Einer der aktivsten und interessantesten Pokerblogger ist der amerikanische Profi Alec Torelli, dessen zweiteilige Serie Wie man mit riesigen Verlusten klarkommt für viel Aufsehen in der Pokerszene sorgte. Zuletzt äußerte sich Torelli auch darüber, was sich am Pokerspiel ändern muss, damit dessen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit sich zum Besseren wendet. Auch diesen Text wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten und geben ihn hier auf Deutsch wieder:
Warnung: Der einzige Grund, warum ich zu diesen Themen etwas sagen kann, ist dass ich jeden der hier aufgezählten Fehler selbst begangen habe. Ich begehe sie weiterhin und falls Euch einer auffällt, bitte ich Euch, mich daran zu erinnern.
Eine persönliche Geschichte: Abbruch des College
Ich war 18, als ich es meinen Eltern mitteilte. Ich breche das College ab, um Poker zu spielen. Natürlich waren sie nicht begeistert. Zu meiner Verteidigung brachte ich an, dass es sich nicht um Zockerei, sondern kalkuliertes Risiko handle. Ich sei nichts anderes als ein Börsenmakler.
Sie kauften es mir nicht ab. „Börsenmakler haben Uniabschlüsse“, erinnerten sie mich. Das Problem waren offenbar die Grenzen, die man zu überwinden hat. Um an die Wall Street zu kommen, muss man sich durch das System kämpfen. Beim Poker braucht man nur Geld. Scheitert man an der Wall Street, bekommt man immer noch ein erträgliches Gehalt, scheitert man jedoch beim Poker, steckt womöglich bis zu den Ohren in Schulden.
Man kann ihnen diese Haltung nicht übelnehmen. Sie kannten nichts, das sie vom Gegenteil überzeugte.
Poker war zwar gerade dabei, sich seinen Platz in den Medien zu erobern, aber was sie sahen, war nicht gerade schmeichelhaft: Übergewichtige Spieler, die zu ihrem Unglück auch noch wie herumlungernde Gestalten angezogen sind. Diese Hürde zu überwinden, ist ein schwerer Kampf, aber er hätte nicht sein müssen. Diese Bürde haben wir uns selbst aufgeladen.
Das Problem: Die Wahrnehmung der Öffentlichkeit
Das Problem ist nicht, dass die Mehrheit scheitert. Ich schaffte es nicht, meinen Kindheitstraum einer NBA-Karriere zu verwirklichen, nachdem mich meine Eltern zum Basketballspielen animierten, damit ich Tugenden wie Teamwork, Disziplin, Geduld und Beharrlichkeit lernte.
Diese Tugenden lernt man allesamt beim Poker. Es ist an der Zeit, dass wir diese demonstrieren, aber zunächst will ich noch eine Übung mit Ihnen durchführen. Schließen Sie nach jedem der folgenden Worte Ihre Augen und stellen Sie sich vor, was Sie sehen:
Börsenmakler:
Er sieht vermutlich so aus: 24 Jahre alt, Harvard-Abschluss, frisch rasiert, gut frisiert, schwarzer Anzug mit roter Krawatte, immer eine Aktentasche mit wichtigem Inhalt unter dem Arm.Während des Mittagessens telefoniert er fast sicher mit einem Kunden, das chinesische Essen nimmt er in seinem Büro an der Wall Street zu sich.
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Pokerspieler
Das kommt mir in den Sinn. Er 24-jähriger Studienabbrecher, der sich nach einer durchzockten Onlinesession nicht wachhalten kann. Ohne Bezug zur realen Welt schlendert er unrasiert und schmuddelig in kurzen Hosen und einem Hoodie durchs elegante Bellagio.
Worin besteht wirklich der Unterschied? Oder genauer, warum ist der Börsenmakler ein respektierter Geschäftsmann und der Pokerspieler ein degenerierter Zocker, wenn ihre Berufe so ähnlich sind.
Das Harvard-Studium schadet sicher nicht, aber wann wurden sie zuletzt gefragt, wo sie studierten? Der Unterschied zwischen den Börsenmaklern und uns beginnt mit dem Image, das wir von uns erzeugen. Das Problem ist, dass die Eltern zum Poker Nein sagen und zur Wall Street Ja. Um dies zu ändern, muss Poker sich ein neues Image verpassen.
Das Beispiel Grüner Tee
In Frühjahr 2000 gab die Firma Twinings bekannt: „Aufgrund großer Nachfrage unserer Kunden und nach vielen Monaten ausgiebiger Produktentwicklung freuen wir uns, ihnen eine Vielzahl neuer Sorten Grüner Tee anbieten zu können.“
Was soll der Kram mit dem Grünen Tee? Lipton meint, dass „weltweite große Nachfrage bestünde, gesund zu leben, Stress abzubauen und einen ausgewogeneren Lebensstil zu führen.“
Grüner Tee wird seit Tausenden Jahren im Orient getrunken. Doch erst als er als Appetitzügler und Diätprodukt vermarktet wurde, wurde er in Amerika zum Erfolg. Das Problem ist nicht das Spiel, sondern die Wahrnehmung der Öffentlichkeit.
Die Lösung: Der Schlüssel liegt bei uns
1. Am Tisch: Der Profi ist richtungsweisend für den Rest der Welt. Ich liebe Tennis und wenn ich wie ein Star auf dem Platz wirken will, streife ich mir ein komplettes Nike-Arsenal mit Stirn- und Schweißband über. Das Spiel hat viel damit zu tun, wie man dabei aussieht. Wenn wir in Jogginghosen spielen, finden andere das gut und halten es sogar für cool.
2. Aussehen: „Du erkennst ihn schon auf den ersten Blick“, sagte ein VIP vor zwei Tagen am Pokertisch auf dem Weg zum teuren Tisch. Wiederholen wir die vorherige Übung und stellen uns einen Pokerfisch vor, sieht er ganz anders aus als ein Profi. Das ist das Problem.
Denken Sie daran, unsere Aufgabe ist es, ein angenehmes Umfeld für unsere Kunden zu schaffen.Niemand hat ein Problem damit, mit Profis zu spielen, aber keiner möchte das Gefühl haben, dass Sie nur da sind, um ihnen ihr Geld abzunehmen.
Gute Kleidung ist nicht nur ein Schritt, um unser Geschäft zu legitimieren, sondern auch, um andere dazu zu bringen, mit uns zu spielen. Sie sind nicht länger der geldgierige Profi, sondern ein reicher Typ, der zocken will. Das ist ein riesiger Unterschied.
Ich will mit gutem Beispiel vorausgehen und verspreche folgendes. Trifft mich jemand undsieht, dass ich länger als eine Stunde nicht mindestens in lockerer Geschäftskleidung angezogen bin, bezahle ich ihm einen Big Blind.
3. Kopfhörer:
Sie sind nicht ideal, aber manchmal einfach sehr zweckdienlich. Obwohl die Benutzung von Küchenpapier zum Tod von Bäumen führt, kann man niemanden anklagen, dass er es kauft. Es gibt aber einen großen Unterschied zwischen widerlichen Bose-Kopfhörer und unauffälligen iPod-Kopfhörern.
Gute Kleidung ist nur der Anfang. Damit es wirklich anders wird, braucht es mehr als ein Hemd mit Kragen. Wir brauchen die Hilfe der Medien. In Teil 2 geht es noch diese Woche weiter.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 03.04.2012.