Der Mann der aus dem Nichts kam, oder aus Liechtenstein – was ja dem Nichts wirklich nicht unähnlich wäre. Markus Lehmann am Finaltisch der WPT in Barcelona. Niemand hat mit ihn gerechnet. Alle großen deutschen Namen scheiterten bisher an den drei Buchstaben. W.P.T.. Die unbezwingbare Nordwestpassage der deutschen Spielerpiraten bei stürmischer See. Kein Land in Sicht und keine Chance. Alle sind sie zerstellt an Riffs, die stolze Namen tragen wie Phil Ivey, Daniel Negreanu und Gus Hanson. Lediglich Chris Bigler konnte zweimal die Schweizer Flagge am Finaltisch eines WPT-Events hissen. Mehr war dann aber leider auch nicht.
Jetzt sitzt er da der Herr Lehmann zwischen den Granden wie Erik Seidel und Gus Hansen und will mehr als nur dabei sein. Im Hintergrund kommentiert Mike Sexton das Geschehen halblaut doch immer wieder, wenn es gerade ein wenig ruhiger wird, dringen Wortfetzen durch den Spielsaal: „……and another big pot for this crazy austrian businessman“. Viel mehr weiß Mike Sexton auch nicht über Markus Lehmann und das Wenige, was er zu wissen glaubt, muss dann wohl noch im Schneideraum korrigiert werden. Herr Lehmann zückt auf seinen wundersamen Reisen immer noch den deutschen Pass, obwohl ihm die Verleihung der österreichischen Ehrenstaatsbürgerschaft spätestens nach dem 16. Oktober gewiss wäre.
Am Finaltisch braucht man Nerven und Glück und wenn man beides nicht hat, kann nur noch ein Stromausfall helfen. Davor war es zäh gelaufen, keine Karten, keine Treffer bis die große Dunkelheit kam. Ein Defekt und spanische Techniker am Werk, immer eine spannende Kombination und zwei Stunden Pause.
Dann kam die Begegnung mit Gus Hansen. Markus Lehmann in maximal früher Position mit der Zuckerhand 8-7 suited und einem Respekt gebietendem Raise. Alle strecken die Karten, nur Hansen will kämpfen und schiebt mit A-10 rein, was Platz hat. Markus Lehmann gewinnt die Hand und seine gute Form zurück. Im Hintergrund nimmt Mike Sexton seinen Mut zusammen und übt im Stillen den neuen Namen. Keine leichte Aufgabe, weil dort wo Sexton herkommt machen nur Prediger und Looser den Mund richtig auf beim Sprechen. So wird aus Lehmann irgendetwas wie „Leeman“ und das Wort „crazy“ vermeidet Sexton auch, weil er spürt, das könnte heute der Abend des „Mr.Leeman“ werden. Und Mike Sexton spürte richtig. – Seidel weg, Hansen weg und Christer Johansson durfte auch schon an der Bar die ersten Drinks bestellen.
Nur der Franzose Ludovic Lacay wehrte sich noch. Dunkle Haare, dunklen Bartstoppeln, ein dunkles Kapuzenshirt und irgendwann dunkle Gedanken, nachdem er den entscheidenden Pot verloren hatte. Markus Lehmann gewinnt das WPT Championship Event. Mehr als €560.000 und einen Ehrenplatz in der deutschen Pokerhistorie. – Mike Sexton kommt mit einem Tablett voller Sektgläser, weil er weiß, was er dem Sponsor schuldig ist. Artig gratuliert er dem Turniersieger: „Congratulation Mr.Leeman“ sagt er und wieder bewegen sich seine Lippen keinen Millimeter dabei. Doch das ist Markus Lehmann egal. Er hat sein Ziel erreicht, die drei großen Buchstaben WPT sind bezwungen und nächsten Sommer wird er um die großen Vier spielen. – Die WSOP 2008 kann kommen! Herr Lehmann ist reisefertig.
Götz Schrage: „Herr Lehmann – Haben Sie beim Pokern immer ein Zange in der Hosentasche?“
Markus Lehmann: „Zange wieso?!“
Götz Schrage: „Gus Hansen hat mir erzählt, als es nicht so lief bei Ihnen, hätten sie geschickt und unauffällig ein paar Kabeln durchtrennt – und das zu seinem Schaden.“
Markus Lehmann: (lacht) „Sie spielen auf den Stromausfall bei der WPT an. Ja, das war schon komisch. Unmittelbar danach hatte ich die entscheidende Begegnung mit Gus. – Aber hätte nicht gedacht, dass er so was ernsthaft glauben kann.“
Götz Schrage: „Ich habe auch gelogen – das war quasi nur ein Test. Niemand hat mir irgendwas erzählt, aber ich hoffe Sie tun das jetzt.“
Markus Lehmann: „Was interessiert Sie denn? Was möchten Sie denn hören?“
Götz Schrage: „Nun, Sie sind ja irgendwie ein großer Unbekannter. Im Netz gibt es nicht viel zu lesen. Sie leben scheinbar nur in L-Orten wie Los Angeles, Liechtenstein, Las Vegas und Sie gewinnen beim Pokern in B-Orten wie Bregenz, Baden, Barcelona:“
Markus Lehmann: „Was Ihnen alles auffällt Herr Schrage. – Jetzt bin ich jedenfalls in A wie Amsterdam und hoffe, ich kann Ihre Theorien ein wenig über den Haufen werfen. – Und wie waren jetzt Ihre Fragen noch gleich?“
Götz Schrage: „Zum Beispiel das Buy-in für Barcelona – immerhin €7.500. Haben Sie sich da online qualifiziert oder einen Kleinkredit genommen?“
Markus Lehmann: „Herr Schrage – ich bin Geschäftsmann. Ich spiele Poker aus Spaß und Freude, aber ich habe auch eine erfolgreiche Karriere bei einem internationalen Direktvertriebsunternehmen gemacht und gehöre dort weltweit zu den Top10 Distributoren.“
Götz Schrage: „Wenn Warenproben oder etwas ähnliches für mich dabei herausspringen erwähne ich auch gerne den Namen der Firma.“
Markus Lehmann: (lacht) „Nun Herbalife wird Ihnen ja wohl etwas sagen.“
Götz Schrage: „Alles klar – also auch kein Zittern um einen Sponsorvertrag oder so?“
Markus Lehmann: „Nein – ich bin mein eigener Sponsor und trage mein Logo am Hemd“.
Götz Schrage: „Gut, aber das war ja nicht immer so – wir sind doch beide praktisch ein Jahrgang. Wie kamen Sie zum Pokern?“
Markus Lehmann: „Über das Backgammon, da war ich in meinen frühen Zwanzigern recht erfolgreich. Bin zu den Turnieren gereist und dann wurde auch immer noch Poker gespielt“.
Götz Schrage: „Damals noch Draw nehme ich und vielleicht 7 Card Stud?“
Markus Lehmann: „Richtig – wobei mehr 5 Card Stud und dann später „Harakiri“ – und das ist dann durchaus schon mit Hold’em verwandt.“
Götz Schrage: „Apropos Backgammon – Jetzt haben Sie Gus Hansen am Pokertisch besiegt. Wollen Sie ihm jetzt nicht noch am Backgammon Brett eine Lektion erteilen?“
Markus Lehmann: „Um Gottes Willen! Jetzt würfle ich nur noch mit meinem Sohn – und da muss ich mich auch bald anstrengen. (lacht)“
Götz Schrage: „OK, nochmals zu Herbalife – da geht es doch um Nahrungsergänzung und so gesunde Sachen. Sitzen Sie da mit dem Logo am Pokertisch und essen Ihre Pommes Frites mit Cola? – Oder ist man da immer im Dienst und muss brav bleiben?“
Markus Lehmann: „Das hat mit brav bleiben nichts zu tun. – Ich bemühe mich wirklich um ausgewogene Ernährung und meide an Turniertagen Kaffee, Cola und selbstverständlich alkoholische Getränke. Hinterher kann man immer noch feiern gehen.“
Götz Schrage: „Gut dann wünsche ich Ihnen, dass Sie auch in Amsterdam etwas zu feiern haben und hoffentlich kommen Sie bald einmal in W wie Wien-Städte.“
Markus Lehmann: „Auf jeden Fall sollte ich das tun und danke für die nette Unterhaltung.“
Götz Schrage: „Ich danke Ihnen für das nette Gespräch.“
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 07.11.2007.