Nach meinem Urlaub in Laos und Chiang Mai kam ich gut erholt wieder in Pattaya an. Reisen in Thailand ist wirklich angenehm wegen der guten Infrastruktur. Das Bussystem funktioniert perfekt und überall gibt es günstige Gästehäuser. Vom hervorragenden Thaifood fange ich erst gar nicht an zu schwärmen.
So ging ich wieder voller Zuversicht an die Pokertische. Ich musste mich wie nach jeder Auszeit immer einige Tage wieder warm spielen. Nach fast 1.000 Turnieren hatte ich immer noch keinen nennenswerten Gewinn erzielt. Dies war umso härter, weil nach dem Urlaub meine bescheidene Bankroll wieder mal im Keller war und ich dringend Geld brauchte.
Schon seit Monaten las ich bei twoplustwo und in Blogs, dass SNG Spieler zu No Limit wechselten und da wesentlich mehr Geld verdienten. Nachdem Pokerstars die Software änderte, hatte ich zusätzlich Probleme 8-9 Tische zu spielen, da die Hände wesentlich schneller ausgeteilt wurden. So beschloss ich zu No Limit cash Game zu wechseln.
Der Wechsel gestaltete sich schwieriger als erwartet. Ich hatte zwar schon einige NL Erfahrung aber nach tausenden Turnieren, dachte ich noch zu sehr als SNG-Spieler, wo es ja korrekt ist, bei höheren Blinds mit schlechten Händen all-in zu gehen.
Ich machte den Fehler, die Hände meiner Gegner zu schwach einzuschätzen. Hinzu kam ein weiteres Problem: Die Internetverbindung in Thailand ist nicht so zuverlässig wie in Deutschland.
Zu gelegentlichen Stromausfällen (insbesondere in der Regenzeit) kommen Ausfälle der Internetanbieter. Gegen die Stromausfälle hatte ich mir einen USV-Akku (unterbrechungsfreie Stromversorgung) gekauft und aufgrund der Providerprobleme hatte ich zwei unterschiedliche Anbieter mit unabhängigen Leitungen. Leider hatte ich bei Ausfällen teilweise für einige Minuten kein Internet. Bei Turnieren ist das insbesondere in der Anfangsphase des Turniers nicht so schlimm. Bei No Limit habe ich einige größere Pötte durch diese Ausfälle verloren. Ich kann mich noch gut erinnern wie ich das Nut Full House floppte und zwei Mitspieler am Turn all-in gingen. Ich brauchte nur noch zu callen, um einen Monsterpot zu gewinnen und plötzlich hatte ich kein Internet mehr.
Minutenlang versuchte ich verzweifelt, die Verbindung zu aktivieren und war danach natürlich erstmal für den Tag bedient.
Nach einigen frustrierenden Wochen als No Limit Spieler versuchte ich mich bei Heads–Up Turnieren. Es waren zwar auch SNG, aber bei HU gibt es wesentlich mehr Post-Flopspiel als beim SNG, was dem stärkeren Spieler zugute kommt.
Allerdings ist die Psychologie bei Heads-Up viel wichtiger als bei einem Turnier mit neun oder zehn Teilnehmern. Da reicht es zu wissen, wann man all-in gehen muss bzw. ein All-in callen muss. Die bad beats bekommt man bei 8 Tischen auch kaum mit.
Bei HU-Turnieren ist die Möglichkeit, auf Tilt zu kommen, viel größer. Der Zwang, viele schlechte Hände zu spielen, überfordert viele unerfahrene Spieler. Entweder spielen sie viel zu wenig Hände oder sie pushen marginale Hände zu früh um Post-Flopsituationen zu vermeiden.
Während ich also vorher Pokerbeamter war, der seinen Stiefel durchspielte, wurde ich jetzt zum Pokerpsychologen. Bei HU sind die eigenen Karten viel weniger wichtig als bei anderen Pokerarten. Viel wichtiger ist zu wissen, in welcher Stimmung der Gegner ist: Frustriert weil du sechsmal den Pot gewonnen oder ausgesuckt hast? Vorsichtig, weil du immer solide Hände gezeigt hast? Oder nimmt er deine bets nicht ernst, weil du beim bluffen „erwischt“ wurdest? Die Einschätzung des Gegners ändert sich ständig.
Ich entdeckte, dass mir die Arbeit als Pokerpsychologe viel mehr Spaß machte, als vorher als Pokerbeamter. Allerdings ist das einzelne Turnier auch wesentlich anstrengender als ein SNG-Turnier. Deshalb spielte ich auch nur 2 Tische.
Dadurch wurde der Stundenlohn deutlich geringer, da ich zunächst nur kleinere Buy-ins von 22$ und 33$ spielte. Mein Ziel waren Turniere mit einem Einsatz von über 100$, da nur so der Lebensunterhalt mit HU-Turnieren gesichert werden kann.
Im letzten Teil erfahrt Ihr, warum ich nach zweieinhalb Jahren wieder nach Deutschland zurückgekehrt bin.
Florian S.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.08.2007.