Sonntagabend MEZ. Drüben an der Westküste wird gerade Mittag gegessen. Das Interview ist lang vorher per Mail bestätigt worden. Zehn Minuten waren eigentlich vereinbart, fast 40 Minuten sind es dann letztlich geworden. – Bei den Vorbereitungen musste ich mich an die alten Zeiten erinnern, als Hold’em im deutschen Sprachraum praktisch eine unbekannte Pokervariante war. Kein Internet, kein Cardplayer erhältlich und selbstverständlich keine Übertragungen im Fernsehen. – Für diesen kleinen Kreis der Hold’em Veteranen war David Sklansky und sein „Theorie of Poker“ eine Art Bibel und die Person Sklansky eine Art Einstein mit ein Paar Assen in der Hand.
Und jetzt 15 Jahre später darf ich mit dem Meister persönlich sprechen und sollte vielleicht dann auch noch keine frechen Fragen stellen? Wie auch immer, ich war vor dem Gespräch nervös wie selten und beinahe hätte ich absichtlich eine falsche Nummer gewählt. „Leider nicht erreicht – hat es sich wohl anders überlegt“. Jeder in der Redaktion hätte mir wohl geglaubt. Aber man muss auch manchmal Mut haben und jede Zahl hat gepasst, jede Taste habe ich getroffen und wie das so ist, wenn man absichtlich die richtige Nummer wählt, hebt auch der richtige Mann das Telefon ab. – Wir haben uns über Poker, Ehebruch, Zsa Zsa Gabor und Sigmund Freud unterhalten. Mr.Sklansky hat mir einen neuen Namen verpasst mit dem ich auch in den USA Karriere machen könnte. Dann gibt es noch eine $50 000 Wette und einen Deal. – Viel Spaß wünsche ich Ihnen mit dem folgenden Interview. Wir haben uns selbstverständlich auf Englisch unterhalten und ich habe dann Fragen und Antworten ins Deutsche übertragen. Nochmals viel Vergnügen!
Götz Schrage
PokerOlymp: (das Telefon läutet quälend lang bevor jemand abhebt): „Mr. Sklansky? Der echte Mr.Sklansky aus Fleisch und Blut. Quasi richtig ein Mensch und keine mathematische Maschine!“
David Sklansky: „Ja, der bin ich! Und ich glaube, ich bin echt. Sehr echt sogar. Wie kann ich Ihnen das beweisen?“
PokerOlymp: „Nun ich könnte Ihnen eine kniffelige Frage nach Gruppen stellen. Q9 offsuit versus 55. Aber das Problem ist, ich bin so beeindruckt. Ich habe die Antworten vergessen und Sie könnten mir alles erzählen.“
David Sklansky: „Mr.Shrek – Haben Sie denn meine Bücher überhaupt gelesen?“
PokerOlymp: „Schrage - Schraaaage – Nicht Shrek!“
David Sklansky (bemüht sich vergeblich): „Sorry Mr.Shraks“
PokerOlymp: „Egal- kein Problem. Bleiben wir bei Shrek. Habe da gleich mal eine Frage. Kennen Sie Ihren Wikipedia-Eintrag?“
David Sklansky: „Ehrlich gesagt, nicht wirklich! Sollte ich?“
PokerOlymp: „Sie sind unter folgenden Oberbegriffen eingeordnet. „American Poker Players“
David Sklansky: „Ich gestehe – Korrekte Angabe“
PokerOlymp: „Dann unter „Living People“.
David Sklansky: „Sehr beruhigend und erfreulich zugleich.“
PokerOlymp: „American non-fiction writers – Das mit dem „non-fiction“ sehe ich aus leidvoller Erfahrung anders.“
David Sklansky: (lacht lauthals) „Mr.Shrek“ – (verschluckt sich dabei. Fast muss das Interview unterbrochen werden.)
PokerOlymp: „Moment Mr. Sklansky. Das war noch nicht der komische Teil. Was mich amüsiert. – Es gibt Milliarden Information im Netz. Aber das Jahr Ihrer Geburt wird in allen Profilen verschwiegen. Bei Wikipedia werden Sie unter „year of birth missing“ geführt. Ist soviel Eitelkeit nicht peinlich für einen Mann? Sogar Zsa Zsa Gabor hat ein „probably born 1917“ stehen und Sie verschweigen das Geburtsjahr komplett? Warum?“
David Sklansky: „Jetzt haben Sie mich erwischt Shrek! Für welches Magazin schreiben Sie nochmals?“
PokerOlymp: „Ich arbeite für PokerOlymp – gibt es nur auf Deutsch. Sie könnten mir das jetzt und hier exklusiv verraten. Dann werde ich vielleicht berühmt und Sie fühlen sich besser.“
David Sklansky: „OK 1947 – nächste Frage bitte“
PokerOlymp: „Bleiben wir mal bei Persönlichem. Sie sind doch jetzt ein reicher Mann. Wahrscheinlich Millionär? Darf ich Ihnen einen Rat geben?“
David Sklansky: (zögernd) „Ja gerne“ – (man spürt und hört aber, wie er gerade bereut das Telefon am Sonntag abgehoben zu haben.)
Zsa Zsa GaborPokerOlymp: „Mr.Sklansky. Spielen Sie nicht Poker wie Mr.Sklansky. Das ist so langweilig, keiner kann Sie leiden am Tisch und große Siege gibt es auch nicht. Spielen Sie doch lieber ein wenig wie ein Donkey, das macht garantiert mehr Spaß und die Spieler fangen an, Sie zu mögen.“
David Sklansky: „Sie haben schon Recht. Poker ernst nehmen, heißt Poker arbeiten. Das ist sehr technisch und auch langweilig. Ich habe da in jungen Jahren ein Trick entwickelt, der hat nichts mit Mathematik und Wissenschaft zu tun. – Ich habe mir immer den Anzeigenteil der Zeitung mit zum Pokertisch genommen. Dort, wo unqualifizierte Hilfsarbeiten vergeben wurde. Und wenn ich dann gemerkt habe, dass ich zu viele Hände spiele und ungeduldig werde, habe ich mit die Stellenangebote durchgelesen samt schlechten Löhnen und mir dann gedacht – Dann spiele ich lieber doch gutes Poker. – Langweilig kann Poker durchaus sein. Aber nicht bei den großen Turnieren und tatsächlich spiele ich mitunter jetzt auch ein wenig „lustiger“. Nur muss ich dass dann meist hinterher erklären und die Spieler sind dann ganz beleidigt, wenn ich mich einer Trash-Hand ihre Premium-Hand besiege.“
PokerOlymp: „Apropos Wissenschaft und Mathematik. Gilt Ihre Wette noch? Kann man sich da noch anmelden. Könnten wir bei PokerOlymp einen Aufruf starten und wenn sich wer meldet, treten Sie an?“
David Sklansky: „Selbstverständlich! Nur zu. Ich stehe zu meinem Wort und natürlich zu meiner Wette.“
PokerOlymp: „Ich wiederhole das jetzt mal in groben Zügen für unsere Leser. Sie unterstellen, dass insbesondere christliche Fundamentalisten nicht die hellsten Köpfe im wissenschaftlichen Sinne sind und bieten folgende Wette an. – Wenn sich jemand findet, der folgende Zwei-Phasen-Prüfung übersteht, bekommt er von Ihnen bar ausbezahlt $50.000. Erste Prüfung, er muss im Lügendetektor Test beweisen, dass er wirklich glaubt, dass Jesus wiederauferstanden ist und, dass alle jene, die das nicht für die Wahrheit halten, in die Hölle kommen. – Phase Zwei, wenn der Kandidat diese Hürde überwunden hat, muss er bei einem objektiven mathematischen Test besser abschneiden als Sie. Dann gibt es das Geld sofort.“
David Sklansky: „Genauso ist es! Wobei ich ernsthaft weder die Katholiken noch die Protestanten beleidigen möchte – Ich spreche ausdrücklich von den Fundamentalisten.“
PokerOlymp: „Alles klar. Wechseln wir elegant das Thema. Kommen wir wieder zurück zu Ihren Strategien. Ihren Thesen und Sigmund Freud.“
David Sklansky: „Sigmund Freud?! Nur zu – Sie rufen mich ja schließlich aus Wien an. Da dürfen Sie das.“
PokerOlymp: „Nun, ich meine Sie haben es weit schwerer als Freud. Ihre Thesen und Theorien sind auch angreifbar und immer wieder aufs Neue wert, kritisch überprüft zu werden. Nur bei der Psychoanalyse hat es drei Generation gebraucht, bis die Patienten sich gefragt haben: Liege ich bei mir zu hause auf der Couch nicht besser und vor allem billiger? – Wenn Sie Ihre Tour durch die Casinos machen, werden Sie dann nicht immer wieder aufs Neue mit Ihren Thesen und deren Umsetzung konfrontiert? So in der Art: Was sagen Sie dazu Mr. Sklansky? Jetzt werfe ich AQ offsuit wegen Ihrem Buch bei jedem Raise weg und verliere noch viel mehr beim Pokern!“
David Sklansky: „Der wichtigste Unterschied zwischen Freud und mir ist, dass ich niemals wagen würde, jemanden zu unterstellen, er träume davon, mit seiner Mutter zu schlafen! Und ganz real, irgendwie tun das die Spieler interessanterweise nicht. Wahrscheinlich wissen sie, dass so viele Profis gut gefahren sind mit meinen Ratschlägen und deshalb suchen sie dann eher die Schuld bei sich.“
PokerOlymp: „Bleiben wir gleich bei den Professionals. Heute hat man den Eindruck die nachwachsenden Professionals rauchen nicht mehr. Sie leben gesund, trinken keinen Alkohol. Wenn jetzt Pokerspieler noch aufhören, ihre Frauen zu betrügen, was ist dann noch cool an dem Sport?“
David Sklansky: (lacht) „Mr.Shrek. Sie sind ein Romantiker. Wenn Sie so möchten, ist da einzig und alleine das Geld schuld. Früher als es keineswegs um solche Summen wie heut ging, waren es viele Gestrandete des Lebens, die da nochmals eine Chance vorfanden und genutzt haben nach oben zu kommen. Mit all dem Sponsoring, den Fernsehübertragungen und den immensen Preisgeldern wird Pokern für eine viel breitere Schicht auch der Top-Leute interessant. Die alten Zeiten werden wohl nie mehr wiederkehren und diese wahren Goldgräber Storys werden in den Legendenschatz wandern.“
ShrekPokerOlymp: „Meine Abschlussfrage. 2006 war ein Jahr der Veteranen. Sie hatten in Atlantik City mit dem 3.Platz und mehr als 400k einen Supererfolg. Mike Sexton beim WSOP Tournament of the Champions nach weit mehr als einem Jahrzehnt mit $1.000.000 einen „Big Point“. Einfach günstige Sterne gehabt, oder hat sich die Poker-Community erbarmt, lass mal die alten verdienten Recken wieder ordentlich ins Preisgeld kommen?“
David Sklansky: (lacht) „Interessanter Gedanke. Bei Mike Sexton will ich gar nichts dazu sagen. Bei mir stimmt es insofern, dass es nach sehr langer Zeit mal wieder eine große Summe war, die ich bei einem Turnier gewonnen habe. – Aber wahrscheinlich, weil ich jetzt wieder mehr Zeit habe und mich mehr ins Turniergeschehen werfe. Da kommt noch mehr! Glauben Sie mir Shrek. Reden wir in einem Jahr.“
PokerOlymp: „Doch noch eine wirklich abschließenden Abschlussfrage. Wann spielen Sie mal in Europa? Beziehungsweise, habe Sie das schon mal getan?
David Sklansky: „Ich war mal in Moskau. Moment. Und ich war mal in London. Moment!“ (denkt nach)
PokerOlymp: „Ich meinte Europa! Richtiges Europa! – Wien zum Beispiel, oder Berlin!“
David Sklansky: „Ja ich habe schon gehört. In Wien kann man gut Poker spielen? Ich glaube aber, das Rake war so teuer, kann das sein?. – Vielleicht komme ich wirklich. Mr. Shrek – würden Sie mir dann alles zeigen?“
PokerOlymp: „Wenn Sie versprechen, nicht über das Rake zu diskutieren!“
David Sklansky: „OK“
PokerOlymp: „Wenn Sie weiters versprechen, nicht über die Klimaanlage und die Qualität der Kellner zu jammern“
David Sklansky: „OK – kein Problem. Sie haben mein Wort!“
PokerOlymp: „Gut – dann gehe ich gerne mit Ihnen in Wien ins CCC. Versprochen!“
David Sklansky: „Mr. Shrek – Wir haben einen Deal.“
PokerOlymp: „Danke Mr.Sklansky für das Gespräch.“
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 23.04.2007.