Was macht man in Las Vegas, wenn einen der Jetlag zur Unzeit aus dem Bett treibt und man schon um acht Uhr im Hotel herumgeistert? Ganz einfach, man trinkt einen oder zwei Kaffee und geht Pokerspielen. Joe und ich entscheiden uns heute für das Venetian, wo um halb elf morgens tatsächlich der dritte NL500-Tisch geöffnet wird.
Bevor ich ein wenig über das dortige Geschehen berichte, aber noch ein Wort zu der Hand von vorgestern. Einige Kommentatoren sehen in der Flop-Bet offenbar einen No-Brainer, und im Eifer des (Online-)Gefechts feuert man diese auch gern standardmäßig ab. Jack M. aber hat es aus meiner Sicht in seinem Kommentar auf den Punkt gebracht, dass man hier keine bessere Hand zum Folden bekommt und ein Check deshalb zumindest eine gute Alternative ist, wenn nicht sogar die bessere.
Mir ging es bei der Hand vor allem darum zu zeigen, dass scheinbar klare Situationen eben oft gar nicht so klar sind, wie es manchmal aussieht. In diesem speziellen Spot hat man überhaupt keinen Grund, auf dem Flop in Euphorie zu verfallen, wie das oberflächlich betrachtet durchaus passieren könnte, wenn man nur seine eigene Hand und nicht die gegnerische Range berücksichtigt. Dafür halte ich sie für ein sehr gutes Beispiel.
Nun aber zu meinen Erlebnissen im Venetian. Die Runde begann mit vielen lokalen Regs, die sich auch untereinander kannten, sodass man nicht gerade von einem superprofitablen Vormittagsvergnügen ausgehen konnte. Einen osteuropäischen Maniac gab es aber doch, der zunächst einige haarsträubende (und erfolgreiche) Monsterbluffs vom Stapel ließ und sich deshalb rasch zum Objekt der Begierde entwickelte. Da im Venetian mit 200 BB als Buy-In gespielt werden kann, hatte unser Freund schon zu Beginn die Möglichkeit zu brutalen Overbets auf dem River und nutzte diese auch weidlich aus. Gegen das irgendwann unvermeidliche Monster (leider nicht meins) verlor er aber dann doch recht bald seinen Stack und verschwand.
Abgelöst wurde er dann von einem Ultra-LAG, der erst seinen gesamten Stack auf einem Flop mit 5 4 3 gegen die Nut Straight eines Regs verlor und dann auch noch reichlich dämlich seinen Nachlader bei mir unterbrachte. Auf einem Board mit J 6 4 ließ ich in UTG gegen sechs Spieler in einem Pot mit 140 $ die C-Bet mit 100 $ folgen und er schaffte es tatsächlich, mich mit der getroffenen Sechs mit rund 300 $ All-In zu setzen. Keine Fold Equity gegen eine zwangsläufig starke Hand, das kann nicht gutgehen – so auch in diesem Fall, natürlich callte ich mit 4x 4x und bustete ihn.
Interessant dagegen wurde es in einer Hand, in der ich (Stack 800 $) einen Mississippi-Straddle gebracht hatte und dummerweise 7x 2x bekam. Ausgerechnet in dieser kam es zu einem der seltenen Limps von UTG+1 (Stack über 1k), und ein weiterer Spieler (Stack 700 $) callte im Cut-Off, nachdem die Blinds zuvor beide gefoldet hatten.
Zu dritt sahen wir den Flop, der 7 7 9 brachte. Der Limper setzte 20 $ in den Pot mit 37 $. Es handelte sich um einen sehr jungen Spieler mit WSOP-Hoodie, der einige Massenturniere gespielt hatte und davon auch ausgiebig erzählte. Ein typischer Nerd quasi, der in den bisherigen Händen einen gewissen Hang zu FPS gezeigt hatte (und damit einige Male auf die Schnauze gefallen war) und mit gefloppten Quads Achten im BB gegen meine Könige die Setzfolge Check-Call, Bet, Bet gewählt hatte.
Nun zur Hand. Der Cut-Off callte die Bet und ich callte auch. Der Turn brachte die 2 , der Limper setzte weitere 50 $ in 97 $, der Cut-Off callte und ich raiste auf 120 $. Der Limper callte nach einigem Zögern und der Caller callte auch. Somit 457 $ im Pot mit effektiven Stacks von rund 600 $. Der River bringt eine 9x , der Limper setzt 300 $ und der Caller foldet nach kurzem und heftigem Kopfschütteln.
Ich muss gestehen, dass mir in diesem Moment ein Großteil meiner Gallensäfte hochstieg. Mit 72 das Full House bekommen und nun der Counterfeit. Nach einigen Sekunden konnte ich mich aber zusammenreißen und den ersten Fold-Impuls überwinden, um die Hand noch einmal zu durchdenken.
Der Cut-Off hatte augenscheinlich die vierte Sieben, doch was hat der Limper? Er repräsentiert natürlich die Neun, doch im Grunde gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat er 9x 9x oder nichts. Am besten zu seiner Spielweise passen Tx 8x oder 8x 6x , zwei Semi-Bluffs mit dem Straight Draw und dann der zweifelhafte Call nach meinem Raise.
Der Call mit dem Draw ist zwar kaum besser, doch kann ich mir kaum vorstellen, dass ein Spieler wie er auf dem Turn im Sandwich mit nur einer Neun callt. Schließlich entschloss ich mich zum Call, da es für Neunen nur eine sehr unwahrscheinliche Kombination (er hätte damit vor dem Flop fast sicher geraist) gibt, für die geplatzten Draws deutlich mehr. Die Pot Odds sind mit 2,5 zu 1 günstig und ich war mir zumindest fast sicher, dass ich (aufgrund der deklarierten Sieben des Callers) in den positiven Fällen nicht teilen musste.Der Limper muckte sofort und der Caller erzählte mir, dass er 7x 6x gehabt hätte.
Fazit: Eine solche River-Karte ist grässlich und kann leicht zu impulsiven Folds führen, doch es lohnt sich immer, gut darüber nachzudenken.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 10.07.2012.