Bitte ich will mein Leben zurück und zwar sofort! Bis vor ein paar Wochen war eigentlich alles wunderbar. Der Kühlschrank gefüllt, das Wetter schön, ein paar Scheine in der Brusttasche. Perfektes Leben. Dann rief mich Toni Vardjavand an. Der Charmanteste, aber auch der Gefährlichste aus dem PokerOlymp-Team.
„Schrage, ich habe eine kleine Bitte an dich“ – Ich hätte es ahnen sollen, genau so beginnen doch immer die großen Lebenskatastrophen, aber weiter in Tonis Text: „Schrage, bitte kümmere dich ein wenig um Marcel Luske. Der ist Feuer und Flamme für unser Projekt, braucht aber vielleicht ein klein wenig technische und organisatorische Hilfe von uns.“ Dann noch ein orientalisch verschlagenes: „Du machst das schon!“. Und weg war der Toni – und mein angenehmes Leben war auch weg. Nur das wusste ich damals noch nicht.
Was ich schon wusste, war, dass Marcel Luske ein weltweit geachteter Pokerspieler ist. Wahrscheinlich einer der schlausten Jungs unter den High Rollern. Ferner gilt Marcel als Gentleman, hat witzige Ideen und singen tut er auch noch.
Gute Idee vom Toni, dachte ich mir, da bin ich genau der richtige Mann. Mit der Weltprominenz auf Du und Du. Wie in alten Zeiten als junger Reporter. Angefangen hat es mit Curd Jürgens. Alle Kollegen haben ihn in Paris oder Deutschland vermutet. Nur ich habe gewusst, dass Curd Jürgens in einer kleinen Wiener Klinik liegt. Drei Tage und drei Nächte habe ich in einem kleinen stinkenden Auto gewartet, um exklusiv die Story zu haben: „Curd Jürgens verlässt das Spital“. Nur Curd Jürgens war nicht kooperativ und ist einfach verstorben.
Mit Bud Spencer war ich Mittag essen. – Ich esse viel, er isst mehr. Nächtens unterwegs zu sein mit Udo Lindenberg kann ein wenig anstrengend sein, ausgehen mit Depeche Mode ist die Hölle. Und auch der selige Falco hatte eine sonderbare Interpretation, was gesundes Leben wirklich bedeutet. All das habe ich überstanden und noch viel mehr, neben weltweit anstrengenden Zicken wie Cindy Lauper und Nina Hagen. Kein Problem. Das Leben ist hart, ich bin härter. Dachte ich zumindest – dann kam Marcel Luske und alles war vorbei.
Wie formulierte Toni V. so reizend? „Ein klein wenig technische und organisatorische Hilfe“
Tränen des Schmerzes habe ich in den Augen. Mit Marcel Luske über die üblichen technischen Hilfsmittel (Telefon, Mail,Skype u.a.) zu kommunizieren, muss ähnlich sein wie mit Stevie Wonder Tischtennis zu spielen. Nur ein wenig komplizierter. Dabei ist er freundlich und hilfsbereit, aber nur wenn seine kleine Tochter das Telefon für ihn abhebt und ihm den Hörer richtig herum reicht (Jetzt sehe ich das mit der Brille auch mit anderen Augen).
Hoffentlich verrate ich jetzt keine Geheimnisse, er hat gezählte acht Handys. Von zweien weiß er den PIN-Code nicht mehr. Im dritten hat er seine Telefonnummern gespeichert, aber kein Guthaben. Handy vier ist einmal in die Badewanne gefallen und ruft selbständig nach dem Zufallsprinzip irgendeine Nummer an. Das Fünfte hat ein gebrochenes Display, weil sich Marcel nach einem großen Pot unabsichtlich drauf gesetzt hat (den Pot hat er gewonnen). Das sechste Handy findet er nicht mehr. Vom siebten weiß er, dass es in seinem Kofferraum liegt, aber er möchte den Kofferraum auf keinen Fall öffnen, weil da wahrscheinlich ein Waschbär drinnen wohnt („Es raschelt so komisch“). Und schließlich das Handy Nummer Acht, Display in Ordnung, Pin-Code bekannt, alle wichtige Telefonnummern gespeichert, Akku prall gefüllt. Aber mit dem Gerät telefoniert Marcel nicht, weil er „diese spezielle Telefongesellschaft boykottiert“.
Ich halt das nicht aus. Wie komme ich dazu? Eine Skype-Nummer hat Marcel auch, aber kein Headset. Wenn ich ihm ein Headset schicke, findet er sicher sein Netzkabel nicht, oder boykottiert die Stromgesellschaft. Habe ich eigentlich schon angedeutet, dass ich das nicht mehr aushalte? Jetzt weiß ich was ich tue. Gleich morgen kaufe ich 12 Brieftauben. Am besten holländische, kiffende Brieftauben. Sollen die Marcel Luske suchen fliegen. Vielleicht dürfen sie dann auch beim Waschbären im Kofferraum übernachten. Hätte ich bloß auf meine Mutter gehört und etwas gelernt! – Ich kann nicht mehr.
Götz Schrage
PS: Toni hat mich wieder angerufen. Erst wollte ich gar nicht abheben. Dieser Tausendsassa hat es geschafft. Ich weiß nicht wie, nächste Woche geht es los. Marcel Luske auf unserer Seite. Regelmäßig und in Farbe – und ohne mein Zutun. Danke Toni – Ich habe mein Leben zurück.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 06.10.2006.