mit der Beteiligung eines Spielers an einem auf dem Schneeballprinzip beruhenden Unternehmensspiel.” Ein solches Schneeballsystem stelle aber nach Ansicht der Rechtsprechung eine unternehmerische Tätigkeit dar.
Es ist überhaupt nicht einzusehen, inwiefern das Agieren von Herrn Vörtmann in den Jahren 2006 und 2007 ein Schneeballsystem sein soll. Ein Schneeballsystem ist ein Geschäftsmodell, das zum Funktionieren eine ständig wachsende Anzahl an Teilnehmern benötigt analog einem den Hang hinab rollenden – und dabei stetig anwachsenden – Schneeball. Gewinne für Teilnehmer entstehen beinahe ausschließlich dadurch, dass neue Teilnehmer in den Systemen mitwirken und Geld investieren. Eine Subsumtion der Pokerspiele von Herrn Vörtmann hierunter erscheint – ohne überhaupt näher darauf eingehen zu müssen – absolut verfehlt.
Finanzgericht MünsterQuelle: Finanzgericht Münster
Wie soll man die Vorsteuer abziehen?
Weiterhin stellt sich für die vom Gericht erzeugte Situation, dass ein Pokerspieler unter Umständen Umsatzsteuer auf Gewinne zahlen soll, die Frage, wie dieser seinen Vorsteuerabzug geltend machen soll. Nach wie vor gibt es in der Welt des Glücksspiels nur wenig Quittungen oder ähnliche Zahlungsnachweise, die hier weiterhelfen.
Das Gericht erkennt diesen Umstand, wertet ihn aber an anderer Stelle zu Lasten des Klägers: “Die vorgelegten Unterlagen litten an gravierenden Mängeln. Sie waren unvollständig, weil sie sich nur auf die Pokerturniere bezogen. Zudem konnte der Kl. nicht belegen, dass die nur für die Pokerturniere erstellten Aufzeichnungen vollständig waren. Im Gegenteil konnte er nicht ausschließen, dass die zu den Pokerturnieren vorgelegten Unterlagen unvollständig waren, da er sie aus seiner Erinnerung heraus rekonstruiert hatte. Desweiteren war der Kl. außerstande, Unterlagen zur Höhe der Entgelte, die er durch die Teilnahme an Cash-Games und Internetveranstaltungen erzielt hatte, vorzulegen.”
Umsatzsteuer auch bei Pokerspielen im Ausland?
Auch über die bei der Umsatzsteuer immer relevante Frage, ob Leistungen im Ausland erbracht werden, die dann eben nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliegen, setzt sich das Gericht einfach hinweg. Alle Gewinne – egal ob Inland, Ausland oder im Internet – werden nach § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG der Besteuerung im Inland unterworfen.
Dabei ist es bei Spielen im Ausland und Spielen auf Servern, die im Ausland stehen, evident, dass diese eben nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliegen können.
Sicherheitszuschläge wie selbstverständlich aufgebrummt
Dass das Gericht bzw. das Finanzamt dem Kläger auch noch Sicherheitszuschläge aufbrummt, wundert dann auch nicht mehr: “Die Vollständigkeit der dazu vorgelegten Aufzeichnungen konnte der Kl. nach seinem eigenen Vortrag nicht belegen. Auch hinsichtlich der Einnahmen aus den übrigen Tätigkeiten des Kl. fehlen Unterlagen, die die Schlussfolgerung vollständiger Angaben des Kl. zur Höhe seiner Umsätze rechtfertigen. Angesichts dieser Ausgangslage der fehlenden zeitnahen Aufzeichnung aller Entgelte aus allen Tätigkeiten des Kl. durfte das FA neben den ermittelten Beträgen einen Sicherheitszuschlag ansetzen.”
Viel zu oft nutzen die Finanzämter die Sicherheitszuschläge als ‘Keule’, die dem Bürger über den Kopf gehauen wird. Oder sie drohen in Verhandlungen mit der Erhebung oder Erhöhung derselben. Hier haben die Behörden schlicht zu viel Spielraum, dagegen wehren kann der Bürger sich meist nicht.
Fazit
Im Ergebnis ein Urteil, dass die Grenzen der Steuerpflicht nach Ansicht des Autors in unzulässiger Weise erweitert. In unserem Staat erinnern die Behörden an manisch schnüffelnde Suchhunde, die nach immer neuen Möglichkeiten suchen, den Bürgern das schwer verdiente Geld abzunehmen.
An eine Senkung der Staatsausgaben wird kein Gedanke verschwendet und so muss der Bürger machtlos zusehen, wie in sinnlose Großprojekte wie Stuttgart 21, BER-Flughafen oder Elbphilharmonie Milliarden an Steuergeldern versenkt werden.
Glücklicherweise hat das Gericht die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, damit besteht die Hoffnung, dass Deutschlands oberste Finanzrichter Vernunft walten lassen und das Urteil kassieren.
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Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 17.08.2014.