Das System um die Wertung für den Spieler des Jahres zu berechnen, müsse sich ändern, erklärte der kanadische Poker-Profi Daniel Negreanu, ansonsten würde er nicht mehr spielen. In unserem Interview erklärte Negreanu außerdem, was er von PokerShares.com und Twitch hält und konkretisiert, was er damals meinte als er höhere Rake als vorteilhaft für schwächere Spieler verkaufte.
In der 25. Etage des Arts-Hotels direkt neben dem Casino Barcelona ist eine Suite. In dieser entspannt sich Daniel Negreanu zwischen den Highroller-Events bei der PSC Barcelona. Bei einem fantastischen Ausblick über die Stadt traf sich unser Kollege Dirk Oetzmann von unserer Schwesterseite PokerListings.com mit dem Kanadier und sprach mit ihm über die WSOP, die POY-Wertung und Rake beim Poker.
PokerListings: In deinem letzten Vlog sprachst du von vielen Dingen, die eigentlich keine richtige Bedeutung haben. Bedeutet dir der Pokal für den besten Spieler bei der WSOP etwas?
Daniel Negreanu: Was ich meinte ist, dass wir in der Pokergemeinschaft selbst entscheiden, was bedeutsam ist und was nicht. Ich glaube der Pokal für den Spieler des Jahres ist mit sehr viel Prestige verbunden, denn man muss einen sehr guten Lauf haben und nur sehr wenige Spieler haben überhaupt eine Chance, diesen Pokal zu gewinnen.
PL: Ist es da traurig, dass Chris Ferguson derzeit in dieser Wertung führt? Hätte Jack Effel, Direktor der WSOP, hier eventuell etwas tun sollen?
DN: Das, was man hätte tun müssen, hat nichts mit Chris Ferguson zu tun. Wer auch immer gewinnt, gewinnt. Aber er hatte sicherlich nicht die besten Ergebnisse. Tatsächlich hat er gar nicht so gut abgeschnitten. Dieses Punkte-System der WSOP ist völlig unausgeglichen. Es legt einen viel zu großen Fokus auf die Spielerzahlen, nicht jedoch auf das Buyin und die Qualität der Mitspieler. Die 10.000 Dollar teuren Championship-Events finden eine viel zu niedrige Beachtung. Nach der Hälfte der WSOP hat mich diese Wertung nicht mehr interessiert. Obwohl dies meine beste World Series aller Zeiten ist, bin ich nur gerade so in den Top-10.
Dieses System ist so sehr auf den ROI fixiert, dass man problemlos ein Verlierer sein kann und trotzdem den Titel gewinnt. Ein Min-Cash in einem Turnier mit einem niedrigen Buyin gibt der in etwa die gleichen Punkte wie ein zwölfter Platz in einem $10k-Event, wo man gegen die besten Spieler der Welt antritt. Zukünftig muss das System verbessert werden, zumindest wieder so, wie es früher war, oder ich spiele nicht mehr.
Die WSOP würde auch viele andere Spieler verlieren, den viele spielen vor allem wegen des Titels des Spielers des Jahres. Dieser Titel ist der Hauptgrund, warum ich die WSOP spiele. Ich würde vielleicht noch das $50k spielen und das Main-Event, aber ich grinde nicht all die anderen Turniere für nichts. Ich will nicht mit einem System spielen, wo ich gezwungen bin, das $565-PLO zu spielen. Einige Leute sagen, dies sollte ein Titel für jedermann sein, aber was zur Hölle. Nicht alles muss für jeden sein. Es gibt genug Turniere für diesen Jedermann, etwa das Colossus und viele andere. Ist es denn so falsch, einen Titel zu haben, der darauf beruht, dass man viele Turniere und viele teure Turniere spielt? Ich denke nicht, dass das ein böser Gedanke ist. Es klingt vielleicht elitär, aber eigentlich ist es das nicht.
PL: In deinem Vlog erwähnst du einige Dinge, die gut für Poker sind. Was hältst du von Twitch?
DN: Das ist auf jeden Fall gut für Poker. Wir haben mit Jeff Gross, Jason Somerville, Lex Veldhuis und Jamie Staples ein gutes Twitch-Team und die leisten hervorragende Arbeit. Ich persönlich konzentriere mich mehr auf YouTube. Wenn Power Up rauskommt, ist es sehr wahrscheinlich, dass ich auf Twitch streame, denn mir machte dieses Spiel wirklich viel Spaß.
PL: Pokershares.com – ist das gut für Poker?
DN: Das ist kontrovers. Viele Profis denken, es ist schlecht für Poker. Ich hingegen halte es für fantastisch. Ja, der Markt wird damit unterboten, aber gleichzeitig wird er auch korrigiert. Wenn Leute zu teuer verkaufen, bekommt man dort bessere Quoten. Aus Perspektive eines Fans ist es großartig. Schau dir einfach einmal die NFL an. Diese ist so beliebt, weil die Leute darauf wetten können. Sie schauen bis zum Ende, weil sie Geld darauf gesetzt haben.
PL: Und zum Abschluss: Die NBC-Heads-Up-Championship – ist diese gut für Poker?
DN: Die ist irgendwo so zwischendrin. Sie sogar einfach schlecht für Poker, aber ich denke, Heads-Up ist für Zuschauer nicht das beste Format. Dieses Turnier hatte seine Zeit und es war gut, dass es auf NBC lief. So erreichte es viel mehr Zuschauer als andere Shows.
PL: Die Leute nehmen daran Anstoß, dass du jetzt sagst, weniger Rake wäre immer besser gewesen. Als PokerStars damals das Rake-System geändert hatte, hast du die Erhöhung jedoch verteidigt. Wie geht das zusammen?
DN: Für mich ist das eine äußerst frustrierende Sache. Da wurde etwas aus dem Zusammenhang gerissen, aus einem 30-minütigen Vlog in dem ich in erster Linie über Rewards gesprochen hatte. Ich hatte einen Blog-Beitrag darüber geschrieben und es ausführlich erklärt. Das war schlüssig und überhaupt nicht kontrovers.
Im Grunde gibt es Situationen, in denen ein Spieler unter Umständen eine größere Chance auf Erfolg in einem Spiel mit hoher Rake hat, als in einem Spiel mit niedriger Rake, in dem er jedoch nur gegen Profis antritt. Ich habe erlebt, wie dies passiert ist. Ich habe einen Typen in einem Spiel mit niedriger Rake gegen Profis spielen sehen und er wurde förmlich zerstört. Dann zog er an einen anderen Ort, wo die Rake so hoch war, dass die Profis dort nicht mehr spielten, weil sie die Spiele nicht schlagen konnten. Der Typ verlor zwar immer noch, aber auf einmal sehr viel langsamer.
Was ich meinte war, wenn man es aus Perspektive der Verlustrate betrachtet, hat ein schlechter Spieler zwei Feinde: Die Rake und die Profis. Wenn die Rake die Profis als Hindernis ausschaltet, bedeutet dies, dass das Geld etwas länger in den Taschen des schlechten Spielers bleibt.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 28.08.2017.