Diesen Morgen wurde im Main-Event eine Hand ausgetragen, über die zu reden ist. Der britische Amateur und Publikumsliebling John Hesp lief als Chipleader im Main-Event der WSOP mit Top-Two-Pair in ein Set des Zweiten im Counts, Scott Blumstein. Hesp verlor über drei Viertel seines Stacks und überließ dem jungen Amerikaner die Führung.
Top-Two gegen ein Set – ist das einfach nur Pech oder war die Katastrophe vermeidbar? Wir wollen uns dieser Hand, die das Main-Event bislang eindrucksvoll prägt, kurz annehmen.
Die fragliche Hand
Schauen wir uns die Hand erst einmal ganz nüchtern an. Es ist die 47. Hand des Finales, noch sind 8 Spieler im Rennen, jeder hat 1,2 Millionen Dollar sicher und John Hesp ist klarer Chipleader. Ihm folgen Scott Blumstein und Benjamin Pollak.
Dies passiert:
UTG: Scott Blumstein – 80.425k Chips – A♦ A♣
UTG+1: Dan Ott – 28.300
MP: Bryan Picciolo – 25.250
HJ: Damian Salas – 14.325
CO: Jack Sinclair – 19.900
BU: Benjamin Pollak – 73.025
SB: Antoine Saout – 21.250
BB: John Hesp – 104.650 – A♥ T♥
Blinds: 500k / 1.000k / 150k Ante
Preflop: Scott Blumstein raist auf 2.200k, alle anderen Spieler folden,
John Hesp callt im Big Blind
Flop (6.100k): A♣ 7♦ 5♥
Beide Spieler checken
Turn (6.100k): T♠
Hesp checkt, Blumstein setzt 3.000k, Hesp check-raist auf 7.000k,
Blumstein 3-bettet auf 17.000k, Hesp 4-bettet all-in (78.075k), Blumstein callt.
River (156.050k): 3♣
Scott Blumstein gewinnt mit Top-Set Asse.
Bei dieser Hand lagen rund 44 Prozent aller Chips in der Mitte und im Anschluss ist Scott Blumstein klarer Chipleader. John Hesps einstmals enormer Stack ist auf Re-Shove-Größe reduziert.
Das Spiel vor und auf dem Flop
Preflop ist an dem Spiel beider Parteien nichts ungewöhnlich. Der Raise Blumsteins, seine Einsatzhöhe, sowie der Call mit Ass-Zehn im Big Blind sind absoluter Standard.
Auf dem Flop trifft Blumstein Top-Set und er entscheidet sich, dieses nicht zu setzen. Der Flop könnte kaum trockener sein – kaum ein Draw ist bei Hesp realistisch und Blumstein hält zwei der drei im Spiel verbliebenen Asse auf der Hand. Aus seiner Perspektive ist es sehr unwahrscheinlich, dass sein Gegner eine gute Hand hat und Blumstein tut gut daran, ihm eine Karte zu gewähren, um ein wenig aufzuholen.
Sowohl Pre-Flop als auch Flop sind von beiden Spielern praktisch perfekt gespielt.
Feuerwerk auf dem Turn
Nachdem eine Zehn auf dem Turn fällt, hält Blumstein immer noch die Nuts, doch jetzt muss er anfangen, einen Pot aufzubauen. Er muss darauf hoffen, dass sein Gegner irgendeine Hand hat, die ihn möglichst hoch auszahlt. Er spielt halben Pot an – eine gute Größe, um ein paar Chips in die Mitte zu bekommen. Nach ahnt Blumstein nicht, welches Feuerwerk gleich kommen wird und ist bemüht, von Händen wie Neunen, Achten oder Zehn-X eine Bet auf dem Turn und später eine auf dem River zu bekommen.
Für John Hesp ist die Zehn offensichtlich seine „Money-Card“. Er hat grade Top-Two getroffen und geht davon aus, meilenweit in Front zu liegen. Diese Annahme ist erst einmal völlig korrekt. Sein Gegner hat schließlich den Flop gecheckt und auf dem Turn nur halben Pot angespielt. In der überwältigenden Mehrheit der Fälle wird Hesp bei dieser Zugfolge auf dem Turn mit Top-Two in Front liegen.
Hesp wählt einen Zug, den er schon mehrfach – und fast immer mit sehr starken Händen – brachte: Er check-raist fast das Minimum und erhöht auf 7.000 Chips.
Die Höhe seines Einsatzes ist zumindest ein wenig unorthodox, jedoch keineswegs per se falsch. Denn so gibt er seinem Gegner die Möglichkeit, mit schwächeren Händen im Spiel zu bleiben und gleichzeitig baut Hesp mit seiner sehr starken Hand einen großen Pot auf.
Zurück zu Scott Blumstein, der ob des Raises seines Gegner sicherlich ganz verzückt ist. Er weiß, wie John Hesp spielt und er weiß, dass dieser Check-Raise ein starker Indikator für eine gute Hand beim Briten ist. Sets oder auch Aces-Up sind nun die wahrscheinlichsten Hände in Hesps Range und gegen diese will Blumstein einen maximal großen Pot spielen, hat er diese doch klar dominiert. Er bringt eine 3-Bet auf 17.000 und erhöht damit um 10.000 Chips.
Die Höhe des Raises ist möglicherweise etwas klein gehalten. Denn Blumstein gibt – egal wie viel er reraist – zu erkennen, dass er ein Monster hat und eine höhere Setzgröße hätte es ihm einfacher gemacht, auf dem River all-in zu kommen, sollte Hesp callen. Doch prinzipiell ist an dem Reraise wenig zu kritisieren.
Bis hierher hatte jeder Spieler vier Aktionen in der Hand und jede dieser Aktionen war aus Sicht des jeweiligen Spielers korrekt oder zumindest nicht falsch. Kommen wir nun zu der fatalen Entscheidung John Hesps.
Eine 4-Bet ins Nirvana
Mit dem Re-Raise Blumsteins springt Hesp aus seinem Stuhl. Man kann förmlich sehen, wie er erstmals daran zweifelt, ob er mit Top-Two wirklich die beste Hand hält, oder ob er nicht doch gegen ein auf dem Flop langsam gespieltes Monster hinten liegt. Doch Hesp braucht nicht lange, eine Lösung für sein Zweifeln zu finden und er geht für effektiv 78.000 Chips all-in.
In dem Moment als Scott Blumstein callt und Asse umdreht, zuckt Hesp mit den Schultern, dreht die Handflächen nach außen als wollte er sagen: „So ein Pech, aber was soll man machen?“
So sympathisch der Brite John Hesp sein mag, so katastrophal war jedoch auch diese 4-Bet, die er da brachte. Sehr wohl hatte er andere, bessere Optionen und er hat hier einen Fehler in der Größenordnung von über einer Million Dollar in Equity gemacht.
Was ist falsch an der 4-Bet auf dem Turn?
Vor der 4-Bet liegen auf dem Turn rund 40.000 Chips in der Mitte. Hesp erhöht um effektiv 61.000 Chips und bringt eine ziemlich deutliche Overbet.
Der größte Fehler an dieser 4-Bet ist, dass es keine Hand gibt, die diesen Raise callt und gegen die Hesp noch vorne liegt. Mit dem Raise isoliert sich Hesp gegen jede bessere Hand und überzeugt seinen Gegner, jede möglicherweise in seiner Range noch vorkommende schwächere Hand zu entsorgen.
Klar, Hesp liegt hier eher selten hinten. Asse, Zehnen, Siebenen, Fünfen – das sind die einzigen Hände, gegen die er verliert und davon gibt es in Summe grade einmal zehn mögliche Kombinationen. Doch mit dem Reraise stellt Hesp sicher, dass er entweder den Pot so wie er ist, gewinnt, oder praktisch aussichtslos einen Showdown sieht.
Was hätte Hesp besser machen können?
Mit der 3-Bet von Scott Blumstein auf dem Turn sollten bei John Hesp ein paar Alarmglocken läuten. Offenkundig ist das auch der Fall, das lässt zumindest sein Sprung aus dem Stuhl vermuten. Doch die korrekte Reaktion auf ein mögliches Desaster ist nicht, noch einmal kräftig auf das Gaspedal zu drücken.
Wenn man mit Top-Two in Top-Set läuft, ist es unvermeidbar, dass man eine Menge Chips verliert, das steht überhaupt nicht in Frage. Doch bei einem extrem tighten ICM-lastigen Spiel kann man seine Verluste begrenzen und muss nicht 80 Big Blinds versenken.
Hätte man die Hand folden können?
Zu fordern, Hesp hätte seine Hand nach der 3-Bet aufgeben sollen, ist ergebnisorientiert und fehl am Platze. Er bekommt ordentliche Pot-Odds und es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass Blumstein eine Hand wie Ass-Sieben oder Ass-Fünf (suited) hält oder vielleicht selbst Ass-Zehn. Die Szenarios sind nach dem Reraise zwar nicht übermäßig wahrscheinlich, doch John Hesp hat genug Raum, um auf dem River die Situation neu zu bewerten.
Ein Call auf die 3-Bet ist mit einem immensen Vorsprung die beste Option.
Nach einem Call lägen rund 40.000 Chips in der Mitte und realistisch hätte Blumstein auf dem River nach einem Check wahrscheinlich zwischen 20.000 und 40.000 Chips gesetzt. Hier hätte Hesp nach den Spielzügen einen Fold finden können. Doch selbst wenn ihm das nicht gelungen wäre, hätte er mindestens 20.000 Chips gespart.
Was waren die Fehler in dieser Hand?
John Hesp ist ein Amateur und kein gestandener Poker-Profi, auch deswegen ist er beim Publikum so beliebt. In dieser Hand demonstrierte er klassische Fehler, die Amateure beim Poker machen:
Fatalismus: „Bei Top-Two gegen Set kann man nichts machen“ – Ja, es stimmt, man kann gegen das Szenario nichts machen. Wohl aber kann man sein Spiel so anlegen, dass man im Falle des Falles nicht blindlings alle Chips verliert, nur weil man es auf Pech schieben kann.
Überschätzung der Handstärke: Handstärken sind beim Poker immer relativ. Top-Two sind nur dann signifikant besser als Top-Pair, wenn in der Range des Gegners viele Two-Pair-Hände sind. Besteht die Range vor allem aus Sets, sind Top-Two kaum besser als Bottom-Pair.
Nichtberücksichtigung neuer Informationen: Mit jedem Spielzug erhält man beim Poker neue Informationen über die Hand seines Gegners. Manchmal sind diese fast diametral zu bisherigen Informationen. Bis zum Re-Raise auf dem Turn schien es in dieser Hand unwahrscheinlich, dass Hesps Gegner eine sonderlich gute Hand hielt. Nach dem Re-Raise jedoch hätte eine dringende Re-Evaluierung stattfinden müssen, denn der unwahrscheinliche Fall war mit dem Zug plötzlich sehr viel wahrscheinlicher als alle anderen geworden.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 31.07.2017.