Ende 2015 erklärte EPT-Berlin-Sieger Ben Wilinofsky überraschend seinen Rückzug aus der Pokerwelt, obwohl er auf eine sehr erfolgreiche Karriere blicken konnte und zu den besten Spielern seiner Generation zählte.
In diesem Interview mit Matt Showell von PokerListings spricht Wilinofsky über die Gründe seines Rückzugs und die inneren Kämpfe, die er über die Jahre ausgetragen hatte.
In der Pokerwelt nannte sich Wilinofsky NeverScaredB – das war sein Nick auf PokerStars, wo er über 3,4 Millionen Dollar in Turnieren cashte. Niemals ängstlich – diesen Ruf hatte er sich über mehr als fünf Jahre online aufgebaut. Aber dies hatte mit seiner inneren Welt wenig gemein.
Wilinofsky erklärt, dass egal wie viel Erfolg er hatte, es niemals genug war und nun gab er eine Karriere auf, die ihm Geld und Freiheiten versprach. In diesem Interview erklärt er, warum.
Hatte die Wahl deines Online-Nicks etwas mit deiner damaligen Gefühlswelt zu tun? Von außen betrachtet hattest du auf jeden Fall den Ruf eines unerschrockenen Spielers.
Den Eindruck wollte ich auf jeden Fall erwecken, den Eindruck mutig und furchtlos zu sein und so wollte ich mich auch fühlen. Ich würde mich gerne jetzt in meinem alltäglichen Leben so fühlen, nicht beklommen mit all den Zweifeln und Ängsten in meinem Kopf.
Du hast in der Pokerwelt viel erreicht und den Traum vieler Spieler gelebt. Was haben diese Erfahrungen bei dir ausgelöst?
Ich habe von Poker eine Art äußeren Anschub bekommen, der sagte: "Ja, du bist gut. Schau deine Zahlen an, die immer größer werden, schau was die Leute von dir denken und wie sie mit dir umgehen."
Du hast Fans, die dich für gut halten und du hast objektive Maßstäbe.
Aber es war nur eine Art Salbe, die man auf die Wunden reibt, damit es nicht so weh tut, aber es hat nichts geheilt.
Als deine Karriere weiter nach oben ging, hast du das Missverhältnis zwischen deinem äußerlichen Lebenszustand und deinen inneren Gefühlen gespürt?
Ja. Nach meinem ersten Sieg [EPT Berlin 2011, Red.] fühlte ich mich noch ganz erhaben und wie auf Wolke neun. Aber das hörte nach wenigen Tagen schnell wieder auf.
Ich war schnell wieder normal und mein "normal" war nicht gut. Es war nicht glücklich.
Ich denke, ich habe dieses Gefühl ein wenig gejagt. Ein Jahr später saß ich am Final-Table der EPT Wien. Ich wurde Dritter und habe dieses Nichts gespürt. Es war nur Leere ohne jedwede Emotion.
Ich habe eingesehen, dass ich bis dahin äußere Möglichkeiten suchte, ein inneres Problem zu lösen.
Haben deine Familie und die Leute die dir nahe standen gewusst, was los war oder hast du so getan als wäre alles gut und versucht, das Problem selbst zu lösen?
Ich glaube, ich habe gar nicht versucht, etwas zu lösen. Das Wort "Depression" kam in mir zwar ab und zu hoch und ich stellte fest: "Oh, ich bin deprimiert."
Aber ich hielt es für einen kurzen, vorübergehenden Zustand und dachte, ich muss etwas machen, um weniger deprimiert zu sein.
Etwa mehr Geld gewinnen?
Etwa mehr Geld gewinnen oder Sex mit mehr Frauen haben oder mehr was auch immer.
Nach dem Motto: Wenn ich etwas erreiche, wird sich meine Depression und mein Selbstwertgefühl schon richten.
Aber egal wie groß die Zahlen wurde, ich kam nie an.
Damit offen umgehen, ehrlich sein und mit jemandem teilen, was wirklich in einem vorgeht, das befreit. Denn dann muss man keine Mauern mehr aufbauen. Man muss diese Maske nicht mehr tragen, dieses vorgeschobene Gesicht, dass alles gut ist und dass man sein Leben im Griff hat.
Gut, jetzt habe ich das Problem akzeptiert und identifiziert. Was nun?
Es ist nicht alles auf einmal auf magische Weise gut.
Nein. Man versucht Dinge. Therapien oder Tabletten oder Sport oder Yoga oder Meditation oder was auch immer. Man probiert und probiert und probiert immer wieder. Und ich habe vieles probiert.
Poker ist nicht das Problem, aber auch nicht Teil der Lösung.
Ich habe nicht viel Energie. An meinen schlechten Tagen bin ich nur sechs Stunden aus dem Bett. Diese sechs Stunden sind wertvoll, die kann ich nicht auf etwas verschwenden, was nicht Teil der Lösung ist.
Poker war die einfache Lösung für das falsche Problem und so will ich nicht mehr vorgehen. Also mache ich es nicht mehr.
Ich muss von Grund auf mit etwas Neuem anfangen und weitermachen, bis ich entweder gegen Wände laufe und feststelle, dass es nicht geht oder ich komme durch die Wände durch und sehe, was auf der anderen Seite ist.
Hier das komplette Interview im Video:
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 19.05.2016.