Das Main-Event der WSOP 2011 war großartig, nicht nur weil mit Pius Heinz ein Deutscher gewann, sondern auch, da man dank eines guten Streams stets live dabei war. Dieses Jahr sieht es dank ESPN jedoch äußerst mau aus.
TV-Tisch
während einer EPT
Die letztjährigen Streams der WSOP waren phasenweise ein echter Genuss. Leicht zeitversetzt bekam man das Geschehen direkt ins Wohnzimmer, nach der Hand wurden die Hole-Cards gezeigt und kommentiert wurde das Ganze auch noch. So durfte man den Analysen von Olivier Busquet lauschen oder Anekdoten von Antonio Esfandiari erfahren und selbst Phil Hellmuth war in der Kommentatorenkabine irgendwie unterhaltsam wenn er über sein liebstes Thema sprach: sich selbst.
Dieses Jahr begnügte sich die WSOP damit, bei vielen Events nur eine Kamera neben den Tisch zu stellen. Da sah man dann, dass irgendwie wohl gepokert wird und regelmäßig Leute durch das Bild huschen. Kommentiert wurde das Spiel nicht, Informationen wurden auch keine eingeblendet und bei vielen Final-Tables konnte man nur raten, welche Variante da überhaupt gespielt wird.
Pünktlich zum Main-Event gibt es nun gleich gar keinen Stream mehr. ESPN zeigt sich verantwortlich dafür, das Turnier zu filmen und später in geschnittener Form zu präsentieren. Wohl aus Angst, man würde Zuschauer verlieren, wenn schon vorher ein Stream existieren würde, lässt man die Zuschauer nun im Dunkeln tappen.
Doch nicht nur die Zuschauer sind dank der Politik von ESPN schlechter dran. Auch den Spielern wird teilweise Idiotisches aufgebürdet. Man hat sich ja inzwischen dran gewöhnt, dass bei größeren Turnieren Kamerateams herumspringen, um jedes All-In festzuhalten. Diese nehmen generell nicht sehr viel Rücksicht auf die Spieler: Grelles Licht, Mikrophone und mehrere auf den Spieler gerichtete Kameras während dieser eine Entscheidung um sein Turnierleben und potentiell hunderttausende Euros oder Dollars fällen muss – weniger dezent geht kaum.
Beim Main-Event der WSOP wird das Spiel gleich noch ein Stück weiter getrieben. Die Spieler sind verpflichtet, bei einer aufgezeichneten Hand der ESPN-Crew ihre Karten zu zeigen, damit diese in der Aufnahme verwendet werden können. Hierbei wird dann auch keine Rücksicht darauf genommen, dass der Spieler seine Hand womöglich gemuckt hat. So wurden zum Beispiel beim Main-Event Jan Heitmanns Karten vom Dealer für alle offen umgedreht, nachdem dieser auf ein All-In gefoldet hatte.
Der Spieler David Kluchmann foldete auf eine Bet auf dem River und die TV-Crew hinter ihm verlangte, er möge seine Karten in die Kamera halten. Nachdem Kluchmann sich zunächst weigerte, klärte ihn der Floor auf, dass er entweder seine Karten in die Kamera hält oder eine Runde aussetzen müsse.
So weit ist es also gekommen: Wer nicht zu 100% mit dem Fernsehen kooperiert wird sanktioniert. Wie lange werden sich die Spieler ein so aufdringliches Verhalten noch gefallen lassen?
Beim Poker ist es eine ganz andere Situation als zum Beispiel beim Fußball. Wenn ein Mesut Özil nach einem Spiel dämliche Fragen gestellt bekommt und abgedroschene Phrasen in das Mikrophon aufsagt oder zu den beklopptesten PR-Terminen kommt, passiert dies in gegenseitigem Einvernehmen. Indirekt zahlt das Fernsehen dank Werbung und teurer Übertragungsrechte das Gehalt aller Fußballspieler – im Gegenzug lassen diese ein reichlich albernes Prozedere über sich ergehen.
Pokerspieler jedoch erhalten en gros wenig bis gar nichts vom Fernsehen. ESPN übernimmt nicht die Startgelder der Spieler und nur die wenigsten Spieler haben Sponsorenverträge, die auf TV-Präsenz beruhen. Trotzdem geben die Spieler bei großen Turnieren das Recht an ihrem Bild und ihrer Anonymität mit dem Entrichten des Buy-Ins ab und lassen sich darauf ein, dass ihre Hände am Feature-Table lückenlos dokumentiert werden.
Dies ist schon ein enormes Entgegenkommen der Spieler. Man muss nun nicht auch noch anfangen, ihnen vorzuschreiben, wann sie welche Hände in welche Kameras halten müssen und sie barsch zu bestrafen, wenn sie sich nicht beugen.
Natürlich ist es für alle ein Gewinn, wenn am Ende eine schön geschnittene Staffel zur diesjährigen WSOP rauskommt, diese im Fernsehen läuft und eventuell neue Spieler an die Tische bringt. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn die TV-Leute den Spielern mehr Respekt entgegenbrächten und sie nicht als Schauspieler zum Drehbuch einer solchen Staffel benutzen würden.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 15.07.2012.