Sieben US-Casinos und Carnival-Cruises setzen sie bereits ein. Das Nevada Gaming Control Board ist noch beim Testen. Ich spreche von der neuesten Entwicklung im Pokerboom. Elektronische Tische, ohne Dealer, ohne Karten, ohne Chips, beinahe wie Online-Poker. Und trotzdem, der Gegner sitzt am gleichen Tisch, ist physisch präsent, lässt sich verwirren, ausfragen und – kann seine Tells nicht verbergen.
Schon vor rund zwei Jahren wurde das Konzept von PokerTek Inc. entwickelt und CEO Christopher Halligan gibt sich optimistisch. Schließlich betrachten Casinos Poker keineswegs als profitable Einnahmequelle. Die Rake, die während der letzten Jahre zwar regelmäßig angestiegen ist, bringt immer noch wesentlich weniger ein als andere, weniger platzraubende Spiele, allen voran natürlich Automaten.
Am elektronischen Tisch wird Zeit gespart. Die Zahl der gespielten Hände pro Stunde liegt bei über 50. Das Mischen der Karten, das Austeilen und das Einsammeln, die Handhabung der Chips, das Kalkulieren von Side-Pots, all das fällt weg. Jeder Spieler lädt bei der Kassa ein Kärtchen mit Geld und davon wird auf den Stack, mittels Touch-Screen, umgebucht. Am gleichen Monitor erscheinen die verdeckten Hole-Cards, die ebenso durch Berühren des Screens erkennbar werden, wobei sich, durch das Verwenden beider Hände, unerwünschte Einblicke durch Andere vermeiden lassen.
Und was kostet so ein Tisch? Nun, die Investition ist beachtlich. Rund 125.000 Dollar sind dafür hinzublättern. Damit ließe sich ein Dealer, dessen Einnahmen ohnehin vorwiegend aus Trinkgeld bestehen, und der dadurch dem Pokerclub entsprechend niedrige Kosten pro Stunde verursacht, über mehrere Jahre hinweg bezahlen. Trotzdem, durch die beinahe verdoppelte Spielgeschwindigkeit (konservativ wird von 50% bis 60% mehr Händen gesprochen), fließt die Rake entsprechend rascher in die Kassen der Casinos. Sofern ein Tisch regelmäßig bespielt wird, sollte er sich innerhalb weniger Monate amortisieren.
Doch wie stehen die Spieler zu dieser neuen technischen Errungenschaft? Die Meinungen sind jedenfalls geteilt. Wer gewohnt ist online zu Pokern, der sieht nun endlich seinen Gegner, der ansonsten nichts anderes zeigt als seinen Phantasienamen, physisch vor sich sitzen. Wer regelmäßig gewinnt, erhöht seinen Profit durch das gesteigerte Tempo.
Doch vieles, was dem Pokerspiel am Brick&Mortar-Tisch seinen besonderen Reiz verleiht, fällt auch weg. Ich spreche dabei nicht nur vom ausgedehnten Erfolgsgenuss beim Sortieren gewonnener Chips, von der Magie des Berührens der Spielkarten, von all den kurzweiligen Details, denen jedes Zeitgefühl zum Opfer zu fallen scheint, sondern insbesondere von den vielen Anhaltspunkten und Verhaltensmustern, die uns am Live-Tisch oft wesentlich dabei helfen, die Gegner zu analysieren. Das Spiel mit den Chips, das so mancher, seinen Karten entsprechend, verändert. Der verräterische Blick auf den Stack, wenn die passende Karte auf den Tisch fällt. Die Art des Platzierens des Einsatzes oder der Klang der Stimme bei der Ankündigung.
Die somit auch nicht mehr nötige Konversation, schließlich passiert alles per Tastendruck, reduziert auch den Small Talk, was nicht nur der allgemeinen Atmosphäre schadet, sondern auch dem Einblick in die Gedanken und Emotionen des Gegners.
Nachdem ein neuer Pokerclub im Indianerreservat, Kahnawake, das Spiel auf elektronischen Tischen anbietet, konnte ich die entstehende Stimmung etwas näher unter die Lupe nehmen. Von zwölf zur Verfügung stehenden Tischen wurde ein einziger bespielt – an einem Samstag Abend. Es war der Tisch mit den niedrigsten programmierten Einsätzen. Hold’em, No-Limit, die Blinds auf 25/50 Cents! Frank, der Besitzer, schien zwar nicht sonderlich besorgt, doch auch mit der überhöhten Rake von 10%, gecappt mit 6 Dollar, wird es wohl lange dauern, um durch einen bespielten Tisch die Investitionen für elf andere hereinzukriegen.
Ich blieb nicht lange, setzte mich rasch wieder ins Auto und fuhr einen Kilometer weiter. Im „Plaza 138“ wurde ordentlich gespielt, neben dem täglichen Turnier an vier Cash-Tischen. Und als der Spieler links von mir seine Hole-Cards einsah, begannen seine Finger leicht zu zittern. Sein Limp-Reraise – und noch deutlicher zitterten die Finger beim Zählen der Chips – verwies dadurch deutlich auf A-A oder zumindest K-K. Ob mir das am elektronischen Tisch aufgefallen wäre, bezweifle ich.
Alex Lauzon
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 08.12.2007.