Etwas reißerisch kommt der dritte Teil dieser Serie daher. Welche Auswirkungen Coaching-Seiten auf Online-Poker haben, soll hier am Beispiel PokerStrategy beleuchtet werden. PokerStrategy als größte Coaching-Seite ist in Folge tatsächlich nur beispielhaft gewählt. Die Quintessenz der Aussagen bleibt erhalten, wenn man PokerStrategy durch den Namen einer beliebigen Poker-Coaching-Seite austauscht.
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Was ist PokerSrategy überhaupt?
PokerStrategy wurde 2005 unter anderem von Dominik “Korn” Kofert und dem Schachgroßmeister Matthias Wahls gegründet. Ziel der Seite war es, deutschen Spielern das Pokern beizubringen. Damals war Limit Hold’em noch die dominanteste Variante und entsprechend wurden den Spielern Preflop-Charts, Odds, Prozente und basale Strategien dieser Variante eingetrichtert. Verbunden mit einem kleinen Startguthaben wurden die Spieler zu PokerStars gelotst, wo sie möglichst streng nach System und möglichst erfolgreich spielen sollten. Bekannt gemacht wurde die Seite durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Aushänge in Universitäten und kurzzeitlich sogar durch Fernsehwerbung im DSF.
Später konzentrierte man sich bei PokerStrategy auch auf No-Limit-Hold’em und gebar mit der Short-Stack-Strategy (SSS) eine wahre Heerschar an Spielern, die mit einem 20-BB-Stack die Tische verstopften und allen anderen Spielern mit ihrer Push-Fold-Spielweise mächtig auf die Nerven gingen.
Im Jahr 2007 hatte PokerStrategy schon über eine halbe Million Nutzer. Fünf Jahre später sind es nach eigenen Angaben fast sechs Millionen Nutzer. Die Seite hat in quasi alle internationalen Märkte expandiert und bietet in vielen Sprachen Strategien, Lehrvideos und Trainingsstunden an. Auch die verbreiteten Pokerstrategien sind erwachsen geworden und beschränken sich keineswegs mehr nur auf SSS-Tabellen.
PokerStrategy und die Poker-Ökologie
Die Auswirkung von PokerStrategy auf die Poker-Ökonomie war zunächst positiv. Angelockt durch das Startguthaben wurden unzählige Spieler überhaupt auf das Pokerspiel aufmerksam und nicht wenige zahlten fleißig ein und brachten eine Menge Geld in das System.
Doch kommt eine Seite wie PokerStrategy nicht ohne erhebliche Nebenwirkungen für das gesamte Online-Poker-Gefüge daher. Zwei radikale Konsequenzen der allumfassenden Beschulung der Spieler führen dazu, dass PokerStrategy tatsächlich mit schuld ist, dass Online-Poker schwerer geworden ist:
1. Die Nutzer lernen Pokerspielen
Durch das Angebot einer Pokerschule wird vielen Spielern vermittelt, dass es überhaupt eine tiefgreifende Strategie beim Poker gibt. Dem resoluten Freizeitspieler mag dies noch egal sein, er spielt Poker nur zum Vergnügen und will sich gar nicht mit der Materie beschäftigen und betrachtet dies als Zeitverschwendung.
Doch viele enthusiastische Amateure nehmen das Angebot von PokerStrategy (und natürlich auch vielen anderen Foren, Schulen und Büchern) wahr, um ihr Spiel zu verbessern. Sie verbessern ihr Spiel vielleicht nicht zu dem Grad, dass sie allesamt auf einmal langfristige Gewinner werden, doch trägt eine Beschulung mit Sicherheit dazu bei, dass die allermeisten zumindest ein wenig besser werden. Ohne Informationsquellen wie PokerStrategy, 2+2 oder durch ähnliche Seiten, würden diese Spieler auf einem schlechteren Niveau spielen, wären leichter zu schlagen und würden Online-Poker einfacher machen.
2. Heerscharen von Regs überfallen die Tische
Weit drastischer als die Beschulung von Amateuren fällt jedoch ins Gewicht, dass Seiten wie PokerStrategy ganze Spieler-Armadas produziert haben, welche die Seiten überfallen.
Fast schon parasitär konnte man die ganzen SSS-Spieler nennen, die PokerStrategy vor einigen Jahren hervorbrachte und die auf praktisch jedem Limit auf jeder Seite mit ihren 20-BB-Stacks auf den Tischen unterwegs waren. Viele, wenn nicht gar die meisten, dieser Spieler haben keine nennenswerten Gewinne eingefahren. Dennoch mussten sich die Spieler mit regulären Stacks darauf einstellen, dass an ihren Tischen immer mindestens ein Spieler sitzt, der mit einer spieltheoretisch ausbalancierten SSS-Strategie vor dem Flop Alarm macht, die einem eine gewisse Anpassung abverlangt. Die Kritik an den Short-Stack-Spielern ging am Ende so weit, dass die meisten Pokerseiten dieser Strategie einen Riegel vorschoben indem sie die minimale Auflage für Cash-Tische erhöhten.
Inzwischen sind es schon lange nicht mehr nur die SSS-Regs, sondern auch normale Regs, die von PokerStrategy ausgebildet werden und die Tische bevölkern. Dabei ist die Qualität dieser Spieler gar nicht das primäre Problem. Die meisten sind sind -1 bis +1 BB/100 Spieler, deren Profite in erster Linie über Boni oder Rakeback reinkommen. Sicherlich, einige der besten Pokerspieler haben bei PokerStrategy angefangen, aber größte Anteil der Spieler arbeitet auf einem eher durchschnittlichen Level. Das Problem hierbei ist die schiere Masse der Spieler im Vergleich zu den Freizeitspielern.
Inzwischen kommt es nicht selten vor, dass an einem Tisch sechs von sechs oder neun von neun Spieler durchschnittliche Regs sind, die sich gegenseitig Pötte hin- und herschieben. Diese Spieler sind vielleicht nicht brilliant, aber sie machen auch nur wenige eklatante Fehler, die andere Spieler über Gebühr ausnutzen könnten. Findet sich ein Fisch ein, verstopfen diese Spieler die Wartelisten, ansonsten produzieren sie vor allem Rake ohne selbst übermäßige Gewinne zu erzielen.
Durch einen enormen Umsatz waschen diese Spieler kontinuierlich das Geld in Form von Rake aus dem Poker-Kreislauf und ihr Nettogewinn nimmt sich im Vergleich zum wegtaxierten Geld äußerst bescheiden aus.
Über Rake-Races und ein Punkte-System wird bei PokerStrategy Vielspielen belohnt. Ob dabei Gewinn gemacht wird oder nicht, ist in diesem System völlig egal, solange die Verluste nur nicht zu hoch sind. Ebenso wie bei fast allen Vielspieler-Programmen der Pokerseiten kommt es im Grunde nur auf den Umsatz an.
Durch dieses System, das tausende von Spielern animiert, zigtausende Hände pro Monat zu spielen werden Fische oder besonders schwache Spieler konsequent ausgenommen und der Gewinn von den Spielern untereinander so lange hin- und hergeschoben, bis fast er fast vollständig aufgerieben ist. Um in diesem System substantieller Gewinner zu sein, muss man in der Lage sein, die PokerStrategy-Regs langfristig zu schlagen. Das ist allerdings ein weit schwierigeres Unterfangen, als einfach nur die schwachen Spieler zu schlagen.
Inzwischen ist es auf den meisten, wenn nicht gar allen, Pokerseiten soweit, dass durch die Regs mehr Geld aufgerieben wird, als durch Gelegenheitsspieler eingezahlt wird. Die Auswirkungen dessen sind einfach, aber auch fatal für die Poker-Ökonomie: Prozentual werden mehr und mehr Spieler Verlierer, müssen in den Limits absteigen und versäuern dadurch auch die niedrigeren Limits. “Easy Game auf NL50” ist längst Geschichte, inzwischen sind wir fast soweit, dass schon NL10 ein Reg-Grind ist und nicht mehr als besseres Spielgeld-Niveau zu betrachten ist.
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Coaching-Seiten wie PokerStrategy haben unglaublich viel für die Pokerszene getan und in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Entwicklung des Online-Poker beigetragen. Dieser Beitrag soll auch keineswegs gering geschätzt werden. Doch muss auch deutlich gemacht werden, dass die propagierte Spielweise mit hohem Volumen und entsprechendem Umsatz zu den Problemen des Online-Pokers massiv beiträgt: Zu viele Spieler sind Regs, die zu schnell das Geld im System abbauen ohne selbst einen adäquaten Gewinn einzufahren.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.07.2012.