Fast jeder kennt die Einordnung der verschiedenen Pokerspieler auf dem Koordinatensystem mit den Achsen aggressiv-passiv und tight-loose. David Spanier brachte das in ähnlicher Weise vor über 20 Jahren in einem schönen Artikel im Independent auf den Punkt. Aus diesem Werk stammt übrigens auch das berühmte Zitat “The odds are merely a framework for play, like the lines on a tennis court.” Vielen Dank für den Hinweis hierzu an unseren Leser Heinz! Viel Spaß mit David Spaniers Artikel aus dem Jahr 1994:
Jedes Pokerspiel definiert sich über die Persönlichkeiten am Tisch. Auf eine gewisse Weise sind es immer die gleichen Typen, nur der Mix ist anders. Als grober Ratgeber hier die fünf Spielertypen, die in fast jedem Game anzutreffen sind:
1. Mr Tight
Dieser Spieler spielt streng nach der Mathematik und wie Beton. Er ist leicht zu lesen, es ist aber nicht leicht, Geld von ihm zu gewinnen. Wenn er etwas setzt, dann hat er auch etwas. In einem wilden Spiel mit hohen Einsätzen und viel bluffen hat er aber meist keine Chance.
2. Johnny Gambler
‚Fast and Furious‘ ist dieser Spielertyp und er setzt gerne bei jeder Gelegenheit. Er hat nie von Odds gehört und keinerlei Respekt für die Karten der Gegner. Wenn er irgendeine Form von Hand oder Outs hat, wird er mitspielen und zahlen. Wenn er einen guten Tag hat, ist er ein großer Gewinner. Das muss er auch sein - als Ausgleich für die vielen losing-sessions.
3. Doc Dolittle
Der Doc ist seit langem dabei und weiß viel über Poker. Er hat keine Angst, einen Bluff mit einem Zweier-Paar zu starten, achtet aber darauf, sich bei den großen, teuren Händen möglichst schadlos zu halten. Im Ergebnis ein Break-even-player oder sogar kleiner Gewinner.
4. Jack O’Blarney
Spielt aus Spaß und wegen der Konversation, erzählt ständig Stories und hält das Spiel auf. Immer schnell dabei, wenn es darum geht, einem Gegner zu erklären, was er falsch gemacht hat und warum er kein Glück hatte. Immer bereit für einen Drink zwischendurch, manchmal auch sehr scharfsinnig.
5. Jim Flick
Ein Hustler in einem Button-Down-Shirt, schnell und aggressiv. Kennt die Wahrscheinlichkeiten aber mixt sein Game so geschickt, dass er unlesbar für die anderen ist. Er macht die Regeln, beruhigt die Verlierer und gewinnt normalerweise.
Fazit
Also vergesst die Mathematik. Worauf es im Poker ankommt, ist, seinen Gegner oder Gegnerin zu kennen. Die Wahrscheinlichkeiten sind nur das Rahmenwerk für das Spiel, ähnlich wie die Linien auf dem Tennisplatz. In der Praxis wechseln gute Spieler öfters ihren Stil, sie legen je nach Stimmung und Ausrichtung des Tisches andere Gänge ein. Jede Hand, die gespielt wird, verrät etwas über Stil und Standards der Gegner – und über den eigenen.
Glücklicherweise werden im Poker immer noch die Tugenden aus dem Wilden Westen zelebriert: Risiko, Wagnis, Stehvermögen. Auch das Glück spielt eine Rolle, langfristig ist das Glück aber gleich verteilt.
>> Original-Artikel von David Spanier im Independant aus dem Jahr 1994
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.04.2016.