Heute will ich wieder ein kleines Geheimnis verraten. Außerdem habe ich noch einen wirklich guten Ratschlag – aber den gibt es erst ganz am Schluss. Davor muss ich vielleicht ein wenig erklären, was ich meine.
Viele Menschen glauben, dass wir Profispieler kalte Maschinen sind, die mit Odds ins Bett gehen und am Morgen mit Outs aufstehen. Wo es in jedem Pot und jedem Duell um mathematisch korrektes Spiel geht und unsere Nerven sind sowieso aus Stahldraht. – Also so ist das ganz sicher nicht. Ich kenne ja wirklich die besten Spieler der Welt recht gut persönlich und ich kenne auch ihre kleinen Macken und so weiter. Aber das muss natürlich doch mein Geheimnis bleiben. Dafür kann ich ein wenig von mir selbst verraten.
Ich glaube ganz fest, dass es so etwas gibt wie einen Lauf. Im positiven wie im negativen Sinne. Manchmal kann man noch gut spielen und alles richtig machen und hat trotzdem nicht die geringste Chance. Wobei ich muss ehrlich zugeben, das meiste darüber habe ich nicht am Pokertisch gelernt, sondern bei den gar nicht so hoch angesehen „anderen Casinospielen“ wie Roulette, Baccara und Blackjack.
Fangen wir mit Roulette an, ein Spiel, das ich eigentlich absolut niemals spiele. Außer natürlich es steht ein wirklich hübsches Mädchen dort. Noch dazu eines, das ich kenne. Mir ist da folgendes passiert. Ich war in Superform, wirklich alles ist mir gelungen und ich komme ins Casino in Amsterdam um Blackjack zu spielen und dann sehe ich „sie“ da stehen. Ich geh also hin und sie fängt mir schon an zu erzählen. Immer spielt sie 28, 29, 7 und keine der Zahlen sei die letzten 35 Mal gekommen. Und so weiter, wie Spieler im Casino immer reden. Natürlich hätte ich ihr jetzt viel sagen können darüber, aber stattdessen habe ich mich zum Croupier gewandt, Geld aus der Tasche packt: „Jeweils 100 auf 28,. 29 und 7“. – Selbstverständlich ist die 28 gekommen. Als ich mich dann umdrehe in meinem Triumph, war sie verschwunden. Mitten im Satz – Also, so gut war dann meine Form doch nicht. Der Dealer hat mich gefragt: „Cash oder Jetons“ und ich habe geantwortet: „Cash natürlich, weil ich ja „nie“ Roulette spiele“.
Eine andere Story über wirklich gute Form. Da gab es einen Jockey in Holland, der war zwar dumm wie Pferdestroh, hatte aber einen Superlauf. In den legalen Casinos und auch in den anderen Clubs hatte er über Wochen gewonnen. Ich hatte damals selbst einen Tisch in einem Club stehen und auf dem haben wir hauptsächlich Blackjack gespielt. Jedenfalls einer dieser kleinen Schlepper wollte mir den Jockey bringen und hoffte dann auf eine kräftige Provision, wenn das Geld bei mir landen würde. Und tatsächlich, der Jockey kam und spielte und ich war die Bank. Beim Pokern würde man sagen „heads-up“. Er machte wieder alles falsch und genau deshalb gewann er unverhältnismäßig viel. Nach 60.000 Gulden war ihm dann langweilig und wir haben auf Baccara umgestellt. – Unglaublich wie viele Fehlentscheidungen man auch bei diesem Spiel treffen kann. Allerdings haben mich seine „Fehlentscheidungen“ leider nochmals 140.000 Gulden gekostet und dann war er weg, verschollen und ich fast pleite. In seiner guten Form war er für mich einfach unschlagbar.
Nach ein paar Wochen kam er dann wieder. Eher zufällig, wie er sagt, aber ich schöpfte neue Hoffnung. Wir haben den Tisch gestartet und man merkte gleich, der Zauber ist vorbei und die Bank – meine Bank – war dabei, sich durchzusetzen. Dass der Jockey fast kein Geld mit hatte, war für mich kein Problem, ich wusste ja von seinen Triumphen der letzten Zeit. Mir war nur wichtig, dass ich mein Geld zurück gewinnen konnte und so habe ich ihm einstweilen 50.000 Gulden Avance gegeben. Für mich war er einfach ein Freier, der viel Glück gehabt hatte und ich hoffte, dass sein Lauf jetzt zu Ende sei. Nur leider war ich der „Freier“! Der Junge hatte inzwischen alles verloren und alle wussten das, außer mir. Und so habe ich die 50.000 Gulden niemals zurückbekommen. Den Schuldschein habe heute noch irgendwo.
Aber ich hatte etwas gelernt, was mir auch beim Poker spielen nützt. Es gibt eine Menge Dinge auf die ich achte, die sicher nichts mit Mathematik und dem was man „korrektes Spiel“ nennt, zu tun hat. Wer hat gerade eine gute Form? Besonders gegen mich? Wem weiche ich eher aus? Und gegen wen gehe ich einmal mit einer Troublehand in den Angriff? Und auch wenn ich mich überhaupt ganz aus der Schusslinie halte.
Zum versprochenen Ratschlag und den hätte ich in meinem Leben besser auch schon früher beherzigen sollen. Es geht darum, wie man sich verhalten soll in ganz schwierigen Zeiten. Das steht in keinem Pokerbuch und ist so gut, dass ich ihn nur meinen Freunden von PokerOlymp verraten möchte. Wenn Sie so richtig einen schlechten Lauf haben und merken, dass die Form hundert Kilometer entfernt ist, gibt es den Vollblutspieler nur eine Möglichkeit. Sperren Sie Ihre Eingangstür von innen ab. Am besten doppelt! Dann gehen Sie ins Badezimmer und spülen den Schlüssel zur Toilette hinunter. Das ist besser und billiger. Hoffentlich ist der Kühlschrank gut gefüllt.
Bis bald.
Euer Marcel
PS: Wenn Sie zufällig an einem Blackjack Tisch einen (inzwischen sicher grauhaarigen) kleinen holländischen Jockey sehen, der ganz sicher alles falsch macht und trotzdem 20.000 Euro vor sich stehen hat. Bitte nehmen Sie ihm die einfach weg und bringen Sie das Geld mir. Wir machen dann fifty/fifty.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 20.08.2007.