In seinem jüngsten Blog-Eintrag kommt Alec Torelli darauf zu sprechen, was einen guten Pokerspieler ausmacht, wie wichtig es ist, an seinem Spiel zu arbeiten und welche Rolle die absolute Hingabe zum Pokerspiel dabei spielt.
Im englischen Original ist der erstklassige Blog auf der Homepage von Alec Torelli zu finden. Hier die deutsche Übersetzung:
Zwei Ereignisse haben die Poker-Welt signifikant verändert: UIGEA und der Schwarze
Profis älteren Schlags wurden von einer neuen Art von Spielern überholt – erfolgshungrigen Internet-Genies, die viel Arbeit investierten und mathematisch versiert sind.
Letzte Woche nahm ich am Big Game von PartyPoker in Wien teil und stand vor der undankbaren Herausforderung, gegen einige dieser Spieler antreten zu müssen: Sam Trickett, Phil Laak, JP Kelly, Daniel Cates und Andy Moseley. Das war das stärkste Feld, gegen das ich je gespielt habe, und ich fühlte mich oft deklassiert. Häufig konnte ich nur den Kopf schütteln oder auf den Tisch klopfen und mir denken: “Die sind schlicht zu gut.”
Zwar ist es gegen ein solches Feld sehr schwer, man kann dabei aber sehr viel über das Spiel und sich selbst lernen. Hier nun meine Sicht der Dinge, was es braucht, um es in diesem Geschäft zu etwas zu bringen:
Die Probleme: Ego und Teilnahmslosigkeit
Ego
Folgendes wäre eine interessante Statistik: Wie viele der Pokerspieler denken, dass sie langfristig Gewinner sind und wie viele sind es tatsächlich?
In einer Studie hat man herausgefunden, dass Menschen sich auf einer Skala von 1 bis 10 selbst im Schnitt eine 7 geben, wenn sie ihr Fahrverhalten und ihre physische Attraktivität einschätzen sollen. Von einem reinen Überlebensstandpunkt betrachtet, ergibt das auch Sinn.
Dass wir uns Illusionen hingeben, ist darin begründet, dass es uns hilft uns fortzupflanzen. Je selbstsicherer wir sind, desto größer ist unsere Chance, einen Partner zu finden. Einfach gesagt: Unsere Neigung, uns zu überschätzen ist genetisch bedingt.
Ein stolzes Ego hat seine Zwecke. Beim Poker wird es gebraucht, um sich schnell von Rückschlägen zu erholen und während einer schlechten Phase das Selbstvertrauen zu behalten. Es hilft auch, ohne Angst zu spielen und den eigenen Analysen zu vertrauen.
Mit dem stolzen Ego gehen aber auch Gefahren einher: Man übersieht eher Fehler und kann schlechtes Spiel einfach der Varianz zuschreiben. Das Ego lässt uns unsere eigenen Fähigkeiten überschätzen und die Fähigkeiten unserer Gegner unterschätzen, was in einer schlechten Spielauswahl und falschen Einschätzungen am Tisch resultiert.
Teilnahmslosigkeit
Pokerspieler sind notorisch faul. Ohne einen Chef ist es leicht, einfach alles fahren zu lassen. Die übliche Einstellung ist: Warum arbeiten, wenn man spielen kann? Diese Einstellung ist teuer und wenn man nicht aufpasst, entgleisen einem irgendwann Essgewohnheiten, Schlafrhythmen und innere Ausgeglichenheit.
Wenn wir verlieren, wird die Teilnahmslosigkeit schlimmer. Es ist enorm einfach, unsere Schwierigkeiten dem Pech zuzuschreiben und Erfolge dem Können. Wir kümmern uns nicht darum, unser Spiel zu verbessern, da wir glauben, wir seien bereits “gut genug”.
Schlimmer noch: Viele von uns sind in der Vergangenheit gefangen. Wir erinnern uns an die Zeiten, als wir unser Gehirn in einem Nachtclub lassen konnten und trotzdem online Geld drucken konnten. Ich spreche aus Erfahrung: Lass nicht zu, dass Du erst wach wirst, wenn du bankrott bist!
Die Gründe: Fehlannahmen
Für einen Pokerspieler ist Geld und Erfolg immer schnell gewonnen und zerronnen. Auf beides legen wir nicht sonderlich viel Wert und eine zeitweilige Pleite ist kein sonderliches Problem, da ein großer Sieg uns schon wieder an die Spitze bringen kann. Wegen dieser Einstellung kümmern wir uns nicht darum, unser Spiel zu verbessern, sondern faulenzen, bis sich das Glück in unsere Richtung dreht.
Ein Pokerspieler kann sein Ego mit einem einzigen Turniersieg befriedigen. Die Medien, das Umfeld und Fans rühmen den Sieger für sein großartiges Spiel und seinen heroischen Einsatz. Er würde allerdings niemals als Held gefeiert werden, wenn er den einen Coinflip verloren hätte, der ihn erst an den Final-Table brachte.
Diese verzerrte und manchmal falsche Wahrnehmung von Erfolg kann uns zeitweilig blind machen. Mit einem Schnitt von 50 Turnieren pro Jahr, worunter vielleicht 10 größere Turniere sind, kann die Varianz lebenslang halten.
Obwohl der Erfolg in Turnieren enorm vom Glück abhängt, ist das noch kein Grund zur Beunruhigung. Man kann deep-stacked Cash-Games spielen, wo die Spielunterschiede deutlich größer sind und wo sich der “Long-Run” wesentlich schneller einstellt.
Doch abgesehen von den Fähigkeiten am Tisch ist der Erfolg als professioneller Spieler überproportional von anderen Dingen abhängig: Bankroll-Management, Tischauswahl, Pausen, Schlafrhythmen, Ausgeglichenheit, Angst, die Fähigkeit Verluste wegzustecken und vor allem eines: Arbeit. In anderen Worten – gut Poker spielen zu können ist bei weitem nicht so wichtig wie ein guter Pokerspieler zu sein.
Schließlich gibt es noch ein einfaches ökonomisches Prinzip zu bedenken: Märkte sind extrem effizient. Wann immer Millionen verdient werden können, werden Leute darum kämpfen. Schlimmer noch: Wahrscheinlich gibt es irgendjemanden, der das Geld mehr will als wir. Und wer soll ihn aufhalten, wenn nicht wir?
Die Lösung: Arbeit und Hingabe
Ein Reporter sah Tiger Woods einstmals Golfbälle mitten in der Nacht während eines Gewitters schlagen. Auf die Frage nach dem Warum antwortete er: “Man weiß nicht, wann man zum nächsten Mal im Regen spielen muss.”
Roger Federer sah sich vor seinem Wimbledon-Spiel das Damen-Finale an. Der Grund ist einfach: Er liebt Tennis.
Viele Sportler haben Talente, aber es gibt einen Grund, warum diese zwei zu den Allerbesten zählen: Sie arbeiten am härtesten. Es wäre töricht, der Rolle des Glücks beim Poker zu leugnen, doch in der Regel sind es Können und eine disziplinierte Arbeitseinstellung, die langfristigen Erfolgen zugrundeliegen.
Es gibt ein Möglichkeit, effizient zu arbeiten, ohne das Gefühl zu haben, dass man verordnete Hausaufgaben macht: Hingabe. Wenn wir etwas finden, das wir lieben, wird aus einer anstrengenden Herausforderung eine befriedigende. Es ist die Leidenschaft, deretwegen wir die nötigen Opfer bringen, um erfolgreich zu sein. Es ist die Liebe zum Spiel, und nicht das Resultat, das uns antreibt.
Ohne diese Hingabe können wir keine Bestleistungen bringen. Wir können uns zwingen, indem wir unsere Zimmertür verschließen, wir können Trainer engagieren oder Trainingsvideos ansehen. Aber all die Arbeit wird uns nur bis zu einem bestimmten Punkt bringen und wenn die Aufgabe zu schwer wird, hören wir auf. Die Hingabe, die nötig ist, diese Untiefen zu überwinden, muss natürlich und immanent sein. Finde diese Hingabe und du wirst keinen Tag in deinem Leben mehr arbeiten müssen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.