Auf dem Weg zur Weltmeisterschaft musste Pius Heinz viele Hände spielen, aber eine davon war ganz besonders wichtig. Hätte der Kölner sie verloren, wäre sein letzter Kontrahent Martin Staszko statt seiner zum neuen Champion gekürt worden und hätte wenige Minuten später das Bracelet von Vorjahressieger Jonathan Duhamel überreicht bekommen.
Großartiges Spiel von Pius Heinz und Martin Staszko
Von Alexander Moro
Es handelt sich um Hand 293 des Final Table und Hand 109 des Heads-Up.
Die Blinds betragen 1.200.000/2.400.000 bei einem Ante von 300.000, es ist die erste Hand in diesem Level 43. Pius Heinz hat einen Stack von 80 Millionen und Martin Staszko ca. 125 Millionen.
Staszko limpt mit Q 9 vom Button und Heinz nimmt im Big Blind mit A Q eine vor allem für das Heads-Up sehr starke Hand auf. Heinz raist folgerichtig auf 7,9 Millionen und Staszko callt mit seiner überdurchschnittlichen Hand plus Position plus Pot Odds von 2 zu 1. Im Pot sind nun 16,4 Millionen Chips.
Der Flop liefert K 10 7 und Heinz bringt von vorne eine Continuation Bet über 8,2 Millionen, also genau halbe Potgröße. Das ergibt Sinn, weil der Flop Staszkos Range nicht sonderlich gut getroffen hat, dafür aber die von Heinz. Mit allen Paaren und Kombinationen aus hohen Karten hätte Staszko auf jeden Fall vor dem Flop geraist, daher gewinnt Heinz den Pot in den meisten Fällen mit seiner Continuation Bet, obwohl er nur einen Gutshot und eine Overcard hat.
Staszko allerdings hat einen starken Draw gefloppt, der ihm eine Menge Pot Equity garantiert. Gegen eine Hand wie A K hat er zum Beispiel 46,9 Prozent, gegen A 10 sogar 54,3 Prozent und nur gegen ein unwahrscheinliches Set sieht es mit 33,8 Prozent relativ mau aus. Heinz kann aber auch bluffen oder einen schlechteren Flush Draw halten, wogegen Staszkos Hand klarer Favorit wäre. Sein Raise auf 17,5 Millionen ist damit logisch, zumal es ihm damit auch eventuell gelingen kann, aktuell bessere Hände wie eine getroffene Zehn oder ein Paar Buben (die knapp 53 Prozent hätten) zum Folden zu bringen.
Ein interessanter Aspekt sind die effektiven Stackgrößen und die daraus entstehende Leverage. Heinz hat noch etwa 64 Millionen übrig, und wenn er damit All-In geht, bekommt Staszko bei einem Pot von 106 Millionen Pot Odds von knapp 2 zu 1, d.h. er muss mit seiner Hand auf jeden Fall callen und die 54,7 Millionen nachzahlen.
Das dürfte Staszko sich bei seiner Entscheidung für einen Raise überlegt haben, doch dessen ungeachtet geht Heinz All-In. Die Schlüsselszene der Hand, die einiger Erklärungen bedarf.
Vordergründig hat Heinz nur einen Gutshot sowie eine Overcard und damit nicht einmal die Pot Odds für einen Call. Doch gleichzeitig muss er sich die Frage stellen, womit Staszko so spielt. Ein König ist unwahrscheinlich, denn Staszko callte im Verlauf des Heads-Up mit allen guten Paaren und betrieb Potkontrolle. Dasselbe gilt für alle anderen Paar-Hände, mit denen Staszko ebenso kaum einen Grund für einen Raise gehabt hätte.
Mit einem All-In kann Heinz gegen das Spektrum seines Gegners maximalen Druck aufbauen und trotz der gebotenen Pot Odds eine gewisse Fold Equity erzeugen. Hat Staszko tatsächlich kein Paar, sondern nur einen Draw (und davon gibt es reichlich!) muss er zwar oft callen, ist aber nie Favorit, es sei denn, er hätte den Nut Flush Draw, aber dieser ist wie erwähnt sehr unwahrscheinlich, da er mit jedem Ass vor dem Flop wohl geraist hätte. Außerdem hat Heinz, falls er sich irrt und Staszko tatsächlich ein Paar (außer Könige) hat, immer noch 10 Outs mit seinen Overcards und dem Gutshot, also ca. 37 Prozent Pot Equity.
In der Nachbetrachtung ist dies alles zwar recht simpel, doch am Tisch unter diesem Druck ein fantastischer Move und eine großartige Handanalyse.
Staszko nahm sich im Anschluss zwar noch ein wenig Zeit, machte dann aber den logischen und richtigen Call. Im Nachhinein hat er sich vielleicht geärgert, dass er zuvor nicht nur callte, doch ist diese Entscheidung aus den genannten Gründen nicht zu tadeln, da ein Call gerade im Heads-Up viel zu passiv gewesen wäre.
Der Rest der Hand ist bekannt. Beim Showdown hatte Pius Heinz 53,7 Prozent Pot Equity, es kamen zwei Blanks und einige Hände später war er Weltmeister.
Warum der Raise von Martin Staszko auf dem Flop falsch ist
Von Arved Klöhn
Im Gegensatz zu Alexander Moro – mit dessen Handanalyse ich ansonsten übereinstimme – möchte ich Martin Staszkos Raise auf dem Flop kritisieren. Meiner Meinung nach ist sein Mini-Raise deutlich schwächer als die Alternativen Call oder Raise All-In.
Warum? Zunächst: Er kann seine Raise-Höhe nicht bewusst so gewählt haben, dass er damit ein All-In callen muss – er hatte bei den Stackgrößen einfach keine andere Wahl. Jede Raise-Höhe committet ihn.
Ferner: Staszko kann in diesem Fall kein Interesse daran haben, mit seiner Hand auf dem Flop All-In zu sein und zum Showdown gehen zu müssen. Gegen die Range, mit der Pius Heinz hier zum All-In bereit ist, hat Staszko nur circa 50% Equity (vielleicht hat er 55-60%, wenn Heinz ab und zu mit zufälligem Crap reinschiebt). Obwohl Staszkos Hand mit 12 bis 15 Outs gegen jede Made-Hand enorm stark ist, ist es ihm wesentlich lieber, den Pot auf dem Flop mitzunehmen, als den Showdown ausspielen zu müssen.
Deswegen muss es in Staszkos Interesse liegen, mit einem Raise so viel Fold-Equity wie möglich aufzubauen. Raist er allerdings in der von ihm gewählten Höhe, lässt er seinem Gegner die Illusion von Fold-Equity – insbesondere da er in vorigen Händen schon gezeigt hat, dass er zum Raise/Fold fähig ist. Damit gibt er er Pius Heinz die Möglichkeit, ihn mit Händen wie Ass-X oder QJ All-In zu setzen. Das will Staszko auf gar keinen Fall. Er will, dass Heinz diese Hände aufgibt.
Die Alternative des Raise All-In sähe zwar sehr verdächtig aus, doch wäre es für Pius immer noch extrem hart, den Push mit einer Hand wie Ass-X oder einer schwachen Sieben zu callen. Zwar repräsentiert Staszko mit seinem Raise All-In eine äußerst schwache Range, doch macht er dies auch bei einem kleineren Raise. Staszko würde auf jeden Fall den Pot häufiger ohne Showdown gewinnen, wenn er dem Gegner jede Fold Equity nähme.
Ich will nicht sagen, dass es falsch von Staszko ist, mit seiner Hand auf dem Flop All-In zu landen, ich sage nur, dass sein gewählter Ansatz bei den Stack-Größen ein sehr ungünstiger ist.
Die zweite Alternative für Staszko auf dem Flop ist ein Call. Für einen Call spricht, dass er mit einem Raise (egal in welcher Höhe) keine starke Range repräsentieren kann. Er kann den Flop nicht gut getroffen haben – Sets und ein starkes Top-Pair fallen ob seines Limps aus seiner Range und schwache Top-Pair oder Second-Pair Hände sind unwahrscheinlich, da er mit diesen in den (Pius durchaus bekannten) vorigen Händen des Duells nicht auf dem Flop raiste. Mit einem Call könnte er sehr viel glaubhafter eine starke Hand wie Second-Pair oder Top-Pair repräsentieren.
Ferner können nach einem Call viele schöne Sachen für Staszko passieren. Er hat Position und nach einem Call wären etwa 33m Chips im Pot, während die effektiven Rest-Stacks noch 64m betrügen.
Damit kann er auf dem Turn seine Leverage deutlich stärker ausspielen. Er könnte nach einer weiteren Bet in Höhe des halben Pots von Pius All-In gehen und sich realistische Fold Equity gegen Hände wie Ass-X ausrechnen oder er könnte eines seiner Outs treffen und Pius diese vermeintliche Scare Card als Bluff nutzen. Und – ganz platt gesehen – bekommt er bei der Bet-Größe von Heinz fast sogar direkte Odds auf einen Call.
Insgesamt wäre auch ein Call in meinen Augen eine spielbare Option.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 09. November 2011.
Autor: Arved Klöhn.