Der zweifache Pokerweltmeister und Godfather of Poker Doyle Brunson spielt nicht nur jeden Tag Poker, er hat auch wieder zu bloggen begonnen. Äußerte sich bislang eher über seine eigenen Belange, gab er nun am vergangenen Montag seine Meinung zum Skandal um Full Tilt Poker zum Besten.
Natürlich hat Brunson tiefe Einblicke in die Szene und kennt die Verantwortlichen von Full Tilt persönlich, wodurch seinen Gedanken einiges Gewicht beizumessen ist. Aus diesem Grund wollen wir den längeren Blog-Eintrag hier in Auszügen auf Deutsch wiedergeben.
Muss man Full Tilt grobe Fahrlässigkeit und schreckliches Missmanagement vorwerfen? Ja, natürlich, aber was ist geschehen und warum? Nach meinem Verständnis war Ray Bitar, der in der Pokerszene gänzlich unbekannt war, ein sehr guter Freund des größten Anteilseigners von Full Tilt Chris Ferguson. Auf dessen Empfehlung wurde Bitar Geschäftsführer.
Unter der Leitung von Bitar und Lederer machte Full Tilt hervorragende Werbung und tolles Marketing. Lederer zog sich aber 2008 als Präsident zurück, während Bitar an der Macht blieb und alles über die Interna von Full Tilt wusste.
Unter Bitars Führung zahlte Full Tilt seinen Anteilseignern hohe Dividenden aus, als das Geschäft immer besser lief. Würde jemand wirklich das Management einer Firma hinterfragen, wenn er jeden Monat hunderttausende Dollar überwiesen bekommt? Ich zweifle, ob dies jemand täte, aber ich sicher nicht, denn ich würde denken, alles sei gut.
Wie Full Tilt sein Geld verloren hat, ist mir nicht völlig klar. Bitar war an der Macht und hat natürlich schlechte Entscheidungen getroffen. Es kam zu finanziellen Problemen, doch anstatt die Anteilseigner zu informieren, glaubte er, den Schlamassel beheben zu können. Er zahlte weiter hohe Dividenden, um den Leuten vorzugaukeln, alles wäre in Ordnung. Bitar ist zweifellos ein kluger Kerl und vielleicht wäre alles gut gegangen, doch es kam der Black Friday und damit alles ans Tageslicht.
Nun hat die Regierung alle Konten gesperrt und der Firma alles flüssige Kapital abgenommen. Alle Anteilseigner behaupten, nichts von den finanziellen Problemen gewusst zu haben. Meines Wissens haben die meisten dem Justizministerium erzählt, dass sie über den wahren Zustand von Full Tilt nicht Bescheid wussten. Dies dürfte der Wahrheit entsprechen, da das Risiko, eine Regierungsbehörde zu belügen, sehr groß wäre.
Ich will niemanden verteidigen oder anklagen. Das Wie und Warum kann vielleicht nie geklärt werden. So wie es aussieht, bekommen Bitar, Ferguson und Lederer die ganze Schuld zugeschoben. Ferguson vertraute seinem Freund Bitar sehr. Generell kann man davon ausgehen, dass auch Lederer trotz seines Rückzugs noch stark in die Firmengeschäfte verwickelt war. Wenn jemand, den ich seit vielen Jahren kenne, sagt, er hätte nichts über die finanziellen Probleme gewusst, glaube ich ihm.
Mit Ferguson habe ich nicht gesprochen, aber ich verstehe, dass er dasselbe wie Lederer sagt. (…)
Soweit ich weiß, war ich vor dem Black Friday mit jedem Anteilseigner von Full Tilt befreundet. Trotz aller Fehler und des schrecklichen Missmanagements bin ich mir sicher, dass sie keine Betrugsabsichten hatten. Trotz der Klage eines großen Anteilseigners, der potentielle Umsätze verhinderte, und trotz des Rettungsversuchs, die Geschäfte außerhalb der USA fortzuführen, sind sie dieselben Menschen wie vorher.
Ich will nicht den Stab über sie brechen und sie auch nicht daran hindern, in die Pokerszene zurückzukehren. Wo hört Verantwortlichkeit auf? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass alle Full-Tilt-Mitglieder meine Freunde waren und sind.
Außerdem erinnere ich mich an einen Satz aus dem meistgelesenen Buch der Welt: „Niemand werfe den ersten Stein.“
Gute Flops!Doyle Brunson
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 22.02.2012.