Thomas Bihl ging letzte Woche in die Geschichte ein. Nicht weil er sein erstes Bracelet bei der World Series of Poker Europe gewonnen hat, sondern weil er sich das allererste Bracelet, das außerhalb von Las Vegas vergeben wurde, geholt hat. Im Online-Poker ist er längst zur Legende geworden, nun hat er dies auch im Live-Poker geschafft. Sebastian Huppertz hat “Buzzer” zum Interview gebeten und dabei unter anderem erfahren, was Basketball mit Nicknames zu tun hat und warum man auch an der Börse nicht zockt.
Sebastian Huppertz: „Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn Deines ersten Bracelets!“
Thomas Bihl: „Danke schön!“
Sebastian Huppertz: „Wie geht es Dir jetzt? Hast Du Deinen Erfolg überhaupt schon realisiert?“
Thomas Bihl: „Naja, heute ist eigentlich der erste Tag an dem ich so langsam anfange überhaupt zu realisieren, was ich da eigentlich geschafft habe. Die letzten Tage waren ziemlich turbulent – jeden Tag mehrere Interviews, Fotoshootings, etc. Erst jetzt wird mir so langsam klar, dass ich mich hier gegen ein sehr hochklassiges Teilnehmerfeld durchgesetzt habe.
Sebastian Huppertz: „Ja, Du hattest es am Finaltisch mit Gegnern wie Jennifer Harman, Chris Ferguson oder Kirk Morrison ja nicht gerade mit Anfängern zu tun. Was war das für ein Gefühl als während des Finaltisches dann das Bracelet auf dem Tisch lag? Hat dich das eher angespornt, oder doch etwas nervös gemacht?“
Thomas Bihl: „Das Bracelet kam genau genommen erst beim Heads-up gegen Jennifer Harman auf den Tisch. In diesem Moment lag ich zurück und Jennifer hatte viermal so viele Chips wie ich. Und tatsächlich, das Bracelet hat mir dann noch einmal Kraft gegeben. Ich habe mir gesagt, jetzt bist du so kurz vor dem Ziel – wann wird sich noch einmal so eine Chance ergeben? Dann habe ich noch mal Gas gegeben und letztendlich tatsächlich gewonnen.“
Sebastian Huppertz: „Die Turniertage haben bis zu 15 Stunden gedauert. Wie schafft man es eigentlich, über einen so langen Zeitraum konzentriert zu bleiben? Gerade bei einem so anspruchsvollem H.O.R.S.E. Turnier?“
Thomas Bihl: „Sicherlich waren die Spieltage sehr lange. Aber wir Turnier-Spieler sind gerne bereit, das im Gegenzug für eine langsame und faire Blind-Struktur in Kauf zu nehmen. Das H.O.R.S.E. – Format, bei dem alle 8 Hände die Disziplin wechselt, ist dabei sogar eher eine Hilfe. Man hat immer wieder kleine Zwischenziele an denen man sich orientieren kann.“
Sebastian Huppertz: „Ich habe auf Deiner Homepage gelesen, dass Du früher auch mehrmals an einem 90 km Skilanglauf teilgenommen hast. Betreibst Du immer noch Ausdauersport? Ist das vielleicht auch noch ein Vorteil, um so lange Zeit konzentriert zu sein?
Thomas Bihl: „Früher habe ich sehr viel Sport getrieben. Ich habe neben Skilanglauf auch Tennis und Fußball gespielt. Ich hatte damals, wie vielleicht jeder kleine Junge, den Traum einmal Profisportler zu werden. Allerdings hat es dafür nicht ganz gereicht. Jedoch, wenn man Poker als Sport betrachtet, dann habe ich dieses Ziel ja doch noch erreicht.Mittlerweile bin ich sportlich aber nicht mehr so aktiv, dazu fehlt mir häufig die Zeit. Ich habe allerdings vor, in der nächsten Zeit wieder vermehrt Sport zu treiben – Besuche im Fitnessstudio sind schon fest eingeplant. Ich denke auch, dass das sehr wichtig ist, denn körperliche Fitness trägt auch zur Konzentration beim Poker bei.
Sebastian Huppertz: „Wie schaltest Du eigentlich ab nach so einem Pokermarathon? Ich kann mir kaum vorstellen, dass man sich nach 14-15 Stunden Poker ins Bett legt und sofort schlafen kann. Gibt es bei Dir ein Ritual, mit dem Du Dich entspannen kannst?“
Thomas Bihl: „Also ich könnte gar nicht sofort schlafen nach so einem Turniertag. Ich analysiere dann für mich selbst oder mit befreundeten Pokerspielern noch einmal die Key-Hands des Tages. In London war dies meist Hans Martin Vogl, ein langjähriger Freund von mir, der mich während des Events toll unterstützte. Diese Analyse muss einfach sein, denn sonst finde ich keine Ruhe. Spätestens zwei Stunden später aber schlägt dann natürlich die Müdigkeit zu und ich falle ins Bett.“
Sebastian Huppertz: „Der Gewinn des H.O.R.S.E. Events bei der WSOP Europe war ja mit Sicherheit der größte und schönste Moment in Deiner Pokerkarriere. Was war eigentlich Dein schlimmster Moment beim Pokern?“
Thomas Bihl: „Es ist schwer da einen bestimmten Moment herauszugreifen. Schlimm in der letzten Zeit war für mich das Warten auf einen großen Erfolg beim Live-Poker. Ich habe in Las Vegas ja an vielen Events teilgenommen und war dann auch ein wenig frustriert, weil der Erfolg bei den großen Live-Turnieren nicht eintreten wollte. Danach hab ich dann auch erstmal 2 Monate an keinem Live-Event teilgenommen und dann kam ja der Gewinn bei der WSOP Europe…“
Sebastian Huppertz: „Hast du eigentlich eine Erklärung dafür, dass du jetzt bei der WSOP Europe so erfolgreich warst? Bei der WSOP in Las Vegas lief es ja nicht so gut…“
Thomas Bihl: „Das stimmt, allerdings wurde das von einigen Leuten auch übertrieben. Ich habe an 16 Events teilgenommen und bei nur einem Event gecashed (für $10,000). Das ist natürlich kein besonders gutes Ergebnis, aber liegt durchaus im Bereich der normalen Varianz bei Multi-Table-Turnieren. Zudem bin ich der Meinung, dass ich sogar sehr gut gespielt habe in den USA. Das hört sich jetzt natürlich ein bisschen komisch an, weil ich dort wenig Erfolg hatte, aber ich war ziemlich oft auch noch am zweiten Turniertag mit einem überdurchschnittlichen Chipstack dabei. Ein weiterer Grund sind aber auch die unterschiedlichen Turnierstrukturen in Las Vegas und jetzt in London. Die WSOP hat sich nun wirklich zu einer Massenveranstaltung entwickelt und ich habe den Eindruck, dass man dort seitens der Organisatoren nicht unbedingt mit dem Andrang fertig wird. Das Ergebnis sind straffere Blindstrukturen, die nicht wirklich zu gutem Poker beitragen. Teilweise sind bei den Events ja über 1000 Spieler am Start und es wird versucht diese dann in 1-2 Tagen „durchzubringen“. Jetzt hier in London, bei der WSOP Europe war das ganz anders. Die Turnierstruktur war wirklich ausgezeichnet und bei dem H.O.R.S.E. Event waren für die 105 Spieler volle drei Tage angesetzt.“
Sebastian Huppertz: „2007 war ein sehr erfolgreiches Jahr für die deutschen Pokerspieler. Deutschland war die dritterfolgreichste Nation bei der WSOP. Neben Dir haben Michael Keiner und Katja Thater dieses Jahr ebenfalls ein Bracelet gewonnen. Denkst Du, dass man in Zukunft noch mehr von den deutschen Spielern hören wird?
Thomas Bihl: „ Ja, davon bin ich überzeugt. Man sollte jedoch nicht nur an die Barceletgewinner denken, auch Spieler wie beispielsweise Andreas Krause hatten ein sehr erfolgreiches Jahr. Zudem gibt es in Deutschland viele junge und sehr talentierte Spieler, wie z.B. Sebastian Ruthenberg, Alexander Jung und viele andere. Von diesen Spielern wird man in Zukunft auch noch einiges hören.
Sebastian Huppertz: „Thomas, Du verfügst ja über einen gewissen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Du hast eine Banklehre abgeschlossen, warst als Aktienhändler tätig und hast auf diesem Gebiet viel Erfahrung. Würdest Du sagen, dass diese Erfahrung dazu beigetragen hat, dass Du heute so erfolgreich Poker spielst? Zum Beispiel beim Thema Bankrollmanagement?“
Thomas Bihl: „Auf jeden Fall, ja. Nicht nur beim Bankrollmanagement. Gerade zwischen dem Aktienhandel und dem Pokerspiel sehe ich viele Parallelen. Auf beiden Gebieten muss man bereit sein, auch mal ein Risiko einzugehen, allerdings kontrolliert – reine „Zocker“ können weder beim Aktienhandel, noch beim Poker erfolgreich sein.
Sebastian Huppertz: „Du bist ja auch unter dem Namen „Buzzer“ bekannt. Wie kam es eigentlich zu diesem Namen?“
Thomas Bihl: „Ich bin auch im Bereich Sportwetten sehr aktiv. Dort gibt es im Basketball den Begriff “Buzzer Beater”, ein entscheidender Korb mit Ablauf der Spielzeit. Irgendwie war der Begriff bei der Anmeldung auf den Pokerseiten zu lange also habe ich auf “Buzzer” verkürzt. Unter diesem Pseudonym habe ich mir dann seit 2004 im Onlinepoker einen Namen gemacht.
Sebastian Huppertz: „Beim Onlinepoker bist Du ja schon seit ein paar Jahren sehr erfolgreich. Du spielst bei Betfair hauptsächlich SnG’s mit den höchsten Buy-ins und diese am liebsten als SixPak, also mit nur 6 Spielern pro Tisch. Warum bevorzugst Du shorthanded Tische?
Thomas Bihl: „Das hat zwei Gründe: Zum einen werden die 6-handed Tische immer beliebter. Gerade im High-Level-Bereich sind fullhanded Tische nicht mehr so häufig zu finden. Da ich an bis zu 10 Tischen gleichzeitig spiele, muss ich fast schon aus organisatorischen Gründen die Sixpaks spielen. Zum anderen gefällt mir, dass man an diesen Tischen kreativer spielen kann und sogar muss. Das macht einfach mehr Spaß und kommt meiner Spielweise entgegen.
Sebastian Huppertz: „Wie hast Du Dich zu einem so starken Spieler entwickelt? Hast Du viel Zeit in das Studium von Pokerliteratur investiert?“
Thomas Bihl: „Eher weniger. Ganz ohne Theorie geht es aber natürlich nicht. Ich habe anfangs einige Bücher von Sklansky gelesen, um ein gewisses Fundament an theoretischem Wissen zu haben. Ich würde aber sagen, dass meine Spielstärke eher auf meiner großen (Online) Erfahrung beruht.
Sebastian Huppertz: „Thomas, ich habe gehört Du arbeitest an einem Buchprojekt. Kannst Du uns dazu etwas erzählen?“
Thomas Bihl: „Das ist richtig, seit April arbeite ich mit vier weiteren namhaften deutschen Spielern, nämlich Katja Thater, Dr.Michael Keiner, Sebastian Ruthenberg und Stephan Kalhammer an einem Buchprojekt. Das Werk wird “Poker Matrix” heißen und voraussichtlich diesen Dezember erscheinen. Zu Beginn unserer Arbeit im April haben wir uns noch gedacht, dass es toll wäre, wenn einer von uns ein Bracelet holen würde. Naja, aber dass es gleich drei werden würden – damit hatte natürlich niemand gerechnet. Ich bin überzeugt, das Buch wird nicht nur wegen der Bracelets der Autoren, sondern vor allem wegen des Inhalts ein voller Erfolg. Mein Part in diesem tollen Team ist vor allen Dingen der Online- und Sit&Go Bereich.“
Sebastian Huppertz: „Wo können unsere Leser noch weitere Informationen über Dich finden?“
Thomas Bihl: „Ich habe eine eigene Homepage www.buzzerpoker.com sowie einen Poker-Blog www.overcards.de, wo die Leser meinen Werdegang mitverfolgen können.“
Sebastian Huppertz: „Apropos Werdegang – wirst Du Dich jetzt eigentlich verstärkt auf Live-Turniere konzentrieren oder liegt dein Hauptaugenmerk doch weiterhin im Bereich Online-Poker?
Thomas Bihl: „Eigentlich habe ich nicht vor viel zu ändern. Die Teilnahmen an den Live-Turnieren sind ziemlich anstrengend, man muss ja auch bedenken, dass man den ganzen Reisestress hat. Aber ich werde natürlich bei den großen Events wie z.B. bei mehreren EPT Veranstaltungen mit von der Partei sein. Bei der WSOP im nächsten Jahr bin ich natürlich auch mit dabei.
Sebastian Huppertz: „Dann wünsche ich Dir jetzt schon mal viel Erfolg bei deiner nächsten Braceletjagd!“
Thomas Bihl: „Danke!“
Sebastian Huppertz:“Thomas, vielen Dank für das sehr nette Gespräch! Ich wünsche Dir noch eine angenehme Zeit in London und viel Erfolg für deine Pokerkarriere und dein Buchprojekt.“
Thomas Bihl: „Vielen Dank! Gern geschehen!“
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 15.09.2007.