Sympathisch wie eh und je präsentiert sich Phil Galfond in seinem neuesten Blog, der die Pokergemeinde über seine Anfänge als Pokerspieler aufklärt. In unserer dreiteiligen Serie bringen wir diesen leicht gekürzt in deutscher Übersetzung, nach Teil 1 von gestern folgt hier der zweite Teil, in dem es erstmals richtig rund geht.
Die große Entscheidung
Als ich 21 wurde, traf ich eine Entscheidung. Ich ließ die erste Woche an der Uni ausfallen und buchte eine Reise nach Tunica, um an einem WPT-Turnier mit 10.000 Dollar Buy-In und einem WSOP-Circuit-Turnier mit 10.000 Dollar Buy-In teilzunehmen. Da meine Bankroll zu diesem Zeitpunkt etwa 100.000 Dollar betrug, war diese Entscheidung nicht sonderlich klug, aber ich war richtig heiß darauf. Ich wollte gegen Spieler antreten, die ich aus dem Fernsehen kannte, und mit einem Sieg vielleicht selbst ins Fernsehen kommen.
Einer meiner Pokerkumpel aus Madison kam zur Unterstützung mit, außerdem wollte er Cashgame spielen. Es gab eine Menge Satellites, an denen wir teilnahmen und uns gegen schwache Konkurrenz locker qualifizierten.
Beim WPT-Turnier schied ich früh aus, bereute aber nichts. Für mich war es eine tolle Erfahrung und das WSOP-Circuit-Turnier war sogar noch besser.
Ich hielt mich und schaffte es, mir einen Stack aufzubauen. Am ersten Tag saß ich mit Todd Brunson am Tisch, spielte also mit jemandem, den ich aus dem Fernsehen kannte! Todd sah die meiste Zeit unglücklich aus, wie jemand, der gar nicht hier sein wollte. Ich war damals schockiert und empört (heute verstehe ich es, Todd). Wie konnte jemand seinen Traum ausleben und ein Live-Turnier mit 10.000 Dollar Buy-In spielen, und so unglücklich sein? Das war so verrückt, dass ich es nicht verstehen konnte. Ich beschloss damals, dass ich das ganze Jahr SNGs grinden würde, um so viele Turniere dieser Art wie möglich spielen zu können.
Am zweiten Tag saß ich mit Daniel Negreanu am Tisch. Er war ganz anders, fühlte sich sichtlich wohl und unterhielt sich mit jedem. Er wurde in meine Nähe gesetzt und redete viel mit mir. Ich konnte es nicht glauben. Er ist ein berühmter Pokerstar und er redete wie ein normaler Mensch – mit einem normalen Menschen.
Ich baute meinen Stack weiter auf. Das ganze Erlebnis wurde immer besser.
An meinem ersten Tisch in diesem Turnier saß ich neben Bill Edler, der mir viel von meiner Angst nahm. Bis heute ist er vielleicht der netteste und freundlichste Mensch, mit dem ich je gespielt habe. Ich kannte ihn damals nicht (bevor er sich vorstellte) und er war auch keine Berühmtheit, doch ich bin ihm immer noch dankbar dafür, dass mein erstes WSOP-Turnier durch ihn eine so erfreuliche Angelegenheit wurde.
Das Turnier ging weiter und ich spielte einige Male mit Daniel an einem Tisch. Auch bei Bill landete ich wieder und es gab mehrere bekannte Gesichter, die meine zeitweiligen Freunde wurden. Ich fühlte mich immer wohler.
Leider erinnere ich mich an keine einzige Hand, aber ich kam ziemlich weit. Schließlich landete ich irgendwo im Bereich von Platz 22 (Anm.d.Ü.: Tatsächlich wurde er 18.) und kassierte dafür 22.000 Dollar. Damit hatte ich die gesamte Reise finanziert. Ich war zwar noch enttäuscht, dass ich den TV-Finaltisch und damit meinen Traum so knapp verpasst hatte, doch insgesamt war ich durchaus zufrieden. (Nach meinem Ausscheiden gewann ich noch 6.000 Dollar beim Blackjack, für das ich damals eine Schwäche hatte).
Ich fuhr nach Madison, um wieder zu meinen Professoren zu gehen und alles Versäumte nachzuholen. Es endete nach anderthalb Wochen. Ich schaute mir den Stundenplan an und überlegte mir, was ich brauchte. Ich fühlte mich überfordert und hatte keine Lust.Ich beschloss, ein Urlaubssemester zu nehmen, um Poker zu spielen und im Sommer weiter zu machen.
Gemischte Erinnerungen
Irgendwann in diesen Jahren fuhr ich nach Las Vegas, um mich mit anderen SNG-Profis von 2+2 zu treffen. Ich traf etliche Leute, darunter Raptor517, g0od2cu, theUsher, Apathy, and Daliman. Heute kennt man sie als Dave Benefield, Andrew Robl, Alan Sass, Peter Jetten und Daliman.
Im selben Zeitraum fuhr ich auch auf die Bahamas, um meine erste PCA zu spielen. Ich kam recht weit, landete aber nicht im Preisgeld. Ich hatte aber eine denkwürdige Erfahrung gemacht, die eine Erleuchtung war. Ich trug mit einem Spieler, der wegen der letzten Hand noch ärgerlich war, einen Pot aus. Vermutlich war er ausgesuckt worden, oder er war einfach nur ein ärgerlicher Mensch. Ich erinnere mich zwar nicht an den konkreten Verlauf der Hand, aber daran, dass ich mit einem geplatzten Flush Draw und Ass-hoch auf dem River landete.
Bloß nicht ärgern: Phil GalfondAls SNG-Spieler muss man nach dem Flop nicht viel spielen. In den frühen Phasen spielt man sehr tight. Man bringt seine C-Bet und gibt dann auf, wenn man keinen Draw mit 8 Outs oder Top Pair bzw. etwas Besseres hat. Die größten Vorteile erzielt man am Ende, wo man die Eröffnungs-Spektren All-In-Spektren und Call-Spektren der Gegner einschätzen musste, um dadurch mathematisch die richtige Entscheidung zu treffen. In diesen Abschätzungen war ich sehr gut, vor allem bei der Beurteilung der Spektren der verschiedenen Gegner. Das war gegenüber den anderen Profis vermutlich mein Vorteil.
Zurück zur Hand. Ich war mit Ass-hoch auf dem River und spielte gegen einen sehr verärgerten Mann. Auf dem Turn hatte ich gecallt und meinen Flush Draw verpasst. Ich checkte und der verärgerte Mann setzte … und er setzte verärgert. Mir kam es so vor, als könne er einen geplatzten Draw haben oder irgendeinen Schrott, mit dem er aus Wut mehrmals gesetzt hatte. Sollte ich tatsächlich ohne Paar callen können, also etwas tun, das man beim SNG ganz bestimmt nicht tut?
Ich ließ mir die Sache durch den Kopf gehen. Nach einiger Zeit schob ich verlegen meine Chips in den Pot.
Der verärgerte Mann schob seine Hand in den Muck. Nein, natürlich schob er sie nicht, sondern warf sie verärgert weg. Ich behielt meine Karten und der Dealer ließ die Chips in der Mitte liegen. Ich wusste nicht, dass ich meine Hand zeigen musste. Ich war nicht auf Ruhm oder Anerkennung aus, sondern wollte nicht, dass jemand meine Hand sieht. Ich wollte den verärgerten Mann nicht blamieren und ihn noch verärgerter machen.
Ich schob meine Hand Richtung Dealer, der sie umdrehte. Der Tisch entlud sich. Im Rückblick ist dies merkwürdig, da heute niemand mehr eine große Sache aus einem Calldown mit Ass-hoch macht. Vermutlich war dies damals anders, oder an meinem Tisch saßen nur Amateure (vermutlich von beidem ein bisschen).
Die anderen Spieler lobten mich, der verärgerte Mann wurde noch verärgerter und ich schnappte mir mit gesenktem Haupt ruhig meinen Pot, während ich mühsam das Lächeln unterdrückte, das sich auf mein Gesicht drängte.
Nach dieser Hand war ich süchtig. Ich war süchtig nach Hero-Calls und ich war süchtig nach Postflop-Poker.
Dan, ein guter Freund von mir, glaubt, dass ich aufgrund meiner Persönlichkeit so gern calle. Ich bin ein passiver Mensch und mag keine aggressiven Menschen. Gibt es eine bessere Methode der Genugtuung, als diese zu überlisten und ihnen wegen ihrer Aggressivität ein Gefühl der Dummheit einzujagen?
Es dauerte nicht mehr lange, bis ich die postfloplosen SNGs aufgab. Im Februar wechselte ich auf Anraten von Peter Jetten von den soliden Wurzeln und der verlässlichen Gewinnquote der SNGs in die unbekannte Welt der Cashgames, wo ich meine neu entdeckten Call-Muskeln trainieren konnte. Peter erklärte mir, dass es beim Cashgame mehr zu gewinnen gäbe, und er behielt Recht.
Cashgames
Ich fing an, auf PartyPoker NLHE Shorthanded mit Blinds von 5 $/10 $ zu spielen. Ich gewann direkt 5 BB/100 Hände (damals waren die Partien noch schwach). Mich machte aber nervös, dass ich die Grundlagen des Cashgames nicht kannte.
Ich engagierte zwei Trainer. Zuerst Emil Patel und dann Tommy Angelo. Emil erklärte mir einige Preflop-Grundlagen, allerdings nahm ich nur drei Stunden bei ihm.
Eigentlich hatte ich geglaubt, dass Tommy mir Cashgame-Strategie beibringen würde, aber ich irrte mich gewaltig. Ich verbrachte eine Woche in Las Vegas und wir arbeiteten an der Tischauswahl, der Selbstkontrolle, dem Aufhören zum richtigen Zeitpunkt und allem anderen, auf das ich nicht gefasst war, das ich aber gut gebrauchen konnte. Tommy zeigte mir nicht, wie man Poker spielt, sondern wie man ein Pokerspieler wird.
Seitdem sind wir Freunde. Manchmal rufe ich ihn noch an und frage ihm um Rat (wie vor zwei Tagen). Auch mit Emil bin ich befreundet, doch das wäre ohnehin geschehen, da sich unsere Wege mehrmals kreuzten.
Ich verbrachte das Semester damit, so viel Poker wie möglich zu spielen und trotzdem meine Freunde zu treffen. Ich spielte immer noch an meinem Rechner in meinem kleinen Zimmer. Doch jetzt hatte ich zwei 21-Zoll-Monitoren gekauft und eine Wäschefirma engagiert. Und Caroline dachte nicht mehr, dass ich schwul sei.
Teil 3 und Abschluss morgen
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 18.05.2012.