Im sechsten Teil dieser Serie will ich beleuchten, welchen massiven Beitrag Tracking-Tools für die gestiegene Schwierigkeit des Online Pokers leisten und warum sie trotzdem unverzichtbar sind.
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Was machen Tracking-Tools?
Tracking-Programme wie HEM, PokerTracker oder der Elephant erlauben es den Nutzern, statistische Daten der selbst gespielten Hände in einer Datenbank zu sammeln. Diese Daten können zum Beispiel zur eigenen Fehleranalyse oder zur Analyse eines bestimmten Gegners herangezogen werden. Ferner erlauben es diese Programme, die gesammelten statistischen Werte jedes Gegners live beim Spielen anzuzeigen
Konzipiert sind diese Programme als eine Art verlängertes Gedächtnis für den Spieler. Sie speichern alle (und nur die) Informationen, die der Spieler erhalten würde, wenn er jede gespielte Hand aufmerksam bis zum Schluss verfolgt, ordnen die über mehrere Hände gesammelten Daten den Gegnern zu und stellen diese Informationen übersichtlich dar.
Der Einfluss von Tracking-Tools beim Online-Poker
Die ersten Tracking-Tools kamen schon kurz nach der Jahrtausendwende auf den Markt und übernahmen sehr schnell eine tragende strategische Rolle beim Pokerspielen.
Durch die Anzeige von gegnerischen Statistiken ist ein Spieler mit einem Tracking-Tool in der Regel gegenüber einem Spieler ohne solche Software klar in einem Informations-Vorteil. Zwar kann man sich auch manuell Notizen machen und Charakteristika der Gegner merken, doch ist das menschliche Gehirn ab einer gewissen Menge verschiedener Gegner schlicht überfordert, diese Informationen in hinreichender Zeit abzurufen.
Ein Spieler mit einem Tracking-Tool schaut fix auf sein HUD (Heads-Up-Display) und sieht zum Beispiel, dass sein Gegner in einer Hand ein tighter Erbsenzähler ist und stellt sein Spiel entsprechend darauf ein. Einem Spieler ohne HUD kann diese Information entgehen und er zahlt zum Beispiel mit Top-Pair ein gegnerisches Set unnötig aus.
Tracking-Tools und HUDs machen es möglich, sich umfangreich auf das Spiel verschiedenster Gegner einzustellen. Man sieht zum Beispiel, dass ein Spieler faktisch nie preflop 3-bettet und kann so ohne mit der Wimper zu zucken den Großteil seiner Range entsorgen, wenn so ein Spieler dann doch mal reraist. Oder man sieht, dass ein Spieler nur sehr selten auf C-Bets foldet und bringt gegen einen solchen Spieler deutlich liberalere zweite Salven.
Umgekehrt funktioniert dieser Informationsgewinn aber natürlich auch. Da die meisten halbwegs ernsthaften Spieler mit einem HUD arbeiten, haben sie natürlich auch von einem selbst Informationen gesammelt und versuchen diese gewinnbringend auszunutzen.
Dadurch gewinnt Online-Poker eine weitere Dimension – man spielt nicht nur gegen die Gegner, sondern auch gegen die von sich selbst preisgegeben Informationen. Wie einfach wäre es doch für einen Erbsenzähler, der nur auf Asse und Sets wartet, Gewinne zu machen, wenn keiner seiner Gegner wüsste, dass er nur dann spielt, wenn er eine Bombe hat. Da allerdings ein großer Teil seiner Gegner dank der HUDs sieht, dass er nur mit Monstern Action macht, weil er zum Beispiel nur 8 Prozent seiner Hände spielt, wird diese Erbsenzähler-Strategie kaum mehr verfangen können.
Das Beispiel des Erbsenzählers lässt sich auf sehr viele weitere, komplexere Bereiche des Spiels ausdehnen. Raist man den River nur, wenn man die Nuts hat? Bringt man mit zu viel Grütze 3-Bets aus den Blinds? Foldet man in der Regel auf dem Turn, wenn man nach einer C-Bet auf dem Flop checkt? All dies und noch viel mehr können Gegner, die genügend Hände gegen einen gespielt haben sehen und zu ihrem Vorteil ausnutzen.
Holdem Manager 2 ÜbersichtTracker ist nicht gleich Tracker
Doch nur weil ein Spieler ein Tracking-Tool nutzt, heißt das noch lange nicht, dass er befähigt ist, das meiste aus den Informationen herauszuholen. Ein schlechter Spieler kann ebenso ein Tracking-Tool installieren und sich die paar Standard-Werte anzeigen lassen. Doch mit den Tools könnte ein guter Spieler so viel mehr Informationen gewinnen.
Tatsächlich ist es möglich fast die komplette Strategie eines hinreichend gleichmäßig spielenden Gegners nach genügend gesammelten Händen aus den statistischen Werten abzulesen – mit welchen Händen bringt er 3-Bets, unter welchen Umständen floatet er, wie reagiert er mit marginalen Händen auf Raises, und vieles mehr.
Es ist ganz offensichtlich, dass eine gute Interpretation von HUD- und Tracking-Daten das eigene Spiel massiv verbessert. Im Umkehrschluss sind Spieler, die keine solchen Tools haben und Spieler, die solche Tools nur rudimentär nutzen, stark im Nachteil.
Warum einige Spieler Tracker gleich ganz verbieten wollen
Regelmäßig melden sich Spieler zu Wort, die Tracker zur Gänze abschaffen wollen. Ich möchte auch fast garantieren, dass unter den Kommentaren zu diesem Artikel Einige genau dies fordern werden.
Die Argumentation ist, dass die Spieler mit Tracking-Programmen einen ungerechtfertigten Vorteil haben, dass man sich als Gelegenheitsspieler nicht mit der Einrichtung, den Kosten und dem Erlernen eines Tracking-Programmes auseinandersetzen will und sollte, nur um überhaupt eine Chance zu haben.
Dass Spieler mit den Tracking-Programmen einen Vorteil haben, ist fraglos. Ungerechtfertigt oder auch nur unangebracht ist dieser aber in meinen Augen nicht. Tracker und HUDs gehören fast seit Anbeginn zum Online-Poker dazu und werden von einem Großteil der Spieler als legitimes Hilfsmittel angesehen.
Ferner spielen Gelegenheitsspieler in der Regel so wenige Hände pro Monat, dass die Gegner ohnehin nur sehr unvollständige Informationen über deren Spiel gewinnen können. Damit hat ein Gelegenheitsspieler einen fast natürlichen Schutz gegen die Tracker.
Und grottenschlechte Spieler würden – da können sie beruhigt sein – auch in Windeseile ausgenommen, wenn die Gegner gar keine Tracking-Tools benutzen würden.
Warum Tracking-Tools notwendig für Online-Poker sind
Zum Pokern selbst sind Tracking-Programme natürlich nicht notwendig. Ihre Existenz prägt maßgeblich die Art und Weise wie Online-Poker gespielt wird und macht einen der fundamentalen Unterschiede zwischen Online- und Live-Poker aus.
Aber Tracking-Tools haben eine essentielle Daseinsberechtigung: Kontrolle.
Tracking-Tools ermöglichen den Spielern, das eigene Spiel, das Spiel der Gegner und den Pokeranbieter zu kontrollieren.
Man stelle sich mal eine Welt ohne Hand-Histories und Tracking-Tools vor: Collusion, Betrug, Superuser-Accounts, gezinkte Decks – all das wäre auf einmal nicht mehr nachweisbar.
Nimmt man den Spielern die Tracking-Tools und Hand-Histories weg, öffnet man dem Betrug das Tor sperrangelweit. Skandale wie der Superuser auf UB wurden nur aufgedeckt, weil Spielern statistische Unregelmäßigkeiten bei einem Gegner auffielen.
Betrug beim Online-Poker ist in der Regel nur über statistische Anomalien auffindbar. Tracker und offene Daten für die Spieler sind notwendig, damit auf diese Art und Weise eine unabhängige Kontrolle durch die Spieler weiterhin möglich ist.
Wenn Tracking-Tools zu viel können und machen
Mit Trackern ist es allerdings möglich, weit mehr Informationen zu verarbeiten als dem jeweiligen Spieler auch ohne den Tracker vorliegen würden.
So ist es möglich, Hand-Histories zu kaufen, um im Vorfeld Daten über die potentiellen Gegner auf einem bestimmten Level zu erlangen. Früher hatten viele Spieler einen eigenen oder geteilten Data-Mining-Server, der 24/7 die Tische scannte und die Datenbank mit den Händen fütterte. Heute bieten unzählige Anbieter Hand-Historie-Pakete zum Kauf an.
Hierbei wird meiner Meinung nach klar eine Grenze überschritten – ein Spieler, der Hand-Histories kauft, erwirbt Informationen von seinen Gegnern ohne sich dem Risiko auszusetzen, dass der Gegner Informationen von einem selbst erhält.Man sollte nur Informationen erhalten, wenn man dem Gegner zumindest die Möglichkeit einräumt, diese auch von einem selbst zu erhalten. Ansonsten bringt man sich in einen unfairen Vorteil.
PT4 NoteTrackerEbenfalls grenzwertig erscheinen mir die automatischen Notiz-Funktionen von PokerTracker 4 und HEM, die insbesondere an den Zoom-Tischen den Nutzern einen ungerechtfertigten Vorteil bringen.Klickt man auf “Fast-Fold” verschwindet die Hand und man sieht nicht ohne weiteres, was danach noch am Tisch passierte. Die Tracker sehen das jedoch in der Hand-History und verarbeiten die so gewonnen Informationen bei Bedarf in einer Notiz zu dem Gegner. So zeigt einem das HUD zum Beispiel an, dass Spieler X mit AQs und 88 eine 3-Bet gebracht hatte, obwohl man selbst niemals diese 3-Bets gesehen hatte, da man dank Fast-Fold schon in einer anderen Hand war.Hier hat man gegenüber einem Spieler ohne Tracker einen so starken Informationsvorteil, dass es fraglich, ob dieser noch zu rechtfertigen ist.
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Im nächsten Artikel werde ich auf einen weiteren und wahrscheinlich letzten Aspekt eingehen, der Online-Poker schwerer macht: die Rake. Danach bleibt es nur noch Aufgabe, Vorschläge auszuarbeiten, wie Online-Poker wenn zwar nicht einfacher, aber doch zumindest attraktiver gemacht werden kann. Vorschläge bitte gerne in die Kommentare!
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Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 23.08.2012.