Es ist schon eine Weile her, dass Melanie Weisner – die zweitletzte Frau im diesjährigen WSOP-Main-Event – für ein Pokerturnier nach Europa kam. Ihr Leben spielt sich nun in ihrer Wahlheimat Los Angeles ab, sie reiste aber letzte Woche nach London, um dort als 888-Ambassador zu spielen.
Melanie Weisner ist aber nicht nur Pokerspielerin, sie ist außerdem Sängerin, Regisseurin und verrückt nach Essen. Unser Kollege Dirk Oetzmann hat sie beim 888poker Festival in London getroffen und ein interessantes interview geführt.
PokerListings: Wenn man sich deinen Twitter-Account anschaut, scheint es, als ob du hier den einen oder anderen Michelin-Stern suchst.
Melanie Weisner: Ja genau, ich besessen von gutem Essen. Ich verbinde das Pokern damit, dass ich weltweit die besten Restaurants besuche. Ich habe eine Zeit lang in London gelebt und konnte dort glücklicherweise tolle Locations genießen.
PokerListings: Hast du einen Food-Blog oder Ähnliches?
Melanie Weisner: Weißt du, eigentlich nicht, ich spiele aber schon seit langer Zeit mit der Idee und ich verspreche, es dieses Jahr zu tun.
PokerListings: Hat sich dein Fokus im Leben verändert, seit du 2014 nach Los Angeles gezogen bist?
Melanie Weisner: Ich würde schon sagen, dass Poker immer noch mein Beruf ist. Das Schöne am Poker ist, dass es einem erlaubt, auch anderen Leidenschaften zu frönen und ich nutze das voll aus.
Gerade im Moment passiert in meinem Leben sehr viel. Ich komme aus einer Familie mit vielen Künstlern und es gibt diese kreative Seite in mir. Ich lebe sie als Regisseurin aus.
PokerListings: Was ist momentan dein künstlerisches Projekt?
Melanie Weisner: Ich führe Regie beim Pop-Up Theater LA. Das Stück heißt "Becky Shaw" und wurde von der mit dem Pulitzerpreis nominierten Gina Gionfriddo geschrieben. Das ist große Kunst und macht Spaß.
PokerListings: Bist du am Pokertisch eine Schauspielerin?
Melanie Weisner: Ja. Ich benutze definitiv meine psychologischen Fähigkeiten. Gerade beim Live-Poker ist das wichtig. Es kommt nicht nur darauf an, die anderen Leute zu lesen, man muss auch schauspielern, um Gegner dahingehend zu manipulieren, das zu tun, was man will.
PokerListings: Letzte Nacht haben wir dich aus Goethes "Erlkönig" zitieren hören - auf Deutsch. Warum kannst du die Sprache?
Melanie Weisner: Ich hatte Deutsch als Schulfach. Man konnte zwischen verschiedenen Sprachen wählen aber bei Deutsch konnte man eine Riesen-Tafel Toblerone gewinnen. Deswegen habe ich es genommen. Der "Erlkönig" war Teil eines Projekts und geht mir seitdem ständig im Kopf herum.
PokerListings: Hast du auch deutsche Wurzeln?
Melanie Weisner: Meine Vorfahren kommen zur Hälfte aus Polen - und aus Russland und Österreich. Das hat viel mit deutscher Sprache zu tun. Viele denken, der Name Weisner ist Deutsch, eigentlich kommt er aber aus Österreich.
PokerListings: Du warst die zweitletzte Frau im WSOP-Main-Event. Erkennst du diesen Titel an oder denkst du, das ist eine Kategorie, die eher nicht existieren sollte?
Melanie Weisner: Ich würde sagen keines von beiden. Die Wahrheit ist, dass Poker eine Männerdomäne ist und die Frauen nur einen kleinen Teil der Spieler ausmachen.
Ich denke aber, dass es nett ist, diese Kategorie zu haben, weil man so die Frauen in ihrer Gesamtheit repräsentiert. Man kann so schlaue Frauen motivieren, beim Poker einzusteigen. Es wäre natürlich besser gewesen, die letzte Frau im Turnier zu sein.
Seit ich 20 Jahre alt bin, spiele ich professionell Poker und ich finde, es geht dabei ja darum, Gelegenheiten auszunutzen. Ich hatte beim Main Event einen Stack, mit dem ich arbeiten konnte und bin damit so weit gekommen, wie es als Spieler mit meinen Fähigkeiten eben ging.
Natürlich gibt es eine Art 'feministischen Druck', der einfach daher kommt, dass man übermäßig viel Aufmerksamkeit bekommt, wenn nur noch zwei Frauen dabei sind. (Anm. der Red.: Die andere Frau war Gaelle Baumann auf Platz 102 für $49.108, Weisner wurde 127., ebenfalls für $49.108)
Es ist aber offensichtlich, dass man in einer solchen Situation die Aufmerksamkeit hat und ich hätte es mir in dem Jahr, als Gaelle Baumann kurz vor dem Finale rausflog, so gewünscht, dass sie am Ende dabei gewesen wäre.
Das ist lange nicht mehr passiert, zuletzt war es Barbara Enright. Das war baer vor Urzeiten und damals waren die Spielerfelder viel kleiner.
PokerListings: Du würdest also sagen, dass der Titel "Last Woman Standing" eine Anerkennung ist?
Melanie Weisner: Ich verstehe die Argumente. Ich verstehe, dass es anerkennend gemeint ist, ich verstehe aber auch, dass man es falsch auffassen kann und es als herablassend werten kann. Es ist dann eher so nach dem Motto "Letzte nicht-reale Person", weißt du.
Ich glaube aber nicht, dass es so gemeint ist. Es geht darum, eine kleine Minderheit im Feld zu feiern und die Frauen zu ermutigen, mehr Poker zu spielen. Ich denke nicht, dass es nur gönnerhaft zu verstehen ist.
Man kann im Grunde dieselben Argumente bei den Ladies Events vorbringen. Ich persönlich mag sie nicht, das liegt aber eher daran, weil ich da schnell auf Tilt komme. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber etwas bei dieser Frau-Frau-Konstellation bringt mich meistens auf die Palme.
PokerListings: Du spielst also besser in einer Männerrunde?
Melanie Weisner: Du weißt, dass es so ist. Es liegt vielleicht daran, dass ich schon eine erfolgreiche Online-Pokerspielerin war, als ich die Live-Arena betrat. Ich musste nicht mit denselben Sachen klarkommen, mit denen Frauen heutzutage beim Live Poker konfrontiert werden.
Ich war schon erfolgreich und hatte mir ein dickes Fell zugelegt. Natürlich hatte ich immer noch Druck, mich im Live Poker zu etablieren und ich verstehe, dass Poker eher ein Spiel der Männer ist.
Es geht aber letztlich immer um Respekt. Wenn jeder den anderen einfach nur wie ein menschliches Wesen behandelt, gibt es keine Probleme.
PokerListings: Auch andere Personengruppen haben mit Vorurteilen zu kämpfen. So werden die älteren Spieler meist als 'Nits" gesehen.
Melanie Weisner: Natürlich. Und dann muss man sich selber fragen, wie politisch korrekt man sein will. Als Pokerspieler ist es Teil des Jobs, in Stereotypen zu denken, man muss ständig Leute einschätzen und beurteilen.
Manchmal können einem Stereotypen wertvolle Information geben und man tut gut daran, diese nicht zu ignorieren. Es gibt sie eben und gute Spieler werden sie bei ihrer Entscheidungsfindung beachten, sie werden aber auch immer die konkreten Erfahrungen an Tisch mit einfließen lassen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 23.10.2016.