Letztes Wochenende stellten wir auf PokerOlymp unseren Lesern die Frage, ob sie nach dem Relaunch im November zu Full Tilt zurückkehren wollen. Das Ergebnis hat mich persönlich ein wenig überrascht – nur ein Viertel aller Leser schloss aus, bei Full Tilt zu spielen. Der Rest wollte entweder das Full-Tilt-Geld komplett (27%) oder zumindest in Teilen (17%) auf der Seite lassen. Gleich 31% gaben an, sogar Geld bei Full Tilt einzahlen zu wollen, um dort zu spielen.
Ja, ich lasse den Großteil meines Geldes auf dem FTP-Konto. | 27% |
Ein wenig, ich hebe aber einen Teil meines Geldes ab. | 17% |
Nein, ich lasse nur mein Geld auszahlen. | 14% |
Nein, ich habe auch früher nicht bei FTP gespielt. | 11% |
Ja, ich zahle sogar Geld ein. | 31% |
507 Antworten, die Umfrage ist nicht repräsentativ.
Trotz all dem, was die Full-Tilt-Kunden in den letzten 16 Monaten durchgemacht haben, scheint die Mehrheit der Seite sofort wieder Vertrauen entgegen zu bringen.
Es gibt sicherlich einige Punkte, die hoffen lassen, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt ist. Full Tilt gehört inzwischen zu PokerStars, einem Unternehmen, das bisher in erste Linie dadurch auffiel, dass die Kunden nicht um ihr Geld geprellt wurden. Full Tilt ist inzwischen auf der Isle of Man lizenziert und dürfte damit die beste Regulierung haben, die man beim derzeitigen politischen Stand haben kann. Das Top-Level-Management von Full-Tilt wurde komplett ausgetauscht, so dass berechtigte Hoffnung besteht, dass diejenigen, die für die ursprüngliche Full-Tilt-Misere verantwortlich waren, nichts mehr zu sagen haben.
Auch nach den Stimmen in öffentlichen Foren, wie auf 2+2 zu urteilen, wird Full Tilt ab dem 6. November mit einem regen Publikumsverkehr an den Tischen rechnen können. Der Neu-Einstieg als zweitgrößte Plattform hinter PokerStars dürfte damit ausgemacht sein.
Warum war ich trotz dessen überrascht, dass ein Großteil der ehemaligen Spieler zu Full Tilt zurück will, gar ein beachtlicher Teil neu dort spielen will? Zum einen sind viele Punkte bezüglich des neuen Full Tilts noch im Ungewissen, insbesondere das gesamte Cashback und Reward-Programm. Poker-Manager Shyam Marcus hat zwar annonciert, dass es bis zu 25% Rakeback für alle Spieler geben werde und mit weiteren Reward-Programmen insgesamt bis zu 30% Cashback möglich seien, doch sind die genauen Konditionen des “bis zu” noch im Argen. Ob sich Full Tilt für einen Grinder wirklich lohnt, steht noch nicht fest.
Zum anderen war einer der großen Vorteile Full Tilts bis Juni 2011 immer die Software, die fraglos die innovativste auf dem Markt war. Rush-Poker, Multi-Entry-Turniere, eine enorm übersichtliche Lobby – all das hatte Full Tilt sämtlichen Mitbewerbern voraus. Inzwischen sind aber anderthalb Jahre ins Land gegangen und viele der vormaligen Alleinstellungsmerkmale sind inzwischen auch bei PokerStars und anderen Anbietern zu finden. Und das beliebte Iron-Man-Progrann wird bei Full Tilt wahrscheinlich nach dem Neustart auch nicht mehr zu finden sein. Kurz: Das, was das Besondere des Full-Tilt-Angebots ausmachte, ist inzwischen entweder nichts Besonderes mehr oder wird von Full Tilt zunächst gar nicht mehr angeboten.
Zu guter Letzt überraschte mich dann aber auch, wie schnell die Community bereit zu sein scheint, zu vergeben und zu vergessen. Mit Full Tilt wird unwiederbringlich verknüpft bleiben, dass die Plattform einem ungeheuren Missmanagement ausgesetzt war, absurde Transaktionen in dreistelliger Millionenhöhe zuließ, obwohl das Geld nie bei der Seite eintraf und die Spieler geschlossen um all ihre Gelder prellte, die am 29. Juni 2011 noch auf den Konten lagen. Dass die Pokerwelt mit einem blauen Auge davon kommt und diese Gelder dennoch bezahlt werden hat nichts mit Full Tilt zu tun, sondern mit PokerStars und dem amerikanischen DOJ.
Auch wenn die Marke Full Tilt inzwischen zu PokerStars gehört, wird es schlussendlich eine fast zynische Wendung sein, wenn die Wiederauferstehung der Marke Full Tilt auf Kosten der Marke PokerStars geschehen wird.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 21.10.2012.