Also es gibt viel zu erzählen. Erstmals mein Megaerfolg beim $2.000 Main Event des „Black Sea Poker Championship“. Stolzer fünfter Platz – allerdings nahmen nur sechs Spieler an dem Turnier teil, aber das verrate ich ja keinem. Und ich habe eine neue berufliche Option hier in Odessa gefunden. Sollte es mal mit dem Pokern nicht so laufen, kann ich hier jederzeit als Komiker im Rotlicht anfangen. Ich habe zwar nur einen Gag, aber der zieht und hat offenbar die absolute Lachgarantie! – Fangen wir mal extrem jugendfrei an.
Am Karfreitag faste ich traditionell. Von Mitternacht bis Mitternacht esse ich gar nichts. So katholisch bin ich schon. Allerdings verbringe ich von 24 Stunden gelebter Religiosität wieder 21 Stunden am Spieltisch. Nur, von Pokern steht ja – beinahe hätte ich jetzt „Gott sei Dank“ geschrieben – nichts in der Bibel. Dementsprechend hungrig war ich dann heute morgen. Zusammen mit Frank Koopmann, der ja seine Figur auch nicht bei der Glücksspirale gewonnen hat, sind wir dann losgezogen und haben für $100 ein Riesenfrühstück für den ganzen Tisch geordert. Wobei ich diese Nacht durchaus meine Zweifel hatte, ob es überhaupt noch eine weitere Mahlzeit in meinen Leben wird geben dürfen. Es herrschen schon raue Sitten und die zwei kahlköpfigen Securitys stehen definitiv nicht als Raumschmuck im Casino.
Vor dem Casino
Es wird geschrieen, gedroht, gebrüllt. Die Dealer freuen sich, dass sie nur mit zerknüllten Karten beworfen werden und wer genau richtig laut schreit, hat dann gewonnen. Für uns Mitteleuropäer ist diese akustische Linie schwer zu verstehen. Man kann sehr laut brüllen und es passiert nichts weiter und wenn man ein bisschen lauter brüllt, kommen im Höllentempo die Männer von der Sicherheit. Richtiges Brüllen ist auch wichtig bei allen Arten von Sidepots. Wobei auch lautes Freuen durchaus hilft. Wenn zum Beispiel jemand mit dem kleinsten Stack all-in geht und sich dann genau in der richtigen Lautstärke freut, gehören ihm mindestens gleich einmal die ersten beiden Sidepots. Wenn man sie ihm dann wieder wegnehmen möchte, muss er sich halt wehren. Ebenfalls brüllend. Die zerknüllten Karten am Boden werden meist gar nicht aufgehoben, nur die unversehrten, damit sie nicht wieder ins Spiel kommen. Weil Ordnung muss sein.
Mit dem Trinkgeld ist das so eine Sache. Odessa ist ein Casino, wo man das Servierpersonal und die Dealer mit Trinkgeld bestrafen kann. Und das geht so – Offenbar gibt es eine fixe Entlohnung, wahrscheinlich pro Stunde. Wenn man also nur bezahlt, ist das ein freundlicher Akt, wenn man aber etwas mehr gibt, bedankt sich keiner und man hat das Gefühl, es mag einen auch keiner. Höchststrafe ist es, ein Getränk zu bestellen, das sagen wir mal einen Dollar kostet. Dann aber zwanzig Dollar zu geben und „thank you“ zu sagen. Dann hat man der Kellnerin den Tag aufs Gründlichste verdorben. Und wenn Blicke töten könnten, aber lassen wir das.
Kein Problem mit finanziellen Zuwendungen hätten die vielen jungen Damen, die uns außerhalb des Casinos so häufig ansprechen. Um keine Zeit zu verlieren und auch um Missverständnisse zu vermeiden, sagen die meist nur ein Wort – „SEX“. Und weil sie uns offenbar hier für dämlich halten oder glauben, wir könnten nicht gut genug englisch, wiederholen das die Mädchen immer wieder. Ich habe zuerst mein einziges russisches Wort ausgepackt und habe „spasivo“ gesagt. Das heißt höchstwahrscheinlich „Danke“. Hat aber nicht funktioniert. Irgendwie konnte ich nicht diese negierende Sprachmelodie entwickeln oder es wurde bewusst als „Au ja DANKE – eine Superidee“ interpretiert. Und jetzt komme ich zu meinem Mega-Gag. Wenn ich jetzt alleine losziehe und mit „SEX“ konfrontiert werde, sage ich: „Kogda jaw rajesdach sexom ne sanimajus“ – und das wiederum müsste auf ukrainisch heißen „Keinen Sex wenn ich auf Reisen bin“. Ein Knüller, bei aller Bescheidenheit. Mit dem Satz könnte ich durch die dunkelsten Straßen auf Tournee gehen.
Die Eieruhr gibt es noch immer!Überhaupt habe ich jetzt mal eine Woche verlängert. Die hohen Spieler haben sich auch von dem $2000 Turnier eher gestört gefühlt. Das war ihnen einfach zu niedrig. Der eine Tisch läuft praktisch rund um die Uhr und oft gibt es einen zweiten nicht ganz so teueren. Außerdem spüre ich wieder gute Form und es läuft auch ganz gut. Den einzigen wirklichen Bad Beat hatte ich außerhalb des Casinos mit einer wirklich hübschen Reiseführerin.
Abgelenkt durch mein Handy und die Schönheit der Stadt konnte ich als interessierter Tourist nicht so richtig brillieren. Keine Chance auf ein aufrichtiges Rendezvous.. Irgendwie hatte ich auch nicht so recht aufgepasst, aber ich wusste, dass der Höhepunkt der Tour der Besuch eines weltberühmten Klosters sein sollte. Dann sah ich ein goldenes bauchiges Kuppeldach und um wieder ein wenig zu punkten und doch noch den gebildeten Globetrotter zu mimen, bat ich um ein gemeinsames Foto vor dem „Kloster“. Leider handelte es sich bei dem Gebäude aber um ein China-Restaurant. Pech gehabt. – Egal das Leben geht weiter. Die hohe Partie läuft und wenn mich wieder ein Dealer durch falsche Potzustellung ärgert, gebe ich einfach ein kräftiges Trinkgeld und freue mich auf seinen Blick.
Christoph Haller
ehrenamtlicher PokerOlymp Reporter – live aus Odessa
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 07.04.2007.