Der vierte Teil dieser Serie soll anhand von Spielerzahlen dokumentieren, dass die Spiele in den letzten Jahren dünner geworden sind und nach dem großen Pokerboom Mitte des letzten Jahrzehnts die Luft raus ist. Ferner soll darauf hingewiesen werden, dass Online-Poker mehr und mehr unter den angebotenen Side-Games der Poker-Anbieter leidet.
Weitere Artikel der Serie
» Auf der Suche nach dem Warum
» Neue Poker-Strategien
» PokerStrategy ist schuld
» Spielerzahlen und Side-Games
» Die Software ist schuld
» Die Tracker sind schuld
» Die Rake ist zu hoch
» Sieben Gründe
In den ersten ersten Teilen der Serie ging ich darauf ein, dass sich das Pokerspiel in den letzten zehn Jahren strategisch enorm entwickelt hat und viele Spieler schlicht nicht mithalten konnten und auf der Strecke blieben, weil sie es nicht schafften, sich den neuen strategischen Gegebenheiten anzupassen. Auch zeigte ich etwas polemisch auf, dass Coaching-Seiten wie PokerStrategy ihr Übriges dazu beitragen, dass die Spiele für Viele deutlich schwerer wurden, indem sie zum einen überhaupt Strategien vermitteln und zum anderen die Spieler zum Massgrinden animieren.
Werfen wir jetzt einmal einen Blick auf die nackten Zahlen:
Wie viele Spieler spielen überhaupt online?
Die Seite pokerscout.com erhebt seit langer Zeit Daten, wie viele Spieler durchschnittlich bei allen Seiten online sind. Auf pokerhistory.eu sind diese Daten graphisch aufbereitet und zeigen sehr anschaulich die Entwicklung über die letzten zehn Jahre:
Dieser Graph zeigt die durchschnittliche Anzahl der Spieler, die auf allen Seiten täglich an Echtgeldspielen teilnehmen. Dabei sieht man von 2003 bis Ende 2009 ein fast lineares Wachstum von 5.000 Spielern bis zu 130.000 Spielern.
Dabei ist zu beachten, dass die zugrundeliegenden Zahlen nur die Anzahl der durchschnittlich an einem Tag aktiven Spieler sind. Die Anzahl der insgesamt aktiven Spieler ist um ein Vielfaches höher.
Der UIGEA von 2006, der Transaktionen für amerikanische Spieler erschwerte und deretwegen PartyPoker den amerikanischen Markt verließ, hatte kaum Auswirkungen auf das Wachstum der Spielerzahlen. Zunächst west- und später osteuropäische Länder machten die Stagnation der amerikanischen Spielerzahlen mehr als wett, so dass bis Ende 2009 Online-Poker ein Wachstumsmarkt war.
Anfang 2010 nahmen die Spielerzahlen rapide ab, konnten dann jedoch zunächst vor allem durch einen enormen Zuwachs der russischen Spieler wieder angehoben werden. Der Schwarze Freitag Anfang 2011 und die Full-Tilt-Katastrophe sorgten jedoch für einen enormen Dämpfer, von dem sich das Gesamt-System bis heute nicht erholt hat. Mit durchschnittlich 80.000 aktiven Spielern pro Tag liegen die aktuellen Zahlen deutlich hinter den Spitzenwerten von 2009.
Konsolidierung der Pokerseiten
Der Rückzug von PartyPoker aus den USA, der Ausfall von Full Tilt und teilweise widrige Bedingungen bei vielen Seiten sorgten dafür, dass sich der Markt im Laufe der Jahre stark konsolidierte. Aus dem Wachstumsmarkt wurde ein Verdrängungsmarkt und insbesondere nach dem Schwarzen Freitag liegt auf dem Markt ein enormes Ungleichgewicht. PokerStars hält im Pokerbereich derzeit einen Marktanteil von 55%. Der nächstbeste Anbieter, iPoker, hält weniger als 8%.
Zwar war PokerStars auch vom Schwarzen Freitag betroffen und verlor zwischenzeitlich über 30% der Spieler, konnte jedoch insbesondere nach dem Full-Tilt-Ausfall diesen Verlust weitgehend ausgleichen indem es Pokerspieler anderer Seiten auffing.
Sollte PokerStars tatsächlich in Zukunft die Reste von Full Tilt übernehmen und die Seite als eigene Marke online bringen, wird dies die Vormachtstellung von Stars noch stärker zementieren.
Der Fall Party Poker
Party Poker, seit einigen Jahren mit Bwin fusioniert, nimmt eine kleine Sonderstellung bei den Pokerseiten ein. Im Jahre 2006 war Party die mit Abstand größte Cash-Game-Plattform, an der Londoner Börse notiert und konnte vor Kraft kaum gehen – Fernsehwerbespots, haushohe Werbeplakate in Vegas und zur damaligen Zeit unerhört teure TV-Veranstaltungen ließen Party Poker in der Pokerwelt allgegenwärtig erscheinen.
Doch mit dem UIGEA entschied sich das Unternehmen als einzige große Plattform, die USA zu verlassen und hat sich seitdem nicht von dem Verlust der amerikanischen Spieler erholt. Nach dem UIGEA verlor PartyPoker mehr 60% der Spieler und konnte auch in den Folgejahren keine nennenswerten Zuwächse mehr verbuchen:
Anzahl der Spieler bei Party Poker. A: UIGEA, B: Italien bietet eigene Lizenzen, C: Frankreich bietet eigene Lizenzen, D: Schwarzer FreitagQuasi von einem Tag auf den anderen war der Poker-Gigant gefallen und hat – so scheint es zumindest – das Pokergeschäft seit dem ziemlich vernachlässigt.
Einzahlende Spieler wandern ins Online-Kasino ab
Ein zentraler Aspekt, warum beim Online-Poker immer weniger Geld im Umlauf ist und auch weniger Spieler an Tischen sind, ist, dass viele Seiten inzwischen aggressiv ihre sogenannten “Side-Games” aggressiv bewerben.
Abgesehen von PokerStars bieten fast alle größeren Poker-Anbieter Kasino-Spiele wie Blackjack, Roulette, Slots und auch Sportwetten an. Diese werden direkt in der Pokersoftware beworben mit dem Effekt, dass viele Spieler ihr Geld auch dort umsetzen und es so dem Pokerkreislauf komplett entziehen.
Sehr schön lässt sich dieser Effekt bei Bwin.Party sehen. Das Unternehmen gibt, da es börsennotiert ist, regelmäßig Quartalszahlen an die Öffentlichkeit und gibt bekannt, wie hoch die Einnahmen sind, die mit den einzelnen Segmenten erwirtschaftet werden. Auf bwinparty.com kann man die Unternehmensberichte herunterladen.
Greift man die Erträge des Poker-Segments von Bwin.Party heraus und stellt diese den restlichen Erträgen gegenüber, sieht man zum einen, dass die absoluten Poker-Einnahmen seit 2008 weiter geschrumpft sind und zum anderen, dass diese 2012 nur noch 25 Prozent der gesamten Einnahmen ausmachen. 2008 waren es noch über 40 Prozent:
Q1 2008 | Q1 2009 | Q1 2010 | Q1 2011 | Q1 2012 | |
Ertrag Poker (Mio $) | 70,1 | 60,9 | 62,9 | 54,0 | 52,5 |
Ertrag Wetten, Kasino und Bingo (Mio $) | 100,2 | 103,7 | 143,1 | 154,7 | 157,2 |
Ertragsanteil Poker | 41% | 37% | 31% | 26% | 25% |
Während die Gesamt-Einnahmen zwar gestiegen sind, verschiebt sich der Fokus immer mehr in Richtung Side-Games und Sportwetten.
Diesen Drift bekommen Pokerspieler natürlich massiv zu spüren. Werden schwache Pokerspieler von den Anbietern direkt ins Kasino gelockt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie ihr Geld nicht in die Poker-Ökonomie investieren, sondern direkt den Anbietern in den Rachen werfen.
Spieler auf die Schnelle im Kasino auszunehmen mag zwar kurzfristig profitabel sein, ist aber für den Pokermarkt katastrophal. Doch noch konzentrieren sich fast alle kleineren Online-Poker-Anbieter darauf, in dem Verdrängungsmarkt ihre Spieler so schnell wie möglich abzuschöpfen, ehe diese zur nächsten Seite abwandern und über kurz oder lang schließlich bei PokerStars landen.
Weitere Artikel der Serie
» Auf der Suche nach dem Warum
» Neue Poker-Strategien
» PokerStrategy ist schuld
» Spielerzahlen und Side-Games
» Die Software ist schuld
» Die Tracker sind schuld
» Die Rake ist zu hoch
» Sieben Gründe
Es ist sicherlich kein Zufall, dass mit PokerStars der einzige größere Anbieter ohne Side-Games den Pokermarkt vollständig dominiert. Es bleibt zu hoffen, dass andere Anbieter irgendwann in Zukunft diesem Beispiel folgen und sich darauf konzentrieren, in erster Linie ein gesundes Pokerangebot auf die Beine zu stellen. Damit werden wir zwar keinen neuen Pokerboom erleben, aber zumindest würde das eingezahlte Geld im Pokerkreislauf zerrieben werden und nicht zu immer größeren Teilen in virtuellen Slots hängen bleiben.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 31.07.2012.