Heute melde ich mich vom âBlack Sea Poker Championshipâ aus Odessa. Gleich mal die gute Nachricht, ich konnte gestern das 500.-Nl Holdem Turnier gewinnen und noch dazu etwas fürs Leben lernen. Nämlich erst die Karten anschauen, bevor man einen Deal macht. Doch davon später mehr.
Fangen wir mit meiner Ankunft in dieser schönen Stadt an der Schwarzmeerküste an. Und um niemanden Schwierigkeiten zu machen, möchte ich den Ort der folgenden Begebenheit lieber verschweigen. Nur um einen kleinen Tipp zu geben – es war dort, wo die großen Dinger mit den breiten Flügeln starten und landen und die hübschen Stewardessen rumlaufen. Jedenfalls hatte ich statt der erlaubten 15 000$ etwas mehr Geld mitgenommen und das auch brav deklariert. Ob das eine gute Idee war? Ich wurde in einen Raum geführt und gleich drei Semi-Uniformierte haben sich meiner angenommen. Irgendwie wie im Kino, aber dort sitz ich vor der Leinwand und nicht mitten drinnen im Geschehen. Wäre mir in dem Fall aus lieber gewesen.
Immer und immer wieder haben sie mir das Problem erklärt in einer englisch-ähnlichen Sprache. Nur 15k seien erlaubt, und ich hätte eben mehr Geld eingeführt und das sei ein wirklich großes Problem. Keinen Ausweg, keine Chance auch auf mein mehrfaches Fragen hin. Was sollte ich jetzt tun? Das Geld deponieren, zurückschicken oder verbrennen? Immer nur der Satz: âZuviel und jetzt Problem!â. Habe dann einen Freund angerufen, das durfte ich und wenn ich nach einer Henkersmahlzeit gefragt hätte, hätte ich sie wohl auch bekommen. âDrei Personen mit dir im Verhör. Gib Ihnen 300$ und alles ist gutâ Ehrlich, für so was fehlt mir eigentlich der Mut. Ich habe sicher schon auf vier Outs 10k rein geschoben, aber halbuniformierten Gesellen einfach 300$ in die Hand drücken! – Wäre ich doch besser nach Dublin gefahren!Aber stattdessen saß ich da in dem Raum mit drei Männern, die mit besorgten Gesichtern da standen und dabei war ich der einzige, der sich tatsächlich Sorgen machen musste. Ich habe dann meinen gesamten Restmut zusammengenommen und mal eben schnell drei Scheine fast ein wenig zufällig weg an die Tischecke gelegt. So ähnlich muss es sein, wenn ein Angler seinen Köder in ein Becken mit ausgehungerten Piranhas wirft. Auf einmal hatte ich kein Problem mehr und mindestens drei weitere Freunde in Odessa. Sehr sonderbar.
Das Casino ist nett und freundlich. Da kenne ich mich wenigstens mit den Regeln aus. Dachte ich zumindest. Bis zum Turnier war noch ein wenig Zeit. Cashgame 2000$ Buy in, aber die meisten hatten das Zehnfache vor sich liegen. Und jetzt die Spezialität des Hauses. Sobald die Action bei einem Spieler ist und er nur einen Moment überlegt, zaubert der Dealer eine schäbige kleine Eieruhr aus chinesischem Plastik hervor. Und wenn die Minute abgelaufen ist, wird die Hand gnadenlos für tot erklärt. Aber Sie wissen wahrscheinlich, eine Eieruhr hat keinen Sekundenzeiger. Ob das am chinesischen Sand liegt, jedenfalls es ruckelt irgendwie so und man kann es schlecht berechnen. Denken kann man sowieso schlecht, weil dann Alle das Ende des letzten Sandkorns einklatschen und laut einzählen. – Weiters ein wenig gewöhnungsbedürftig, jeder Dealer hat seine eigene Mischtechnik. Manche sind – sagen wir mal – sehr individuell. Vielleicht melden sich Benjamin Kang und ich bei Thomas Gottschalk. Die Wette heißt dann: Wir wetten, dass wir rein am Scrambeln jeden Dealer von Odessa erkennen! – Zurück zum Cashgame. Hat Spaß gemacht, war aber teuer für mich. Nur eine schöne Partie und heute Abend werde ich weiterkämpfen. Einmal habe ich dem Dealer die Eieruhr gestellt und eine Prämie versprochen, wenn er innerhalb der Frist mein Raise ausrechnen kann. Er hat es nicht geschafft und ich zur Strafe den Pot nicht gewonnen.
Abschließend noch zum Turnier. Mein Freund Casey Kastle, der sich ja weltweit als Kämpfer für striktes Rauchverbot in allen Casinos nicht nur Freunde gemacht hat, ist hier in Odessa gescheitert. Keine Chance. Es wird gequalmt und gepafft, da könnte selbst die amerikanische Navy im Hafen landen und es würde nichts ändern. Beim Turnier hat sich Casey dann einen Raucher nach dem anderen vorgenommen und mit Chips und All ins terrorisiert. Und tatsächlich waren dann unter den letzten fünf Spielern nur Nichtraucher. Deshalb durfte ich auch dabei sein. Viel feiern konnten wir das nicht, weil die zwanzig Zuschauer uns gewissermaßen aus Rache kräftig einnebelten. Und jetzt zur angekündigten Lektion. Der Dealer teilt aus, wir sind nur noch zu dritt. Eben Casey, meine Wenigkeit und der Australier Tim Heath. Bevor wir unsere Karten ansehen, schlägt Tim einen Deal vor. Mir sollte es Recht sein, weil ich am wenigsten Chips hatte und so handeln wir also die Prozente aus. Wohlgemerkt danach ging die Action weiter. Ich schaue meine Karten an und finde ein Paar Könige. Casey macht ein raise vor mir, Tim bezahlt und ich stelle alle meine Chips rein. Casey wirft seine Hand (AQ) weg und ich gewinne den Pot und bin stolzer Chipleader. Leider eine Hand zu spät. – Heute gibt es dann ein 1000$ NL Freeze Out und morgen wird dann das 2000$ NL Double Chance gespielt. Wie das funktioniert, erkläre ich in meinem nächsten âBrief aus Odessaâ. Also bitte Daumen drücken und die gelbe Eieruhr soll mir gnädig sein.
Christoph Haller
(ehrenamtlich PokerOlymp Reporter – live aus Odessa)
(v.l.) Stasko Stibili (Turnierleiter), ich, Benjamin Kang, Frank Koopmann, Ivan Mihajlovic (schweizer Serbe) | Scherze am Pokertisch | Casey Kastle, Stasko Stibili und ich |
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 05.04.2007.