Interaktive Pokerstrategie gibt es bei unserem Pokerbrainstorm und in der aktuellen Reihe schauen wir uns eine problematisch werdende Hand mit Damen an. Das Spiel vor dem Flop und auf dem Flop haben wir schon gemeistert, doch der Turn zwingt uns eine harte Entscheidung auf.
Probleme mit Damen
Wir spielen ein sehr niedriges Limit, nämlich online $0,05 / $0,10 No-Limit-Hold'em auf einem Fast-Fold-Tisch. Das heißt wir haben auf unsere Gegner keine richtigen Reads, können aber davon ausgehen, dass sie nicht sonderlich beeindruckend spielen.
Wir haben die relevanten Spieler Hero (wir) und Villain (Gegner) genannt und wissen von unserem Gegner nur, dass er bislang ein paar mal an unseren Tisch gedealt wurde, dort aber nie irgendwie auffiel.
So stellt sich die Hand bislang dar:
- MP, Hero: $12,31 ( )
- CO: $10,71
- BU: $10,00
- SB, Villain: $15,19
- BB: $11,04
MP (Hero) raist auf $0,30, CO und Button foldet, SB (Villain) raist auf $1,05, BB foldet, MP (Hero) ... ?
Drittbeste Hand und wir bekommen Action. Wie machen wir weiter?
Auflösung Preflop
Schauen wir uns zunächst an, was unsere Leser hier so machen wollten:
Fold | 1,6% |
Call | 57,2% |
Raise auf $2 | 11,4% |
Raise auf $3 | 29,8% |
„Call“ ist der Favorit, aber ist diese Option am Ende tatsächlich die beste?
Let there be Range
Schauen wir uns zunächst die Range unseres Gegners im Small Blind an.
Anstatt unseren Gegner auf eine konkrete Hand zu setzen, geben wir ihm eine Range – das heißt wir nehmen an, dass er mit gewissen Händen preflop gegen uns reraist. Wie genau das mit den Ranges funktioniert gibt es hier erklärt: » Gegner auf Hände setzten: » Ranges beim Poker.
Wir haben keine Informationen über sein Spiel, also müssen wir hier ein wenig mutmaßen. Immerhin wissen wir, dass der Spieler bislang noch nicht durch irgendwelche verrückten Züge aufgefallen ist, wir machen also wenig falsch, wenn wir annehmen, dass er hier nur mit zumindest halbwegs soliden Händen reraisen wird.
Ferner ist das Spiel auf diesen Limits vergleichsweise tight und geradeaus, also sollten wir hier nicht mit wilden 3-Bets mit heißer Luft rechnen.
Ansatz 1 – Super-Tight
Nehmen wir erst einmal an, unser ist richtig tight und zurückhaltend und erhöht nur mit den Top-5 Prozent aller Hände. Das sind Zehnen und besser (TT+) und Ass-König, sowie Ass-Dame (AQ+).
Auf den niedrigen Limits macht man wenig falsch, wenn man unbekannten Spielern zunächst eine sehr tighte Range gibt, wenn sie 3-Bets auspacken, denn die meisten Spieler auf diesen Limits sind zu unerfahren oder zu ängstlich, mit spekulativeren Händen große Beträge zu setzen. Deswegen ist hier zu empfehlen, von der 5%-Range auszugehen.
Ansatz 2 – Etwas kesser
Sicherheitshalber wollen wir uns im Verlaufe der Hand jedoch auch anschauen, ob sich die Betrachtung ändert, wenn unser Gegner etwas aggressiver zu werke geht. Dafür geben wir ihm eine Re-Raise-Range von 9 Prozent und diese sieht so aus:
Raise, Call oder Fold?
Wir haben bislang die möglichen Hände unseres Gegners auf die Top-5 oder Top-9 Prozent eingegrenzt. Nun schauen wir uns an, was das für unser weiteres Spiel bedeutet. Wir gehen wir mit dem Reraise um?
Streichen wir zunächst die Option Fold, dafür ist unsere Hand (immerhin die drittbeste vor dem Flop) schlicht viel zu stark.
Raise?
Wenn unsere Hand nun so stark ist, wie wäre es mit einem weiteren Raise? Immerhin sprachen sich rund 40% aller Leser dafür aus.
Ja, unsere Hand ist stark und unter gewissen Umständen wären wir sehr froh über weitere Raises, so dass wir preflop all-in sind. Diese Umstände sind unter anderem: Übersichtliche Stacks, ein sehr aggressiver Gegner, eine schlechte Position nach dem Flop.
Diese Umstände sind allerdings grade alle nicht gegeben. Wenn wir hier reraisen ist es sehr wahrscheinlich, dass unser (wahrscheinlich eher tighter) Gegner seine schlechteren Hände entsorgt und nur mit den besseren weiterspielt.
Wir wollen aber unbedingt sicherstellen, dass unser Gegner mit Buben, Zehnen, Ass-Dame oder schlechteren Händen weiterspielt. Außerdem wollen wir die Qualität unserer Hand nicht allzu offensichtlich telegrafieren – eine 4-Bet täte genau das.
Ein Reraise in dieser Situation ist ein typischer Anfängerfehler. Man sieht nur, dass man eine Premium-Hand hat und hämmert wie wild auf den Raise-Button. Sollte der Small Blind dann jedoch mit einer 5-Bet und einem All-In antworten wird das Gesicht lang. Denn spätestens dann sehen die Damen irgendwie doch nicht mehr so toll aus. Alternativ schafft man es mit dem Raise, dass der Small Blind seine Buben preflop wegwirft und hat hat so aus dieser eigentlich sehr profitablen Ausgangslage das Minimum raus geholt.
Nein, ein Raise ist nicht zu empfehlen!
Was spricht für einen Call?
Wir haben Raise und Fold bereist ausgeschlossen. Aber nicht nur das Ausschlussprinzip macht den Call zur besten Option.
Wir haben nach dem Flop Position auf unseren Gegner, im Pot liegen $2,20 bei effektiven Stacks von $11,20 und wir können ganz entspannt weiter spielen.
Im Moment haben wir gegen Range 1 (top 5%, super tight) eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 55% und gegen Range 2 (9%, etwas kess) ganze 64%. Schauen wir uns also den Flop an!
Spiel auf dem Flop
Flop ($2,20 im Pot):
SB (Villain) setzt $1,40, MP (Hero) … ?
Kein König, kein Ass, lauter Luschen – das ist doch unser Flop! Wir spielen wir weiter?
Auflösung Flop
Schauen wir wieder auf die Stimmen unserer Leser:
Fold | 0,8% |
Call | 70,0% |
Raise auf $2,80 | 9,2% |
Raise auf $4,20 | 13,8% |
Raise all-in | 6,2% |
Noch deutlicher als vor dem Flop spricht sich die Mehrheit hier für einen Call aus. Ist dieser Zug valide?
Was hat unser Gegner?
Stellen wir uns zunächst eine einfache Frage: Welche Hand hält unser Gegner?
Mit dem Wissen, was unser Gegner spielt, entscheidet es sich wesentlich leichter, wie wir zu spielen haben. Nun mag man einwenden, dass wir gar nicht wissen können, was unser Gegner so hält. Und ja, ganz konkret und genau wissen wir es nicht. Aber wir hatten uns schon im Abschnitt Preflop umfangreiche Gedanken gemacht, welche möglichen Hände unser Gegner spielt und müssen jetzt nur diese Überlegungen fortführen.
Wir hatten vermutet, dass unser Gegner preflop mit den Top-5% seiner Hände reraist und wir machen wenig falsch, wenn wir annehmen, dass er mit all diesen Händen eine Bet auf dem Flop folgen lässt. Seine Range ist in diesem Fall weiterhin Zehnen und besser (TT+) und Ass-König, sowie Ass-Dame (AQ+).
Was bedeutet das auf diesem Flop?
Zählen wir einfach mal die Kombinationen, die unser Gegner mit seiner Range auf diesem Flop haben kann:
Hand | Kombinationen | Anteil |
Besseres Paar als wir (KK, AA) | 12 | 24,5% |
Das gleiche Paar (QQ) | 1 | 2,0% |
Schlechteres Paar als wir (TT, JJ) | 12 | 24,5% |
Flush-Draw (Ah Kh) | 1 | 2,0% |
Overcards (AK, AQ) | 23 | 46,9% |
Summe | 49 | 100,0% |
Grob gesagt: In der rund Hälfte der Fälle hat unser Gegner Ass-König oder Ass-Dame und nur drei oder sechs Outs, in einem Viertel der Fälle hat unser Gegner ein besseres Paar und in einem weiteren Viertel ein schlechteres. Den Flush-Draw können wir zunächst vernachlässigen, da dieser nur genau eine von den 49 möglichen Kombinationen ausmacht.
Damit wissen wir hinreichend genau, was unser Gegner so hält und können eine informierte Entscheidung über unser Flop-Spiel treffen.
Fold, Call oder Raise?
Die Option Fold scheidet aus. Wir sind zu 75% vorne und haben Position – natürlich spielen wir weiter!
Tatsächlich befinden wir uns in einer sogenannten Way-Ahead-Way-Behind-Situation (meilenweit vorne oder meilenweit hinten). Entweder hat unser Gegner ein besseres Paar und wir haben zwei Outs oder unser Gegner hat ein schlechteres Paar oder Overcards und damit zwei bis sechs Outs.
Eine solche Situation verlangt in den meisten Fällen nach einem Call. Um das einzusehen, schauen wir uns an, was passiert, wenn wir erhöhen.
Das wahrscheinlichste Szenario nach einem Raise ist, dass unser Gegner seine nackten Overcards entsorgt und mit seinen schlechten Paaren (Buben und Zehnen) ebenfalls zähneknirschend passen wird. Nie im Leben jedoch wird unser Gegner Könige oder Asse entsorgen – nicht nach einer 3-Bet vor dem Flop, Stacks von nur 120 Big Blinds, einem Stack-zu-Pot-Verhältnis von 5 und einem augenscheinlich so Draw-lastigem Board. Niemand reraist Asse, um sie auf einem 8-hoch-Flop gegen die erste Aggression zu passen.
Deswegen gilt in dieser, wie in den meisten anderen Way-Ahead-Way-Behind-Situationen: Ein Call ist viel besser als ein Raise, insbesondere wenn man selbst Position hat.
Und wenn unser Gegner aggressiver ist?
Ändert sich die Betrachtung, wenn unser Gegner eine etwas weitere Range spielt? Wir hatten bei den Preflop-Überlegungen auch eine etwas kessere Top-9%-Range für unseren Gegner in Erwägung gezogen (falls er preflop aggressiver sein sollte). Schauen wir uns auch für diese Range einmal an, was er damit so auf dem Flop getroffen haben könnte:
Hand | Kombinationen | Anteil |
Set (88) | 2 | 2,2% |
Besseres Paar als wir (KK, AA) | 12 | 13,5% |
Das gleiche Paar (QQ) | 1 | 1,1% |
Schlechteres Paar als wir (99, TT, JJ) | 18 | 20,2% |
Flush-Draw | 5 | 5,6% |
Overcard(s) | 49 | 55,1% |
Undercards (QJs) | 2 | 2,2% |
Summe | 89 | 100,0% |
Auch hier gehen wir davon aus, dass unser Gegner mit jeder Kombination erst einmal eine Salve auf dem Flop abfeuert. Unsere Situation ist hier prinzipiell noch besser als gegen einen tighten Gegner: Wir liegen nur noch in rund 16% aller Fälle hinten (gegen ein Set oder Könige oder Asse) und unser Gegner hat in mehr als 77% aller Fälle zwischen 0 (im Fall von Dame-Bube) und 6 Outs (Ass-König). In rund 6% hat unser Gegner einen Flush-Draw und mindestens 9 Outs.
Gegen diese Range ist die Spielentscheidung nicht ganz so offensichtlich. Ein Spieler, der etwas aggressiver reraist, könnte gewillt sein, auf diesem Flop mit Buben oder Zehnen seinen Stack wegzustellen und er kann viel eher einen Flush-Draw haben als der zuvor angenommene tighte Gegenspieler. Die weitere Range unseres Gegners macht unsere Entscheidung in diesem Fall schwieriger, denn nun spricht mehr für einen Raise unsererseits.
Wir sind aber auch hier in den meisten Fällen entweder meilenweit vorne oder meilenweit hinten und müssen keine Angst vor dem Turn haben. Deswegen ist auch gegen den kesseren Gegenspieler ein Call die bessere Option.
Also Call und auf zum Turn:
Board:
Turn ($5 im Pot):
SB (Villain) setzt $2,75, MP (Hero) … ?
Unser Gegner macht ernst und zwingt uns Entscheidungen – potentiell um unseren gesamten Stack – auf. Machen wir mit?
Jetzt lassen erst einmal euch entscheiden, was zu tun ist, in ein paar Tagen geben wir unsere Meinung zu der Hand ab und dann spielen wir weiter. Habt ihr Anmerkungen zu dem Spiel oder der Situation, gebt bitte einen Kommentar ab!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 25.01.2017.
Autor: Arved Klöhn.