Rund um das $10.000-Heads-Up-Championship-Turnier der WSOP ranken sich nach wie vor Betrugsvorwürfe gegen den moldawischen Spieler Valeriu Coca. Mehrere seiner Gegner warfen ihm nach Spiel vor, mit unlauteren Mitteln vorgegangen zu sein.
Alexander Villegas von PokerListings hat mit den Spielern gesprochen und wir haben die Aussagen hier ins Deutsche übertragen:
Erste Runde: Valeriu Coca gegen Matt Marafioti
Marafioti sagte zu seinem ersten Match gegen Coca folgendes:
"Ich wurde in dem Match von einem Spieler, gegen den ich noch nie gespielt habe, herumgeschubst wie eine Stoffpuppe. Was ich an diesem Punkt meiner Karriere etwas merkwürdig finde, es gibt aber viele wirklich gute Highstakes-Spieler, die nicht viele Turniere, dafür aber viel Heads-Up spielen.
Ich hab mich ziemlich hilflos gefühlt, aber an Cheating habe ich zu Anfang überhaupt nicht gedacht. Was ich dann sehr verdächtig fand, war, dass das Match neben uns nach ca. 10 oder 15 Minuten beendet war. Als Coca seine Karten bekam und dran war, beobachtete er zuerst das Match neben uns und mischte seine Karten hin und her. Ich fragte mich, warum er das Match so genau verfolgte."
Es gab nach dem Match ohnehin einen Redraw, es war also nicht so, dass der Gewinner gegen den Gewinner von Nebentisch antreten sollte. Das war aber nicht das Merkwürdigste:
"Was mich wirklich skeptisch gemacht hat, war die Tatsache, dass er auch mit seinen Karten spielte, wenn er als erstes dran war. Es kam mir so vor, als würde er darauf warten, dass ich in meine Karten gucke und ich schaute ihn an und fragte mich, ob er 'stallen' wollte. Er hatte etwas mehr Chips als ich und ich kapierte nicht, was er da genau machte."
Also entschloss sich Marafioti dazu, die Moves von Coca exakt zu kopieren: "Ich habe meine Karten hin und hergemischt, genau wie er es tat. Ich wollte eine Art 'Reverse Psychologie' betreiben, weil ich dachte, er sei einfach in seiner 'Comfort Zone' und würde deswegen gewinnen. Ich mischte also ebenfalls meine Karten hin und her und Coca fragte sofort nach einer Pause."
Marafioti verweigerte die Pause, weil er das Ganze jetzt doch zu seltsam fand. Das Match sollte aber ohnehin nicht mehr allzu lange dauern:
"Er callte meine Shoves die ganze Zeit nicht und dann callte er plötzlich mein J7 mit Q9. Er callte einfach so schnell. Als sei er sich absolut sicher. Ich war sehr beunruhigt, ich habe die Hand nicht toll gespielt, aber abgesehen davon, war das Ganze einfach beunruhigend. Heads-Up kann sowas schon passieren, aber um dann anschließend Pratyush Buddiga, Connor Drinan und die anderen einfach so zu schlagen, muss man schon wissen, was man tut."
Zweite Runde: Valeriu Coca gegen Pratyush Buddiga
Gegen 16:00 Uhr sah sich Coca seinem nächsten Gegner gegenüber, Pratyush Buddiga. Der sagte zu seinem verlorenen Match:
"Es ist lustig, wir haben fast alle die gleiche Story. Am Anfang spielte er langsam und spielte mit seinen Karten herum. Dabei schaute er nach rechts und links. Ich dachte, das sei nur um zu 'stallen' und die Blinds hochgehen zu lassen. Als eher schlechter Spieler macht man das manchmal, damit die Varianz größer wird.
Als die Blinds dann höher waren, spielt er plötzlich viel aggressiver und schneller. Auf Boards mit einem Ass kam er plötzlich mit einer Tonne Aggression daher. Er check-raiste, wenn Du nicht getroffen hast, wenn Du ein Ass auf der Hand hattest, ging er einfach raus."
Buddiga sagte auch, dass er Pötte eigentlich nur gewinnen konnte, wenn er das Board mit relativ niedrigen Karten traf:
"Ich erinnere mich an diese eine Hand, wo ich den Flop gecheck-callt habe und Two-Pair auf einem Ace-High-Board traf. Er check-raiste den Turn und ich callte. Als ich callte, war er so überrascht, dass ihm kurz das Gesicht entglitt. Der River war eine Blank und nach seinem Check habe ich reingefeuert. Er starrte mich konfus an, ich hatte kein Ass und das verwirrte ihn offenbar und er ging raus.
Davon abgesehen, heizte Coca Buddiga ganz schön ein: "Er hat praktisch jeden Pot gegen mich gewonnen und dann habe ich mit 10 Big-Blinds und Q2-suited einfach reingestellt. Er callte mit KQ, ziemlicher Standard. Es waren eher die Sachen, die vorher passiert sind."
Wie bei Marafioti dachte auch Buddiga, dass er von einem blutigen Amateur an die Wand gespielt worden war:
"Als ich verloren hatte, dachte ich mir, dass in dem Match zwar viele seltsame Dinge passiert sind, ich aber schlicht von einem Amateur geschlagen wurde, wie es eben manchmal passiert. Und mir passiert das oft, meine Freunde witzeln schon darüber, dass ich oft gegen Amateure verliere."
Dritte Runde: Valeriu Coca gegen Aaron Mermelstein
Gegen 19:00 Uhr war es Aaron Mermelstein, der gegen Coca antreten musste. Zu Beginn war Mermelstein angesichts der Passivität von Coca überrascht. Als das Match seinen Lauf nahm, erlebte auch Mermelstein den bereits bekannten Totalverlust:
"Am Anfang war alles leicht. Ich konnte nicht glauben, dass Coca Pratyush Buddiga geschlagen hatte. Ich dachte mir, dass da schon heftige Cooler oder Bad-Beats stattgefunden haben müssen. Vorsichtig formuliert, habe ich ihn in den ersten 10 bis 15 Minuten regelrecht überfahren.
Später war er es dann, der mich überfuhr und immer zu wissen schien, wenn ich etwas getroffen hatte. Es war fast, als könne Coca in meine Seele blicken. Immer, wenn ich eine gute Hand hatte, ging er raus. Immer wenn auf dem Board eine hohe Karte lag, hat er mich an die Wand gespielt."
Auch Mermelstein zufolge benahm Coca sich am Tisch sehr merkwürdig: "Zu der Zeit habe ich viele Sachen gar nicht beachtet, im Nachhinein wirken aber einige Verhaltensweisen und Dinge, die er tat, irgendwie komisch. Die Art und Weise, wie er durch seine Brille schaute und die seltsamen Sachen, die er mit den Karten veranstaltete.
Er wollte außerdem immer meine Chips sehen, was im Heads-Up komisch ist, da man ja eigentlich nur seine eigenen Chips zählen muss und dann weiß, was Sache ist. Hätte ich mir da zu der Zeit nur mehr Gedanken gemacht…"
Genau wie bei Buddiga waren die größten Pötte, die Mermelstein gewonnen hat, immer die, wo er niedrige Hole-Cards hatte. Einmal hatte Mermelstein beispielsweise mit 62 auf der Hand einen Q62-Flop getroffen.
In einer anderen Hand floppte Mermelstein eine Straight und gewann so gegen Coca. Abgesehen davon, war das Match aber völlig von Coca dominiert: "Ich war nach dem Game echt traurig, ich fühlte mich irgendwie benutzt."
Vierte Runde: Valeriu Coca gegen Connor Dinan
Um 10 Uhr abends bereiteten sich die finalen 32 Spieler auf das letzte Spiel des Tages vor. Nach seinem Sieg gegen Mermelstein trat Coca gegen Connor Drinan an.
Vor dem Match bekam Drinan ein Briefing von seinem Freund Pratyush Buddiga. "Ich habe Drinan ein paar Reads bezüglich der Ace-High-Boards und der späten aggressiven Spielweise gegeben", meinte Buddiga.
Aber auch mit diesen Reads verlor Drinan deutlich:
Bubbled the HU. Hands down strangest hour and a half of poker of my life. Felt super-used
— Connor Drinan (@ConnorDrinan) 3. Juni 2015
"Ich dachte 'wow'",sagte Buddiga, "das ist ja genauso wie bei mir. Danach sprachen wir mit Aaron und bei ihm war es ebenso. Das gleiche bei Matt Marafioti."
Später bekam Drinan eine Mail von einem Freund aus der Tschechischen Republik und ihm wurde mitgeteilt, dass Coca wegen Betrugs mit gezinkten Karten in Prag in mehreren Casinos gesperrt war. Drinan und Buddiga sprachen bei der WSOP vor und warnten den nächsten Gegner Cocas, Byron Kaverman.
Fünfte Runde: Valeriu Coca gegen Byron Kaverman
Gegen 13 Uhr richteten sich am folgenden Tag alle Augen auf das Spiel zwischen Coca und Kaverman.
Die WSOP-Verantwortlichen hielten ihre Augen offen, die Kartendecks wurden regelmäßig getauscht, Medienvertreter wachten mit Argusaugen und die früheren Gegner Cocas beobachteten das Match.
Trotz all dessen gewann Coca das Spiel und zog in die Runde der letzten Acht ein.
Drinan erklärte dazu: Ich habe nach dem Spiel mit Byron gesprochen und er war sich absolut sicher, dass Coca betrügen wollte. Er hatte allerdings seine Karten ständig verdeckt gehalten und das Deck wurde regelmäßig ausgetauscht. So konnte Coca seinen Zauber nicht abfeuern.
Am Ende schied Kaverman aus, als er mit TT all-in war, eigentlich weit gegen Cocas 44 in Front lag, dieser jedoch dank 25663 auf dem Board eine Straße machte.
Sechste Runde: Valeriu Coca gegen Keith Lehr
Valeriu Cocas nächster Gegner war Keith Lehr und er konnte Coca schließlich eliminieren und gewann später das Turnier.
"Ich wurde schon vor dem Match gewarnt, dass er wegen Betrugs in anderen Casinos gesperrt war", so Lehr. Weiter: "Ich tat mein bestes, dies zu unterbinden und ließ die Decks regelmäßig austauschen."
Lehr stellte fest, dass Coca die Karten beim Dealer, mit äußerster Wachsamkeit beobachtete und er stellte sicher, dass er seine Holecards so sicher wie möglich vor Blicken schützte.
"Ich habe meine Karten vor ihm versteckt, ich habe sie in dem Moment versteckt als sie die Hand des Dealers verließen."
"Womöglich versuchte er etwas zum Beginn des Matches, aber wenn, dann hat er es wohl aufgegeben."
Am Ende ging Coca mit 63 all-in, Lehr callte mit AJ, traf einen Buben im Flop und Coca schied auf Platz 5 aus.
Valeriu Coca holte sein Geld ab, wies alle Betrugsvorwürfe zurück und spielte Cashgame.
Hat er oder hat er nicht?
Der initialen Untersuchungen der WSOP ergaben keine Anzeichen für Betrug. Die Karten waren nicht markiert und man fand keine Spuren von Tinte auf den Decks.
Aber die WSOP hatte nicht alles untersucht, so Matt Marafioti: "Eine Sonnenbrille dieser Art hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ich fragte, ob die auch untersucht wurde. Wurde sie nicht."
Es überraschte Marafioti überhaupt nicht, dass es keine eindeutigen Beweise gab: "Wenn man bei Highstakes-Cash-Games betrügt und dabei hunderttausende Dollar gewinnt, kommt man nicht nach Vegas, um geschnappt zu werden. Man hat seine Methode perfektioniert."
Viele Spieler vermuten, dass Cocas Sonnenbrille entweder Vergrößerungslinsen zum besseren Erspähen von Markierungen hatte, oder so geschaffen war, dass man mit ihr eine Art unsichtbarer Tinte sehen konnte.
Passivität am Anfang und folgende Aggressivität ohne Unterlass sind ein Anzeichen, dass jemand die ersten Runden nutzt, um die Karten zu markieren.
Aber ohne handfeste Beweise sind nicht alle Gegenspieler Cocas gewillt, die Betrugsvorwürfe zu bestätigen. So Keith Lehr: "Fühle ich mich betrogen? Das kann ich nicht kommentieren. Ich meine, ich habe gewonnen. Also kann er zumindest nicht sonderlich gut betrogen haben."
Deutlicher sieht es Pratyush Buddiga: "Es ist eine deutliche Aussage, jemandem Betrug zu unterstellen. Aber selbst wenn es keinen eindeutigen Beweis gibt, bin ich zu 100 Prozent überzeugt, er ist ein Betrüger."
Aaron Mermelstein bringt es auf diesen Punkt: "Entweder ist er der beste Spieler aller Zeiten oder er ist ein Betrüger."
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 09.06.2015.