In unserem Pokerbrainstorm stellten wir unsere Leser vor drei schwierige River-Entscheidungen in einer großen Hand. Hier wollen wir unsere Meinung zu den Fällen beigeben.
Vielen Dank an alle, die uns via Abstimmungstool an wissen ließen, wie sie spielen würden.
Zunächst die Ausgangslage:
Die Hand bis zum River
Wir sitzen in einem Live-Casino an einem €1 / €2 Tisch. Einige Spieler am Tisch sind durchaus gut, aber der Gegner in folgender Hand ist ein eher schwacher Spieler, der bislang viel zu viele Hände spielte und dabei in der Regel sehr passiv war. Mit etwas Glück konnte er einmal mit einem Set gegen Two-Pair verdoppeln und hat nun 300 Euro vor sich.
In der Hand gelingt es uns, ihn mit einer sehr starken Hand vor dem Flop zu isolieren. Dies ist der Handverlauf bis zum River:
MP: (wir) (€350): A K
SB: (passiver Gegner) (€300)
Preflop: Zwei Spieler limpen, MP raist auf €12, SB callt, die Limper folden.
Flop (€30): K 8 7
SB checkt, MP setzt €25, SB callt.
Turn (€80) 3
SB checkt, MP setzt €50, SB callt.
Fall 1 – Der passive Spieler checkt
River (€180) K 8 7 3 3
SB checkt, MP …?
Über 300 Leser ließen uns via Abstimmungstool wissen, wie sie hier spielen würden. Das ist das Ergebnis:
Check | 43% |
€50 setzen | 7% |
€75 setzen | 17% |
€100 setzen | 25% |
€150 setzen | 6% |
Was Anderes | 2% |
Unsere Meinung
Zentrale Frage hier ist, können wir eine Value-Bet bringen und wenn ja, wie viel zahlt unser Gegner mit einer schwächeren Hand als Top-Pair-Top-Kicker noch nach?
Dafür schauen wir uns die Range (Was sind Ranges? ) unseres Gegners einmal an. Dabei interessieren uns nur die Hände, mit denen er mindestens callt oder raist. Verpasste Draws (etwa Straight-Draws), die einfach folden, sind irrelevant.
Großzügig gerechnet hat unser Gegner rund 20 Flush-Kombos in seiner Range. Das sind alle Ass-x-Kombinationen und eine große Menge halbwegs zusammenhängender Karten in Herz. Diese Hände callen oder raisen unsere River-Bet immer. Dazu kommen Hände wie Two-Pair (K8s, K7s) und Full Houses, die uns schlagen.
Insgesamt sind wir gegen rund 30 Hand-Kombinationen hinten.
Das ist eine Menge. Aber in der Range unseres Gegners sind sicherlich auch Hände wie König-Dame – Hände die wir schlagen und die eine Value-Bet callen.
Allein die vier Hände KQ, KJ, KT und K9 ergeben 32 Hand-Kombinationen. Die schlagen wir alle und es ist realistisch, dass unser passiver, looser Gegner all diese Hände so bis zum River spielt und dass er damit eine kleine Value-Bet callt.
Dazu kommen Hände wie schwächere Könige, Ass-Acht, zerstörte Two-Pairs mit 87 oder gelegentliche Überraschungshände wie Buben oder Zehnen, die dank der passiven Spielweise des Gegners auf diese Art und Weise bis zum River kommen und eventuell noch eine kleine Value-Bet zahlen.
Zusammengefasst: Wenn unser Gegner unsere River-Bet callt (oder raist), sind wir gegen 30 Kombinationen hinten, aber gegen mehr als 32 Kombinationen vorne.
In so einem Fall ist eine kleine Value-Bet fast immer angebracht. Ein Betrag zwischen 50 und 75 Euro ist hier auf jeden Fall gewinnbringend und man wird dann und wann überrascht sein, mit was für einem Gemüse man hier noch gecallt wird.
Eine größere Bet macht es jedoch unwahrscheinlich, dass der Gegner mit seinen schwachen Händen noch callt, denn auch der looseste Spieler am Tisch hat immer Angst vor dem Flush und könnte sein Top-Pair ohne Kicker dann entsorgen.
Mit einem Check ist man zwar auf der sicheren Seite, denn man zahlt die all die Flush-Draws in der Range des Gegners nicht aus, aber gleichzeitig ist ein Check viel zu ängstlich gegen einen Gegner, der hier immer noch eine sehr weite Range hat und bereit ist, Value-Bets mit schwachen Händen zu zahlen.
Fall 2 – Der passive Spieler wacht auf
River (€180) K 8 7 3 3
SB checkt, MP setzt €100, SB raist auf €213 (all-in), MP … ?
Das wollten unsere Leser hier machen:
Fold | 72% |
Call | 28% |
Unsere Meinung
Hier haben wir eine Value-Bet in Höhe von 100 Euro gebracht, werden dann jedoch geraist. Heikel!
Schauen wir uns zunächst unsere Odds an: Wir müssen 113 Euro nachzahlen, um einen Pot in Höhe von 606 Euro (abzüglich Rake) zu gewinnen. Das heißt, wir müssen nur in rund 20 Prozent aller Fälle die bessere Hand haben, um profitabel callen zu können.
Gegen einen passiven Spieler, der auf diesem River einen so starken Zug bringt, sieht unsere Hand allerdings miserabel aus. Weder mit Top-Pair, noch als Bluff bringt unser Gegner einen solchen Raise. Ab und zu mag er vielleicht einen geistigen Aussetzer haben und mit einer hoffnungslosen Hand all-in gehen, aber nicht in einem von fünf Fällen.
Deswegen ist ein Fold hier, trotz der guten Odds, der beste Zug. Die Merkregel in diesem Fall ist sehr einfach: Wenn ein passive Spieler Stärke zeigen, sind Odds fast egal. Sie haben de facto immer die starke Hand, die sie repräsentieren und wir brauchen schon die virtuellen Nuts, um weiterspielen zu wollen.
Dieser Fall zeigt auch auf, warum eine Bet in Höhe von 100 Euro auf dem River grenzwertig ist: Man bringt sich in eine blöde Situation falls der Gegner raist und isoliert sich eventuell gegen stärkere Hände. Eine etwas kleinere Value-Bet auf dem River wäre besser gewesen.
Fall 3 – Der passive Spieler setzt selbst
River (€180) K 8 7 3 3
SB setzt €90, MP … ?
Das wollten unsere Leser hier machen:
Fold | 43% |
Call | 55% |
Raise | 2% |
Unsere Meinung
Dies ist wohl der komplizierteste Fall, denn unser Gegner macht hier etwas zunächst völlig unerwartetes, indem er selbst Initiative zeigt.
Wir müssen 90 Euro zahlen, um 360 Euro zu gewinnen, müssen also in 25% der Fälle die bessere Hand haben. Ein Raise ist auf jeden Fall ausgeschlossen, denn damit stellen wir nur sicher, ausschließlich von besseren Händen gecallt zu werden.
Man kann hier einfach die Merkregel aus dem vorigen Fall anwenden: Ein passiver Gegner zeigt Stärke, wir haben nicht die Nuts, also verabschieden wir uns aus der Hand.
Aber so einfach ist es leider nicht, denn jetzt stellt sich die Frage: Zeigt unser Gegner überhaupt Stärke? Anders als im zweiten Fall ist das hier nicht so eindeutig.
Sehr häufig bedeuten kleine(re) Bets auch kleine(re) Hände und auf gefährlich aussehenden Boards bringen schwache (und auch bessere) Gegner oftmals derartige sogenannte Donk-Bets mit Händen, die zwar den Showdown sehen wollen, die aber keine größere Bet vertragen. Das sind genau die Hände, die wir mit Ass-König schlagen.
Am Ende kommt es hier sehr stark auf das Verhalten unseres Gegners und Reads an: Hat er derartige Donk-Bets in Vergangenheit bereits gebracht? Dann haben wir einen einfachen Call. Ist er nach seiner Bet gesprächsbereit und offen? Dann zeigt er Stärke und wir haben einen einfachen Fold.
Stehen beide Informationen nicht zur Verfügung: Sind 90 Euro für ihn viel Geld? Heißt: Hat er schon in der Vergangenheit größere Beträge, ohne mit der Wimper zu zucken, bezahlt (oder gesetzt) ohne die Nuts zu haben oder wurde er bei diesen Beträgen deutlich tighter?
Im ersten Fall können die 90 Euro sehr wohl ein Blocking-Bet sein, die wir callen sollten. Im zweiten Fall ist es deutlich wahrscheinlicher, dass unser Gegner einen Flush hat und ausgezahlt werden will.
Hat man so gar keine weiteren Reads auf den Gegner, macht man in dieser Situation mit einem Call keinen fundamentalen Fehler. Im Schnitt dürfte unser Gegner in mehr als der Hälfte aller Fälle tatsächlich die stake Hand haben, die er repräsentiert, aber unsere Hand muss nur in einem von vier Fällen die bessere sein. Schwache Spieler machen häufig sehr merkwürdige Spielzüge und deswegen ist ein Call hier nicht verkehrt.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 24.10.2014.