Der Belgier Kenny Hallert ist gelernter Elektriker, aber inzwischen ein erfolgreicher Poker-Profi und der Europäer mit den meisten Chips am Finaltisch dieses WSOP-Main-Events. Unsere Kollege Nicolas Christiaens von fr.PokerListings hat den November-Niner zum Interview getroffen.
Hier gibt es das Interview in Übersetzung:
Kelly, zunächst: Herzlichen Glückwunsch! Wie fing das bei dir mit dem Pokerspiel an?
Danke. Es war Ende 2004. Ich hab damals dann und wann fünf Euro auf meinen Lieblingsclub, den FC Brügge, gesetzt. Das war auf Unibet und irgendwann sah ich Werbung für Poker auf deren Seite. Ich hatte keine Ahnung von dem Spiel, aber nachdem ich mir die Regeln durchgelesen hatte, war ich sofort verliebt.
Ich hab um kleinste Beträge gespielt, so wie es ein Fisch eben macht. Irgendwann habe ich mich im Internet belesen und ein paar Bücher gekauft. Anfang 2005 machte ich eine Spielpause und lernte erst einmal die Strategie mit den Büchern. Danach zahlte ich 50 Euro ein und meine Bankroll begann zu wachsen.
Auch jetzt noch verbringe ich viel Zeit damit, Poker zu lernen. So wie jeder Fahrradfahrer oder Fußballspieler muss ich viel trainieren. Es geht nicht nur um das Rennen oder darum, das Spiel zu spielen – man muss sich diese Zeit nehmen, um voran zu kommen.
Was hast du ursprünglich gelernt?
Ich bin ausgebildeter Elektriker und habe in einer Fabrik, sieben Kilometer von meinem Zuhause entfernt, gearbeitet.
Damit hörte ich erst 2008 auf als mir die Casinos in Namur und Spa einen Job im Pokerbereich anboten. Die kannten mich seit 2005, also seitdem ich dort anfing zu spielen und brauchten jemanden, der ihren Pokerroom bewirbt. Ein Jahr danach wurde ich Turnierdirektor.
Inzwischen organisiere ich im Namur und Spa die Belgischen Pokermeisterschaften – die größten Pokerevents im Land.
Deine ersten Online-Einzahlungen hattest du vorgenommen, als du bei deinen Eltern ausgezogen bist?
Ja, am Anfang habe ich nur mit Kleingeld gespielt, nur zum Spaß. Ich hatte einen Job und investierte lieber 10 oder 20 Euro in Pokerspiel, als dass ich Samstags in einem Club abhing. So gab es keinen Kater am Tag danach und manchmal hatte ich sogar Gewinn gemacht.
Nachdem ich ein wenig über das Spiel gelernt hatte, wurde es ein wenig ernsthafter.
Wann wurde es so richtig ernsthaft?
Für mich ist Pokerspielen bis heute eigentlich ein Hobby. Natürlich verbringe ich sehr viel Zeit damit, es zu trainieren und zu spielen, aber hauptsächlich bin ich ein Turnierdirektor.
Um auf die Frage einzugehen: Alles beschleunigte sich ein wenig, nachdem ich im Januar 2009 auf PokerStars das $215-Sunday-Warm-Up und etwas mehr als 107.000 Dollar gewann.
Da wuchs meine Bankroll sehr plötzlich sehr beträchtlich und bis heute ist das mein bestes Online-Ergebnis. Ich war mir darüber im klaren, dass ich keinesfalls der beste Spieler der Welt war, aber ich wusste dann: Wenn ich mich 100-prozentig konzentriere und ein wenig Glück habe, kann ich gut über die Runden kommen.
Also so wie im Main-Event 2016...
Ja. Aber ich weiß, dass ich nicht zu den neun besten Spielern in diesem Turnier gehören. Ich hatte einen guten Lauf und schaffte es, mich während des gesamten Turniers zu konzentrieren.
2008 hast du im Namur-Casino ein Heads-Up gegen Pierre Neuville gespielt, um ein Vegas-Paket zu gewinnen...
Ja, das stimmt. Das war eine Woche bevor ich mit der Arbeit für das Casino anfing und es war im Januar 2008 mein letztes Turnier dort.
Es war gutes Angebot. Das Paket war 15.000 Euro wert, umfasste das Buyin für das Main-Event, den Flug und das Hotel. 19 Spieler zahlten das Buyin von 1000 Euro, unter anderem Pierre Neuville. Der wurde Zweiter und gewann 4000 Euro. Ich hatte großes Glück, ihn zu schlagen und erstmals die Chance, Las Vegas kennen zu lernen.
Ich war dann drei Wochen dort und spielte auch ein paar andere Turniere. Das Main-Event war natürlich ein Traum und seitdem habe ich keines mehr ausgelassen.
Pierre Neuville hat uns erzählt, dass Vegas eine Menge kostet und dass man Zeit braucht, um Ergebnisse zu erzielen.
Auch das stimmt. Man muss sich an die Amerikaner anpassen und es hat bei mir ein wenig Zeit gedauert, bis ich Ergebnisse bei der WSOP erzielen konnte.
Aber ich liebe Las Vegas. Letztes Jahr hatte ich es geschafft beim Colossus (22.374 Entries bei einem Buyin von 565 Dollar), den Finaltisch zu erreichen. Das war eine unglaubliche Erfahrung und danach wurde ich 123. im Main-Event. Das allein war für mich schon eine besondere Leistung. Ich hätte nie gedacht, dass ich es nochmals bis an Tag fünf dieses Turniers schaffen könnte.
Meinst du, diese beiden Ergebnisse haben dir in diesem Jahr geholfen?
Auf jeden Fall. Ich hatte dadurch Erfahrung im Spiel mit riesigen Teilnehmerzahlen gewonnen. Und natürlich hatte ich eine Menge Selbstvertrauen. Ich wusste bereits, dass es im Main-Event gut laufen kann. Aber natürlich braucht man immer noch gute Karten dafür.
Jeden Tag war ich auf's neue sehr erleichtert, dass ich vergleichsweise einfache Tische bekam. Ich wurde nie vor schweren Entscheidungen um meinen gesamten Stack gestellt und beim Showdown hatte ich irgendwie fast immer die bessere Hand.
Wenn ich Damen hatte, hatte der andere Typ Buben oder Ass-König. Es lief einfach alles von Anfang bis zum Ende wie am Schnürchen.
Aber Konzentration ist immer noch wichtig?
Natürlich. Es lange Tage und man spielt sieben Tage am Stück jeweils zehn Stunden. Man muss die Pausen mit einrechnen und schafft es nie vor 2:00 Uhr nachts nach Hause. Man wird müder und müder und jeder Fehler, den man macht, könnte der letzte sein.
In diesen sieben Tagen habe ich zwei kleine Fehler gemacht. An Tag fünf habe ich einmal viel zu viel geraist, weil ich mich bei meinen Chips vergriffen hatte. Und am Ende von Tag sechs wollte ich auf dem Flop erhöhen, aber vor mir hatte bereits jemand geraist, was ich einfach nicht mitbekommen hatte. Diese beiden Fehler hätte für mich sehr teuer sein können, aber glücklicherweise gewann ich beide Hände.
Wovon träumst du mir – dem Weltmeister-Titel oder den 8 Millionen Dollar?
Definitiv der Titel! Klar, das Geld ist auch wichtig, aber keine Geldmenge kann den Titel aufwiegen.
Also spielst du nur um den Titel? Was, wenn ich dir jetzt den zweiten Platz anbieten könnte?
Okay, wo muss ich unterschreiben? Zweiter werden, wäre fantastisch. Ich lebe doch schon den Traum und egal was noch passiert, das ist alles nur Bonus. Selbst ein neunter Platz wäre nicht zu enttäuschend, solange ich keinen riesigen Fehler mache. Natürlich will ich gewinnen, aber das wollen die anderen acht Spieler auch. Ein zweiter Platz würde mich sehr glücklich machen.
Wurde in Clubs abgefeiert, nachdem du dich für die November-Nine qualifiziert hattest?
Um Gottes Willen. Ich war viel zu müde und am nächsten Tag musste ich Mittags im Rio sein, denn da wurden Interviews gemacht und es gab ein Briefing für die Finalisten. Aber wir hatten ein Bier im Casino.
Als ich aus Vegas zurück kam gab es ein paar Drinks mit Freunden, aber keine große Party. Für mich ist das Turnier noch nicht abgeschlossen. Im November gibt es eine richtige Party.
Seit dem letzten Jahr hast du 20 Kilogramm abgenommen – war das deiner Performance zuträglich?
Ja natürlich. Ich bin weniger müde und fühle mich physisch besser. Letztes Jahr war ich an Tag fünf unglaublich müde. Ich habe unglaublichen Respekt vor Pierre Neuville, der sieben Tage gespielt hatte, bis er mit 72 Jahren November-Niner wurde. Er macht auch sehr viel Sport und ich sehe ihn häufig schwimmen. Er beweist, dass eine gute Physis beim Poker sehr hilfreich ist.
Am Tisch ist deine Position für das Finale durchaus vorteilhaft, oder?
Ich bin sehr zufrieden. Rechts neben mir sitzen Vayo, Ruane und Josephy, Nguyen mir gegenüber. Das ist perfekt. Wong sitzt links von mir und hat nur einen kleinen Stack. Aber er hat immer noch 20 Blinds und kann ins Spiel zurückkommen. Allzu schnell sollte er nicht im Push-Modus sein.
Gibt es einen Favoriten?
Cliff Jospehy. Er hat die meisten Chips und er ist ein fantastischer Spieler. Gordon Vayo gehört ebenfalls zu den Favoriten, aber jeder dort kann Poker spielen. Wenn Wong einmal oder zweimal verdoppelt, ist auch mit ihm zu rechnen.
Weißt du schon, wie du dich auf das Finale vorbereiten wirst?
Ich mache jetzt erst einmal vier Tage Urlaub, denn der war schon vor der WSOP geplant.
Danach werde ich vermutlich Pierre Neuville (Siebter 2015) und Jorryt van Hoof (Dritter 2014) kontaktieren. Beide haben Erfahrungen mit den November-Nine und können wir sicherlich gute Ratschläge geben.
Ich werde mich auch nach guten Coaches umsehen. Einige Spieler können mir auf jeden Fall helfen, insbesondere wenn sie Zugriff auf meine Online-Sessions haben. Ich muss schauen, wie ich es mache. Ich will auf jeden Fall so gut vorbereitet wie möglich sein, um nicht am Ende meine mangelnde Vorbereitung zu bereuen.
Ich weiß noch nicht welche Turniere ich bis dahin Spieler. In Barcelona (EPT Ende August) werde ich nur ein paar Side-Events spielen, denn Anfang September organisiere ich ein Turnier in Blankenberge.
Zum Abschluss: hast du einen guten Ratschlag für junge Pokerspieler?
Geduld und Bankroll-Management sind die Grundpfeiler. Und man muss genauso viel Zeit mit dem Trainieren wie mit dem Spielen verbringen. Es geht nicht nur ums Zocken.
Wenn du spielst, macht das, was dir Spaß macht: Cash, Turniere, live oder online. Online lernt man natürlich mehr, denn man kann mehrere Hände parallel spielen und das auch noch (fast) kostenlos.
» Kenny Hallaert Interview auf fr.pokerlistings.com
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.08.2016.