Sheldon Adelson, Milliardär und achtzigjähriger Kasino-Mogul, hat Ende letzten Jahres angekündigt mit viel Geld und Unterstützung von diversen Lobbygruppen dem Online-Glücksspiel in den USA ein für allemal ein Ende zu bereiten.
Nun mag es schon etwas scheinheilig erscheinen, dass ausgerechnet der Mann, der zumindest einen großen Teil seines Vermögen damit verdiente, Glücksspielrittern über Jahrzehnte in seinen Kasinos in Las Vegas und Macao ihre letzten Groschen aus den Taschen zu ziehen, jetzt gegen eine modernisierte Form des Glücksspiels Sturm läuft.
Aber an der Bigotterie von Adelson will ich mich gar nicht aufhalten, denn in erster Instanz gibt sich seine groß angelegte und teuer finanzierte Kampagne selbst der Lächerlichkeit preis.
Hübsch und aufwendig produziert hat die Adelson-Gruppe einen gut einminütigen Clip ins Netz gestellt, der die Gefahren von Online-Glücksspiel für Teenager darstellen soll.
Auch wenn man dem Clip zugute halten muss, dass er nicht ganz so idiotisch ist wie » dieser von der National Organization for Marriage (der hat auch nichts mit Poker zu tun), ist er fast schon entwaffnend dümmlich.
Ich nehme mir den Clip trotzdem vor. Was passiert hier eigentlich?
Von Angry Birds zur Spielsucht
Ein augenscheinlich ganz normaler Teenager berichtet von seinen tollen Smart-Gadgets, die allesamt mit i beginnen (iPhone, iPod, iPad) und noch während er von den iKisten schwärmt, erklärt er er, wie er über das Wifi und den Login seines Vaters beim Spielen von Angry Birds irgendwie einfach so die ganz famosen Glücksspiel-Apps gefunden hat.
Mir ist es zwar bislang noch nicht passiert, dass ich beim Spielen von Angry Birds auf einmal mir nichts, dir nichts an einem Roulette-Tisch mit Echtgeld gelandet bin (und auch gleich noch Passwort und Kreditkartendaten von Vatis Account parat hatte), aber lassen wir diesen Sprung einfach mal durchgehen.
Kaum nachdem dieser Teenager nun den Weg zum Glücksspiel gefunden hat, ist er selbstverständlich sofort süchtig nach diesen Spielen. Denn das sind ja “richtige Spiele” und kein Candy Crush. Stolz berichtet er, dass er beim Blackjack inzwischen viel besser geworden ist, natürlich nicht ohne anzuerkennen, dass er eigentlich keine Ahnung hat, wie man es spielt. Aber Roulette ist dafür grandios einfach.
Am besten ist natürlich Poker und der Teenager hat selbstverständlich auch ganz viele Freunde (die vermutlich auch über die Routine “Eben noch bei Angry Birds, jetzt schon über Papas Account beim Glücksspiel”), mit denen er dort um dreistellige Beträge zockt. Wieder erklärt der arme Tropf, dass er auch hier eigentlich keine Ahnung hat, aber trotzdem weitermacht, weil er manchmal ja auch gewinnt. Außerdem kann man so einfach neue Spiele ausprobieren, dass der Spaß gar nicht aufhört.
Der ganz große Dampfhammer am Ende fehlt dem Spot. Der Junge stellt nur fest, dass die Verluste wohl über die Kreditkarte zurückgezahlt werden und “die” (wohl die Angry-Birds-Glücksspielanbieter) sein Geld vermutlich ohnehin nicht behalten dürfen, da er ja noch minderjährig ist.
Hier hätte ich eigentlich einen Blick in die Zukunft des Teenagers erwartet – bettelarm und verwahrlost, da er das gesamte Vermögen der Familie verspielt hat. Zumindest auf diese Geschmacklosigkeit verzichtet der Clip, auch wenn er sonst an Plattheit nur schwer zu überbieten ist.
Hier der Clip in Gänze:
Angst schüren
Ich will hier nicht falsch verstanden werden, Glücksspielsucht ist ein reelles Problem und darf nicht verharmlost werden. Aber dieser Clip suggeriert eine Gefahr, die es so überhaupt nicht gibt. Studien zur Glücksspielssucht zeigen, dass Online-Glücksspieler und insbesondere Pokerspieler nur einen marginalen Anteil der Glücksspielsüchtigen ausmachen und minderjährige Glücksspielsüchtige einen noch viel marginaleren.
Hier wird äußerst schlicht nach einem üblichen Muster verfahren: Es wird Angst geschürt. Und am einfachsten schürt man Angst über Kinder. Denn zum einen sind Kinder besonders schutzbedürftig und zum anderen sind sie Prototypen von Individuen mit begrenztem Verantwortungsgefühl – also genau denjenigen, die im tatsächlichen Leben mit Glücksspielsucht konfrontiert sind.
Ein etwas verantwortungsvollerer Blick auf die Gefahren von Glücksspiel sollte zumindest erwähnen, dass ein Großteil der pathologischen Spieler ihr Geld bei Automatenspielen lassen. In Deutschland nennt jeder zweite Süchtige Automaten außerhalb von Spielbanken als Hauptgrund für die Sucht. Es folgen Automatenspiele in Spielbanken und Sportwetten. Online-Glücksspiele geben weniger als 10 Prozent der Süchtigen als einen der Gründe für die Sucht an und Poker macht nach einer Studie der Universität Hohenheim 1,7 bis 3,6 Prozent aus.
Davon abgesehen, dass grade die inzwischen in den USA lizenzierten Pokerseiten äußerst rigide Alterskontrollen haben und es sehr schwierig ist, sich ohne Nachweis der Volljährigkeit dort überhaupt anzumelden, schießt der Adelson-Clip am Problem der Glücksspielsucht zu 90 Prozent vorbei. Denn um diese 90 Prozent zu erwähnen, müsste er auch mit dem Finger auf die Adelson-Kasinos zeigen.
Aber wer weiß, vielleicht glaubt ja jemand nach diesem Clip, dass Angry Birds tatsächlich direkt zur Spielsucht bei Teenagern führt. Die Like-Indikatoren bei Youtube (3 Daumen hoch, 192 Daumen runter) sprechen im Moment jedoch dagegen, dass diese Sichtweise massentauglich ist.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 03.04.2014.