Online Poker ist nicht zuletzt wegen der weiterentwickelten Software, Trackern und HUDs immer schwerer geworden. Im fünften Teil dieser Serie will ich darauf eingehen, warum schon einfachste Poker-Rechner und die Software der Pokeranbieter selbst Anteil an der Schwierigkeit des Online-Pokers hat.
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Equity-Rechner machen Strategien zugänglicher
Zunächst werfe ich einen weiten Blick zurück, in eine Zeit, zu der es praktisch kaum Rechner und mit Sicherheit noch kein Online-Poker gab. Doyle Brunson gibt in seinem Buch “Super System” aus dem Jahre 1979 ein schönes Beispiel, wie man einen “Sucker” ausnehmen kann: Man gebe sich selbst zwei Zweien, dem Sucker Ass-König und wette darauf, welche Hand einen Showdown gewinnt. Weil die Zweien so ein mieses kleines Paar sind und Ass-König so schön aussieht, wird es ewig dauern, bis der Sucker erkennt, dass er sich auf eine schlechte Wette eingelassen hat.
Damals gab es keine Equity-Rechner und man brauchte schon ein wenig Gehirnschmalz und Kombinatorik, um Gewinnwahrscheinlichkeiten vor dem Flop zu ermitteln. Den meisten Pokerspielern war es damals nicht vergönnt, davon eine Idee zu haben. Heutzutage kann man einen beliebigen Equity-Rechner aufmachen (zum Beispiel unseren ) und sich ausrechnen, dass Zweien gegen Ass-König etwa 52% Gewinnwahrscheinlichkeit haben.
So einen Equity-Rechner kann beinahe jeder Spieler bedienen und das Wissen um Preflop-Wahrscheinlichkeiten ist schon lange kein Meilenstein der strategischen Poker-Kenntnisse mehr.
Die moderne Technik hat die Mathematik hinter dem Pokerspiel wesentlich transparenter gemacht und zu einem reinen Anfangspunkt einer Pokerstrategie deklassiert.
Programme wie Flopzilla, Poker Razor und StoxEV treiben dies noch ein gehöriges Stück weiter. Damit kann man ohne Schwierigkeiten ausrechnen, welche Karten und Ranges wie oft welche Hand auf dem Flop treffen und man kann ganze Strategien durchrechnen. Es bedarf inzwischen keiner aufwändigen Arbeit mehr, rauszufinden, wie oft zum Beispiel eine Range von 99+ / AQ+ Top-Pair oder besser trifft. Entsprechend leicht ist es geworden, generelle Strategien zu entwickeln um ein mathematisch fundiertes Grundgerüst an den Pokertisch mitzubringen. Vor einigen Jahren noch hatte man mit solchen strategischen Kenntnissen seinen Gegnern eine Menge voraus. Heutzutage hat ein Großteil der NL100-Grinder entsprechende Programme gekauft oder zumindest umfassende Artikel gelesen, die entsprechende Strategien erklären.
Der Weg der Poker-Software
Die ersten Online-Pokerräume versuchten Anfang des 21. Jahrhunderts noch, Live-Poker möglichst realitätsnah abzubilden. So wurden bis 2004 zum Beispiel auf fast allen damals bestehenden Plattformen die Karten sehr langsam gedealt, so wie es eben auch ein Dealer im Kasino machen würde. Multi-Tabling war größtenteils noch gar nicht möglich und die Spielgeschwindigkeit lag bei etwa 40 Händen pro Stunde für ein Full-Ring-Game.
Bei dieser Geschwindigkeit wurde fast jedem Spieler langweilig und man spielte jedwedes Zeug, da es viel zu lange dauerte, nur auf ordentliche Hände zu warten. Schnell kamen Spieler und Anbieter jedoch dahinter, das es besser sei, die Spielgeschwindigkeit zu erhöhen und zumindest zwei oder drei Tische parallel spielen zu können. Online-Poker war eben keine Kopie vom Live-Poker, denn es ist etwas ganz anderes, in einem Kasino oder einer privaten Runde entspannt zu spielen, als alleine vor dem Rechner den Großteil der Zeit mit Warten zu verbringen.
Lange Zeit war Pacific Poker (inzwischen 888) der einzige Anbieter, der kein Multi-Tabling zuließ. Zurecht galt diese Seite damals als die einfachste im gesamten Netz, denn nur wenige professionelle Spieler hielten es aus, nur einen Tisch zu spielen. Fast ausschließlich blutige Anfänger und 80%-VPIP-Spieler sahen hierin keine Beeinträchtigung und entsprechend sahen auch die Tische aus.
Inzwischen ist Multi-Tabling bei allen Anbietern möglich, nicht wenige Spieler sind auf mehr als zehn Tischen gleichzeitig unterwegs und die Spielgeschwindigkeit hat sich auf über 80 Hände pro Stunde pro Tisch erhöht.
Online-Poker hat nur noch sehr wenig mit Live-Poker gemein
Mit dieser vordergründig technischen Entwicklung hat sich natürlich auch das Spiel selbst enorm verändert. Wenn der Großteil der Spieler an den Tischen ein Volumen von über 1.000 Händen pro Stunde spielt, fallen die Entscheidungen notwendig ganz anders aus, als wenn es nur 30 oder 40 Hände pro Stunde sind. Über 95% der Aktionen laufen über den Auto-Piloten und die meisten Spieler haben inzwischen ein so großes Volumen gespielt, dass für sie fast alle Entscheidungen “Standard-Entscheidungen” sind.
Hat man zum Beispiel Top-Pair auf dem Flop und wird von einem tighten, wenig trickreichen Spieler geraist, wandert die Hand ohne Zögern in den Muck. Top-Pair oder besser hat man bei 1.000 Händen pro Stunde alle paar Minuten, es gibt gar keinen Grund, eine augenscheinlich bessere Hand auszuzahlen. Anders sieht bei vielen die gleiche Situation live aus. Hier kann es mehrere Orbits dauern, bis man mal wieder eine spielbare Hand hat und vielleicht gar Stunden, bis man mal wieder Top-Pair oder besser flopt. Da fällt es den meisten Spielern deutlich schwerer, sich von so einer Hand zu trennen.
So sorgt schon die schiere Geschwindigkeit, mit der Online-Poker inzwischen gespielt wird, dafür, dass das Spiel ein ganz anderes und auch deutlich schwereres ist.
Weiter zunehmende Geschwindigkeit des Online-Pokers
Die Spielgeschwindigkeit wird derweil beim Online-Poker noch weiter erhöht. Zoom-Poker, Rush-Poker, FastForward-Poker – immer mehr Anbieter machen es inzwischen möglich, dass Spieler sofort die nächste Hand bekommen, wenn sie gefoldet haben. Damit ist es inzwischen möglich auf über 1.000 Hände pro Stunde zu kommen auch wenn man nur an vier solcher Tische sitzt. Bei diesen Geschwindigkeiten wird selbst der looseste Spieler auf einmal tight wie Granitblock – er hat schlicht keine Zeit mehr, Grütze zu spielen.
Nun ist die hohe Geschwindigkeit vom Online-Poker allein noch kein Grund dafür, dass es schwerer geworden ist. Aber sie ist ein recht verlässliches Mittel, sicherzustellen, dass schwache Spieler tighter werden und 80%-VPIP-Spieler – insbesondere an den Rush-Tischen – so schnell ausgenommen werden, dass ihnen die Lust am Neu-Einzahlen flugs vergeht.
Je höher die Spielgeschwindigkeit der professionellen Spieler im Gegensatz zu den schwächeren Spielern ist, desto weniger Hände werden gegen die schwächeren Spieler gespielt. Für Grinder und semi-professionelle Spieler heißt dies, dass sie notwendigerweise in der Lage sein müssen, andere Grinder zu schlagen. Von den 1.000 Händen pro Stunde werden eben 950 oder mehr gegen andere Grinder gespielt. Wer sich auf die wenigen Hände gegen schwache Spieler verlässt, wird einfach von der Rake aufgefressen.
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So trägt die Entwicklung und Geschwindigkeit der Pokerseiten maßgeblich dazu bei, dass die Spieler Strategien gegen professionelle Spieler entwickeln müssen. Doch im Gegensatz zu schwachen Spielern machen es einem die Profis nicht so leicht – sie entwickeln ihre Strategien ständig weiter und zwingen einen so, immer einen Schritt vorne zu bleiben. Ansonsten wird man über kurz oder lang aufgefressen.
Auf einen anderen und noch einschneidenden Teil der Software – Tracker und HUDs – bin ich hierbei noch gar nicht eingegangen, dies soll im nächsten Teil der Serie passieren.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 12.08.2012.