Nach der Ausstrahlung der sogenannten Lederer-Files meldeten sich viele bekannte Persönlichkeiten aus der Szene zu Wort, und mittlerweile hat sich auch Doyle Brunson zu ihnen geäußert. In seinem neuesten Blog teilt der Grandfather of Poker trotz anhaltender Schreibblockade seine Sicht der Dinge mit und lässt die Pokergemeinde an seinem persönlichen Statement teilhaben.
Den gesamten Blog vom vergangenen Freitag geben wir hier auf Deutsch wieder:
Ich versuche weiterhin, diese seltsame Schreibblockade zu überwinden, an der ich leide. Bisher gelang es mir immer, meine Gedanken zu Papier bringen, ich habe aber Probleme mit dem Einstieg. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich zusagte, pro Woche mindestens einen Blog zu schreiben, doch in Zukunft will ich mein Bestes geben. Zuletzt hatte ich viele persönliche Probleme, die ich bewältigen musste.
Wegen der vielen Turniere in Europa und den USA ging es in Las Vegas beim Poker zuletzt sehr ruhig zu. Ständig findet irgendwo ein Turnier statt und die meisten High-Stakes-Cashgame-Spieler reisen dann an den jeweiligen Ort. Ich will die jungen Spieler gar nicht kritisieren, die um die ganze Welt reisen, vielmehr beneide ich sie. Das schadet aber den Cashgames. Die Cashgame-Spieler vor Ort, die schwächer als die meisten Profis sind, die herumreisen, haben neue Varianten eingeführt, die schwache Spieler begünstigen.
In den meisten Mixed-Games wird nun auch Badeucey, Badacey, Badugi und Razzdacey gespielt. Selbst bei den Stud-Partien bekommt jeder Spieler vier Karten und kann zwei davon abwerfen. Diese Varianten sorgen für eine eher ausgeglichene Spielstärke und verlaufen sehr schleppend. Meiner Meinung nach ist das sehr schlecht für das Pokerspiel und sorgt dafür, dass die meisten Profis wegbleiben.
Ich habe mir die Lederer-Files angeschaut und genau das gesehen, was ich erwartete. Für meine Aussage, dass Howard Lederer und Chris Ferguson meines Erachtens nichts vom erbärmlichen Zustand von Full Tilt wussten, wurde ich weitgehend stark kritisiert. Entschuldigt dies irgendein Fehlverhalten? Natürlich nicht, aber vermutlich würde mir jeder darin zustimmen, dass Bitar viele Dinge tat, von denen niemand wusste. Vor dem Black Friday waren aus meiner Sicht nicht nur die Geschäftsführer, sondern auch alle Anteilseigner von Full Tilt selbstgefällig und fahrlässig. Doch wer hätte die Notwendigkeit gesehen, seine Firma zu überprüfen, wenn er jeden Monat Schecks über Hunderttausende von Dollars bekommt?
Ständig wird darüber geredet, dass Full Tilt nach dem Black Friday noch Einzahlungen annahm. Ich war in die Verhandlungen verwickelt, die Jack Binion führte, und es bestand noch große Hoffnung, dass Full Tilt überleben und eine rentable Firma werden könnte. Jeden Tag sprach ich mit Jack über das Thema, während er den Kauf prüfte, bis er schließlich davon zurücktrat.
Danach waren andere Abschlüsse im Gespräch, die zweifellos einen guten Eindruck hinterließen. Es gab einen Zeitpunkt, an dem Full Tilt keine Einzahlungen mehr hätte annehmen dürfen, doch ist dies nur eine der schlechten Entscheidungen, die das Management nach dem Black Friday traf. Zumindest bekommt nun aller Voraussicht nach jeder sein Geld wieder.
Interessant wird sein, wie die Sache mit den geliehenen Spielergeldern und vor allem den Anteilseignern ausgeht. Wie auch immer, bitte bombardiert mich nicht mehr mit Tweets und E-Mails zum Thema Full Tilt und deren Situation. Die Geschichte zeigt uns in der Regel die Fakten. In diesem Fall kommen diese vielleicht nie ans Tageslicht.
Doyle Brunson
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.10.2012.