Mit einem etwas ungewöhnlichen scheinenden Blog-Post ging der Geschäftsführer von Full Tilt, Dominic Mansour gestern an die Öffentlichkeit. Er erklärte, dass es um Full Tilt schlecht bestellt sei und man deswegen drastische Änderungen plane.
Full Tilt geht es schlecht
Mansour stellt unumwunden fest, dass man in der heutigen Zeit auf dem Online-Poker-Markt nur noch eine Chance hat, wenn man entweder der größte Anbieter ist oder ein besonderes Alleinstellungsmerkmal präsentieren kann.
Nachdem Full Tilt vor zweieinhalb Jahren wieder an den Markt ging, schrumpfte die Zahl der Spieler mehr und mehr, während Full Tilt lange Zeit versuchte, Spielangebote und Reward-Programme nach dem selben Muster zu stricken wie etwa 2009, als Full Tilt noch weit mehr Spieler hatte.
Inzwischen, so stellt Mansour fest, ist das Verhältnis zwischen Freizeitspielern und Profis so unausgeglichen, dass es keinen Spaß mehr macht bei Full Tilt zu spielen. Er kommt zu dem Schluss: "Nur für den Marktführer ist die Poker-Ökonomie nicht kaputt."
Was will Full Tilt ändern?
Dominic Mansour kändigt weitreichende Änderungen bei Full Tilt an, die in den kommenden Wochen und Monaten umgesetzt werden sollen.
Zunächst zur Rake: diese soll auf den Micro-Limits (bis NL10) erhöht werden, um wie viel, wurde noch nicht bekannt gegeben. Auch auf den Highstakes (ab NL1000) soll die Rake steigen. Auf den anderen Limits soll die Rake identisch bleiben.
Ferner plant man, das Rewards-Programm komplett umzukempeln. Was genau passieren soll, erklärte Mansour noch nicht, aber es soll ein Rewards-Programm werden, dass alle Spieler anziehen soll, nicht nur Vielspieler.
Darüber hinaus sollen sich die Lobby und die Aufbereitung des Spielangebots ein Stück weit verändern, um den Spielern das Pokern einfacher zu machen.
Werden die Änderungen funktionieren?
Es ist Dominic Mansour, der seit einem guten Jahr bei Full Tilt das Ruder hält, auf jeden Fall hoch anzurechnen, dass er offen und ohne unnötige Schönrederei den Finger auf die Wunde legt.
Full Tilt ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Bei Pokerscout liegt der Anbieter inzwischen mit rund 1.000 durchschnittlich aktiven Spielern nur noch auf Rang 8 – unter anderem hinter Winamax und PokerStars.it, zwei lokalen Anbietern.
Es ist möglicherweise schon zu spät, jetzt noch Full Tilt zum Guten zu wenden. Und die Ankündigung, die Rake zu erhöhen, dürfte auch eher Unverständnis hervorrufen als Begeisterungsstürme auslösen.
Allerdings ist es nicht verkehrt, wenn Full Tilt in Zukunft tatsächlich radikal andere Wege geht. Denn viel zu verlieren hat die Seite nicht mehr.
Und eventuell greifen die Maßnahmen Mansours ja tatsächlich. Schaut man sich zum Beispiel 888 an, findet man eine Seite, die mehr Rake nimmt als fast alle Mitbewerber, ein nur minimales Rewards-Programm hat und deren Software auch ein wenig altbacken wirkt. Dennoch ist 888, was die Spielerzahl angeht, Nummer Zwei auf dem Markt und für Einsteiger die wohl beste Seite.
Der Grund ist ein einfacher: 888 ist so ausgelegt, dass Mass-Grinding dort nicht lukrativ ist und entsprechend ist die Ökologie an den Tischen von 888 deutlich gesünder als bei den Mitbewerbern.
Wenn Full Tilt es schafft, dies zu kopieren, könnte es als Spartenanbieter eine Zukunft haben.
» Die Erklärungen Dominic Mansours auf dem Full Tilt Blog (englisch)
» Interview mit Dominic Mansour (englisch)
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 09.07.2015.