Endlich wieder fast zu Hause und das ist im Moment eindeutig Odessa. Exakt der Taro Club in Sichtweite zum Schwarzen Meer. In der Stadt kenne ich mich jetzt schon ein wenig aus.Die Leute freuen sich, mich zu sehen – ein Zustand, der mir normalerweise Sorgen bereitet, nur dürfte die Herzlichkeit im Süden des Riesenlandes keineswegs gespielt sein, sondern hat wohl mit dem immer schönen Wetter zu tun.
Das letzte Mal habe ich mich aus Moskau gemeldet, oder war es Nova Gorica? Egal, jedenfalls mein Londoner Abenteuer habe ich bisher verschwiegen. Die Wunde war wohl noch zu frisch. Aber gestärkt durch eine schöne ukrainische Siegesserie möchte ich jetzt ganz tapfer sein und darüber schreiben. Es ist schnell erzählt, am Morgen nach London gedüst. 7000$ Buy in abgelegt für das „PartyPoker World Open III“. Zwei Stunden mit Grausen meine Karten weggeworfen, bevor ich mich dann endlich gleich über zwei Asse in einer Hand freuen durfte. Mein Gegner Dame, Zehn und der Flop mit Q,8,5 erschien durchaus profitabel.Noch dazu, nach der Londoner Stadtverfassung+ darf das Top-Pair unter keinen Umständen weggeworfen werden. Das ist strengstens verboten. Während ich noch am Überlegen war, wie ich meinen Gegner dazu animieren könnte, sich maximal selbst zu beschädigen, war ich schon im Check-Raise gefangen und „all-in“. Selbstverständlich war ich am Turn mit dem pünktlichen Eintreffen einer nur scheinbar unschuldigen Zehn der Beschädigte und „hatte fertig“ mit dem Turnier.
Eine demütig teure Nacht in einem winzigen Hotelzimmer mit riesigen Preisen und selbstverständlich vor meinem Fenster der obligate Presslufthammer. Wo ich nächtige, freut sich die Bauindustrie, weil der Auftrag, mich ab 7:00 Uhr morgens mit gefühlten 100.000 Dezibel an meine jammervolle Existenz zu erinnern, ist garantiert.
Hier in Odessa werde ich geschont. Schon alleine, weil der Kreis der Highroller im Moment ein wenig ausgedünnt scheint. Nicht, weil ihnen das Geld ausgegangen ist! Weit gefehlt, wahrscheinlich schippern sie auf ihren Yachten und genießen das schöne Wetter. Trotzdem gibt es praktisch jeden Abend eine hohe Partie. Und eine „hohe Partie“ in der Ukraine, das bedeutet, es geht wirklich zur Sache. Immer dabei und im besten Sinne wahre Zocker vor dem Herrn, sind meine beiden neuen Freunde Michael Galytskyy und Valentin Popov. Im Moment im Dauerstress, weil am Abend wird gepokert und am Tagwird das eigene Lokal fertig gestellt. Am 1.Juni ist es soweit, da eröffnet in bester Lage und in absolut luxuriöser Ausstattung der „Poker Club Odessa“ (ein höchst origineller Name – wie kommt man nur auf so was?). Von außen durfte ich schon im Namen von PokerOlymp ein wenig reinschnuppern und selbstverständlich habe ich fest vor, zur Eröffnung da zu sein. Besonders reizvoll die Pool-Anlage, die zum Gebäudekomplex gehört. Nach einem Bad Beat kann man sich ins Wasser stürzen und solange man noch Jetons am Tisch hat, wird einen der Floorman sicher retten.
Einstweilen zocke ich eben hier im ebenfalls sehr gut geführten „Taro Club“. Die Atmosphäre ist immer noch sehr hitzig und geladen. Wer sich auf die gefährlichen Plätze an der Seite des Dealers einlässt, muss mit tief fliegenden Karten rechnen. Es wird geschrieen, gebrüllt und dann wieder laut gelacht und ich weiß nicht, warum. Da gibt es Spieler, die stopfen ungerührt einmal $40.000 in die Partie, ohne Jammern, ohne Klagen. Und dann zieht der Dealer vielleicht im falschen Moment eine Augenbraue einen ukrainischen Millimeter nach oben und schon wünscht man die GSG9 mögen einen evakuieren. – Gestern hatten wir es gemütlich, gestern war Stromausfall. Komplette Finsternis, aber nur für einen kurzen Moment. Mit einer Selbstverständlichkeit wurden Kerzen verteilt und jeder Spieler hatte dann ein flackerndes Licht vor sich stehen. Und in der Mitte des Tisches stand eine dicke fette Kerze, die gehört niemandem. Die war für alle da. Nur Kellner gab es nicht, aber die hätten den Kühlschrank ohnedies nicht geöffnet, weil man weiß ja nicht, wann der Strom wieder kommt. Es war so nett und friedvoll, geradezu weihnachtlich. Die Pots waren weiter riesengroß, nur geschimpft wurde nicht mehr. – Egal, ich hoffe, heute Abend gibt es wieder Stromausfall. Ich habe nämlich eine deutsche Taschenlampe mit echten deutschen Batterien in meinem Reisegepäck. Und mit diesem unerhört effizienten Hilfsmittel werde ich ganz sicher den ganzen Tisch beherrschen. Melde mich wieder in ein paar Tagen und für all jene, die brav den ganzen Text gelesen haben, gibt es zur Belohnung noch ein Jobangebot. Für die Eröffnungswoche sucht der „Poker Club Odessa“ noch ein paar Gastdealer. Wer Interesse hat kann sich gerne bei mir melden.
Christoph Haller – ehrenamtlicher PokerOlymp Reporter live aus Odessa
+ Ich habe mich übrigens bei Toni Blair in Schriftform über die Londoner Stadtverfassung, die eigentlich auf die „Magna Carta“ zurück geht, und den Verlust meines Paar Assen beschwert. Leider hat Toni Blair nicht geantwortet, aber die Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt verkündet. Immerhin!
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 11.05.2007.