Wie haben sich Pokerspieler zu benehmen, was macht einen guten Poker-Botschafter aus und was ist faul an den jungen Spielern?
Joe Hachem hat mit seinen Aussagen – Poker stirbt – eine kleine Lawine losgetreten.
Der sich herauskristallisierende Konflikt ist einer zwischen der alten Generation der Pokerspieler (Spieler wie Phil Hellmuth, Joe Hachem und John Juanda) und der neuen Generation (etwa Tom Dwan, Viktor Blom und den deutschen Highrollern). Die Alten werfen den Jungen vor, sie seien schlecht für den Ruf und die Popularität von Poker. Die Jungen werfen den alten vor, sie haben keine Ahnung mehr vom Spiel.
Nun hat sich Phil Galfond – mit 29 Jahren noch ein Vertreter der jungen Generation – in seinem Blog zu Wort gemeldet.
In einem phänomenal trefflichen und sehr langen Beitrag geht er auf die Belange beider Parteien ein und erklärt, worin er diesen Konflikt begründet sieht.
Der komplette Beitrag ist auf englisch auf Run It Once zu finden: » Für die junge Generation sprechend, englisch. Hier einige Passagen in Übersetzung:
Das Problem Nummer eins
Die alte Generation ist der Meinung, dass sich die neue Generation von Pokerspielern auf eine Art und Weise benimmt, die der Popularität des Pokerspiels abträglich ist.
Ich stimme voll und ganz zu.
Überrascht? Nun, hiergegen kann man einfach wenig sagen. Viele Spieler der neuen Generation spielen langsam, schweigsam, bieten den Gelegenheitsspielern keine Unterhaltung und sprechen nur über ausgefeilte Strategien. All das schüchtert nicht-professionelle Spieler ein und langweilt das breite Publikum.
Durch so ein Verhalten fühlen sich die anderen Spieler deklassiert und nicht willkommen. Sich deklassiert fühlen – das ist wohl das Letzte, was ein erfolgreicher Geschäftsmann, der nur aus Spaß an der Freude spielt, am Pokertisch erleben möchte.
Das Problem der Alten mit den Jungen
Ich kann nicht viel dazu sagen, was die Spieler der alten Generation über die junge Generation denken. Ich merke aber, dass sie ob der Art und Weise wie wir uns am Tisch benehmen, (verständlicherweise) wenig Respekt für uns haben.
Ich denke, sie neiden uns, wie leicht wir es hatten und dass wir unser Spiel so schnell mit Coachings, geteiltem Wissen und Softwaretools verbessern konnten. Ich vermute, dass die meisten Spieler der alten Generation bemerkt haben, dass viele der jungen Spieler sie bezüglich der Spielfähigkeit überholt haben.
Das Problem der Jungen mit den Alten
Ich weiß nicht, ob es der alten Generation bewusst ist, aber viele junge Spieler haben durchaus einen Groll auf sie. Viele junge Spieler empfinden es als es sehr frustrierend, dass es dort andere Spieler gibt (von denen sie der Meinung sind, dass sie mit ihnen Schlitten fahren können), die öffentliche Anerkennung, Jubel und Aufmerksamkeit erhalten, während sie selbst nichts davon abbekommen.
Ich hatte immer das Gefühl, dass von der alten Generation eine gewisse Unehrlichkeit ausgeht. Einige reden die jungen Spieler klein, erklären sich zu den besten Spielern und proklamieren, die jungen Spieler hätten ohnehin keine Chance gegen sie.
Meine gedankliche Replik darauf: “Du kannst Dir einen von über 30 Online-Jungs aussuchen, gegen den Du online oder live NL 300 / 600 spielen kannst. Du machst es aber nicht. Offensichtlich glaubst Du also selbst nicht, was Du da grade über uns erzählt hast.”
Jetzt kann man der jungen Generation sagen, sie soll sich damit abfinden, aber sie werden sicherlich nicht einfach aufgeben, Anerkennung für ihr Spiel zu finden. Was dann passiert ist, dass, wenn man sie vor eine Kamera setzt und über eine Hand spricht, sie versuchen werden, so gerissen und überlegen wie möglich zu klingen, denn das ist ihre Gelegenheit, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie ein anerkennungswürdiges Talent haben.
Was die alte Generation verstehen muss
Jeder Spieler meiner Generation – die Wenigen von Abertausenden, die es an die Spitze geschafft haben – entspricht in der Regel demselben Typus: 90 Prozent von uns sind gescheite, introvertierte Menschen. Oder, wenn es Euch lieber ist: Nerds.
Es liegt gar nicht in unserer Natur, kontaktfreudig, schwungvoll und gesprächig zu sein und vielen von uns fällt dies schwer. Wenn Du einen Top-Internet-Spieler mit Kopfhörern am Tisch siehst, liegt das in 5 von 10 Fällen daran, dass er sich unwohl fühlt – nicht daran, dass er sich nicht um seine Umgebung schert. Und in 3 von 10 Fällen ist es schlicht aus Langeweile, denn 30 Hände pro Stunde passen nicht zu seinem ADHS.
Wenn er langsam spielt, liegt das in der Regel daran, dass er Angst hat, Du bekämest ansonsten einen Read auf ihn. Und wenn er dann einen anderen von “uns” findet und über fortgeschrittene Strategien spricht (was ich selbst übrigens hasse), liegt das entweder daran, dass es für ihn interessant ist und er endlich jemanden gefunden hat, mit dem er darüber sprechen kann oder daran, dass er dem Tisch und (vor allem) den Kameras etwas beweisen will.
Vieles von dem, was Dich stört, liegt nicht an unserer Generation (beziehungsweise ist sehr schwer für uns zu kontrollieren). Aber das heißt natürlich nicht, dass wir uns diesbezüglich nicht verbessern können.
Ist es nun die Verantwortung der alten Generation unsere Hand zu halten, um es uns leichter zu machen, während wir um hunderttausende Dollar spielen?
Natürlich nicht!
Aber sie können auch nicht erwarten, dass ein verschüchterter Junge, der noch nie im Scheinwerferlicht gesessen hat, irgendetwas anderes tun wird, als zu versuchen, so gut wie möglich zu pokern.
Was kann die junge Generation tun?
Nimmt man einen beliebigen 21-jährigen Physikstudenten, wird er fast sicher ein besseres Physik-Verständnis als Isaac Newton haben. Sollte dieser 21-Jährige nun mehr Respekt für seine Physik-”Fähigkeiten” bekommen als Isaac Newton?
Okay, Du hast ein viel tieferes technisches Verständnis von NLH und PLO als die alte Generation.
Ja, und?
Wenn Du in die Pokerwelt vor über 20 Jahren zurückgeworfen wärest, hättest Du höchstens mit einem Zehntel Deiner heutigen Geschwindigkeit gelernt. Es ist sogar wahrscheinlich, dass Du nicht einmal vom Poker hättest leben können und längst aufgehört hättest.
Die Pros, die über 20 Jahre im Poker-Geschäft überlebt haben, verdienen eine riesige Menge Respekt. Sie sind die Besten der Besten ihrer Generation.
Du kannst sie im Heads-Up NLH schlagen?
Schön für Dich!
Wir hatten einen unglaublichen Vorteil als wir die Pokerwelt betraten. Das Fundament war bereits gelegt (von der alten Generation), wir haben nur hinzugefügt und hatten dabei eine Menge Hilfe in Form von modernen Technologien. Die Tatsache, dass viele Spieler der alten Generation immer noch auf hohen Limits mithalten können, bezeugt ihre Intelligenz und ihre Fähigkeiten.
Vor fünf Jahren war ich einer der besten HUNL-Spieler der Welt. Nimmt man jetzt einen beliebigen ausgezeichneten $5/$10 Spieler von heute und schickt ihn mit einer Zeitmaschine zurück – er hätte den Phil von 2009 auseinandergenommen (zumindest für eine gewisse Zeit). Heißt das, dass ich keinen Respekt dafür verdiene, damals einer der besten Spieler gewesen zu sein?
Ich will nicht sagen, dass Du nicht stolz darauf sein kannst, ein starker Spieler zu sein und in der extrem harschen Online- oder Live-Poker-Welt überleben zu können. Das solltest Du. Nur solltest Du Dich nicht überlegen gegenüber Jemandem fühlen, nur weil Du ihn in einem bestimmten Spiel schlägst – insbesondere wenn Du drastische Vorteile in deiner Pokerausbildung hattest.
Die alte Generation hat mitgeholfen, das Spiel zu erschaffen, welches Du erst begeistert im Fernsehen gesehen hast und wovon Du jetzt Deinen Lebensunterhalt bestreitest. Respektiere das.
Und bitte, bitte: Hör auf am Pokertisch über Strategie zu sprechen!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 13.02.2014.