Nachdem ich in Teil 1 dieses Artikels bereits 6 Hände und 2 Fehler-Arten an Beispielen besprochen habe, kommt heute der dritte typische Anfänger-Fehler dran.
Standard-Fehler #3: Hände überbewerten
Einer der heftigsten und teuersten Fehler, den viele Spieler (und nicht nur Fische und Wale) machen, ist, dass sie ihre guten, aber nicht unschlagbaren Hände krass überbewerten. Klar, Top-Pair Top-Kicker, ein Overpair oder Trips sehen erst einmal ganz famos aus, aber es gibt Situationen in denen ein Gegner so offensichtlich ein Monster hat, dass eine eigentlich gut aussehende Hand auf einmal völlig wertlos ist. Wer dann nicht den Fold-Knopf findet, wird es nie schaffen, signifikante Limits zu schlagen.
Beispiel 7: Erst mal Slowplay, dann tu ich einfach so als hätte ich die Nuts!
Man schaue sich hier das Spiel von MP an:
MP: $2.55
Pre Flop: ($0.03) Hero is SB with Q 10
UTG calls $0.02, MP calls $0.02, 2 folds, Hero calls $0.01, BB checks
Flop: ($0.08) 4 A 5 (4 players)
Hero checks, BB bets $0.08, UTG folds, MP calls $0.08, Hero folds
Turn: ($0.24) A (2 players)
BB bets $0.16, MP calls $0.16
River: ($0.56) 7 (2 players)
BB bets $0.30, MP raises to $0.60, BB raises to $0.90, MP raises to $2.29 all in, BB calls $0.56 all in
Final Pot: $3.48
BB shows 5 A (a full house, Aces full of Fives)
MP shows Q A (three of a kind, Aces)
BB wins $3.36 (Rake: $0.12)
Okay, MP (Mittlere Position) spielt hier von vorne bis hinten Grütze. Preflop limpt er mit Ass-Dame (bitte: niemals machen!), mit Top-Pair callt er auf einem Draw-lastigen Flop nur (das ist nicht ganz so schlimm) und auf dem Turn trifft er Tips und callt wieder nur (das ist schon schlimmer).
Doch auf dem River wird das Spiel von MP wirklich bizarr. Schon die Raise-Größe ist unwirksam, doch sein Min-Raise eröffnet gleich neuen Raum für einen weiteren Fehler: Der Big Blind bringt darauf eine Mini-3-Bet und jetzt sollten bei MP sämtliche Alarm-Glocken laut schrillen. Der Big Blind hat nun ein viertes Mal in dieser Hand Stärke gezeigt und es ist fast hoffnungslos, Ass-Dame hier noch vorne zu sehen.
Doch MP (“Ich habe Drilling, ich bin der König der Welt!”) sieht nur seine Hand, verschwendet keine Sekunde an das Spektrum des Gegners und versenkt den letzten Teil seines Stacks in einem völlig unnötigen Rereraise. Die 28 Big Blinds für den Reraise sind schlicht verschenktes Geld. Bei Pot-Odds von 7:1 kann er den Raise vom Big Blind zwar noch callen, aber das All-In ist eine Katastrophe.
Fehler: Limp vor dem Flop, Call auf dem Turn, 4-Bet-All-In auf dem River. Besser: Raise vor dem Flop, Raise auf dem Turn, Reraise auf dem River nur callen.
Beispiel 8: Die wichtigste heutige Lektion – das Baluga-Theorem
Zuerst werfen wir in dieser Hand einen Blick auf das Spiel vom Small-Blind (welches zunächst nicht sonderlich falsch ist):
UTG: $3.93
Pre Flop: ($0.03) Hero is MP with 4 3
UTG raises to $0.04, 2 folds, BTN calls $0.04, SB raises to $0.16, 1 fold, UTG calls $0.12, 1 fold
Flop: ($0.38) K 9 8 (2 players)
SB bets $0.20, UTG calls $0.20
Turn: ($0.78) 4 (2 players)
SB bets $0.36, UTG raises to $0.72, SB raises to $2.91 all in, UTG calls $1.85 all in
River: ($3.92) J (2 players – 2 are all in)
Final Pot: $5.92
SB shows K A (a pair of Kings)
UTG shows 8 8 (three of a kind, Eights)
UTG wins $5.71 (Rake: $0.21)
Was passiert hier? Der Small Blind reraist mit Ass-König vor dem Flop (gut), lässt mit Top-Pair eine C-Bet auf dem Flop folgen (richtig) und feuert auf dem Turn weiter (auch richtig), doch dann macht sein Gegner etwas, das so bekannt ist, dass es seit acht Jahren einen eigenen Namen hat:
Das Baluga-Theorem
Wenn ein Gegner den Turn raist, nachdem er preflop einen Raise und auf dem Flop eine Bet gecallt hat, ist ein Paar fast niemals gut.
In rigider Variante: Ein Gegner, der den Turn minraist, nachdem er den Flop gecallt hat, hat mindestens einen Drilling.
Dieses Theorem (benannt nach dem Pokerspieler BalguaWhale ) hat – insbesondere gegen schwächere Gegner – bis heute bestand.
In obiger Beispielhand begeht der Small Blind mit dem All-In einen fatalen Fehler. Top-Pair ist fast niemals gut nach dem Min-Raise und das All-In wird de facto niemals von einer (ohnehin kaum im Spektrum von UTG enthaltenen) schlechteren Hand gecallt.
Ein Fold ist nach dem Raise die, wenn auch schwere, beste Option. Ja, es ist ein gereraister Pot, ja der Small Blind hat Top-Pair, Top-Kicker, ja, der Pot ist riesig. Aber all das wird durch den Raise von UTG in den Schatten gestellt. In dieser Situation muss man sich sofort von dem Gedanken “Ich habe Top-Top, ich will einen großen Pot gewinnen” losreißen und einsehen, dass seine eben noch bombastische Hand auf einmal fast wertlos ist. Wem das in so einer Situation nicht gelingt, wird nie eine Chance beim Texas-Hold’em haben.
Fehler: All-In auf dem Turn. Besser: Fold auf dem Turn.
Zwei Katastrophen-Hände
Zum Abschluss zwei Hände, die ebenfalls groteskes Spiel demonstrieren, aber nicht ganz in die bisherigen Fehler-Kategorien passen.
Beispiel 9: Drei Paare? Das ist Nuts! Oder?
Man beobachte das Spiel von UTG:
MP: $1.76
Pre Flop: ($0.03) Hero is SB with Q K
UTG calls $0.02, MP calls $0.02, 2 folds, Hero raises to $0.10, 1 fold, UTG calls $0.08, MP calls $0.08
Flop: ($0.32) 9 A 7 (3 players)
Hero bets $0.21, UTG calls $0.21, MP calls $0.21
Turn: ($0.95) 5 (3 players)
Hero checks, UTG bets $0.46, MP calls $0.46, Hero folds
River: ($1.87) A (2 players)
UTG bets $1.56 all in, MP calls $0.99 all in
Final Pot: $3.85
UTG shows 7 9 (two pair, Aces and Nines)
MP shows J Q (a flush, Ace high)
MP wins $3.72 (Rake: $0.13)
eins zu viel
Zunächst ist meine Bet auf dem Flop (ohne Draw, ohne Paar, ohne alles) in zwei Gegner nicht unbedingt empfehlenswert – der Bluff funktioniert lange nicht oft genug, als dass er sich lohnt.
Aber danach überrascht UTG mit einer kreativen Auslegung der Pokerhand-Reihenfolge auf dem River.
Der Call auf Flop ist schon grenzwertig (ein Raise wäre besser), aber das All-In auf dem River ist ein kompletter mentaler Aussetzer. Das zweite Ass auf dem River zerstört UTGs Hand völlig (seine Zwei Paar sind jetzt wertlos, jedes Ass, jede bessere Neun und jeder Flush schlägt ihn) und völlig egal, was sein Gegner bis zum River hatte, jetzt hat er ihn überholt.
Trotzdem geht geht UTG für ein halbes Buy-In all-in – völlig desolat. Bitte: erkennt, wenn Eure Zwei-Paar-Hand vom Board zunichte gemacht wurde und agiert entsprechend.
Fehler: Call auf Flop, All-In auf dem River. Besser: Raise auf dem Flop, check/fold auf dem River.
Beispiel 10: Was’n los hier?
Die letzte Hand demonstriert den Wahnsinn, der sich abspielt, wenn zwei Spieler ohne Plan eine passable Hand treffen und dann zwischen Mini-Bet und Mini-Raises vor lauter Angst, den Gegner zu verlieren, am Ende beide ihr Geld schlecht reinbekommen:
MP: $3.61
Pre Flop: ($0.03) Hero is BTN with A 9
UTG raises to $0.06, MP calls $0.06, CO calls $0.06, 2 folds, BB calls $0.04
Flop: ($0.25) 10 2 K (4 players)
BB bets $0.02, UTG folds, MP calls $0.02, CO raises to $0.04, BB calls $0.02, MP calls $0.02
Turn: ($0.37) 10 (3 players)
BB bets $0.08, MP raises to $0.16, CO folds, BB raises to $0.24, MP raises to $1.08, BB calls $0.84
River: ($2.53) J (2 players)
BB bets $0.34, MP raises to $2.43 all in, BB calls $0.99 all in
Final Pot: $5.19
BB mucks A 10
MP shows 10 J (a full house, Tens full of Jacks)
MP wins $5.01 (Rake: $0.18)
Was in dieser Hand passiert, ist so außerweltlich, dass es schwer fällt, den schwerwiegendsten Fehler auszumachen.
Auf dem Turn treffen beide Spieler Trips und fühlen sich damit so unschlagbar, dass sie Mini-Bet, Min-Raise und Min-Reraise bringen. Sie könnten genau so gut ihre Zehn umdrehen, denn es ist jedem denkenden Mitspieler klar, dass sie mindestens Trips haben. Man beachte: Die 3-Bet auf dem Turn ist immer noch kleiner als der Pot nach dem Flop war.
Bei beiden Spielern war der einzige Gedankengang: “Ich hab ein Monster, bloß nicht meine Gegner verscheuchen.” Fatal! Der Big Blind verpasst es auf einem sehr draw-lastigen Turn, sein Geld als massiver Favorit gegen das Spektrum des Big Blinds in die Mitte zu bekommen, nachdem dieser ihm schon mit dem Min-Raise signalisiert hat, dass er wahrscheinlich zu einem All-In bereit ist.
Die Mini-Bet vom Big Blind auf dem Flop ist übrigens etwas, das man mit beständiger Regelmäßigkeit bei schwachen Spielern sieht: Mit einer mittelmäßigen Hand (hier: ein mittleres Paar), wird eine klitzekleine Bet gespielt, in der Hoffnung, dass man nicht geraist wird. Wer sich so einfach lesbar macht, wartet nur darauf, ausgespielt zu werden.
Fehler Big Blind: Min-Bet auf dem Flop, Mini-Bet auf dem Turn, Mini-Reraise auf dem Turn, Mini-Bet auf dem River. Besser: Check auf dem Flop, große Bet auf dem Turn, substantieller Reraise auf dem Turn, All-In auf dem River (oder check/fold, wenn der Gegner bekannt und sehr tight ist).
Fehler MP: Min-Raise auf dem Turn, Rereraise auf dem Turn. Besser: Substantieller Raise auf dem Turn, keine 4-Bet auf dem Turn.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 30.01.2014.