Im September 2010 hat der Europäische Gerichtshof den deutschen Glücksspielstaatsvertrag für unzulässig erklärt. Ein Monopol sei nur dann gerechtfertigt, wenn es das Ziel verfolge, die mit dem Glücksspiel einhergehende Suchtgefahr zu bekämpfen. Der derzeitige Glücksspielstaatsvertrag läuft Ende 2011 aus. Nach der Ministerpräsidentenkonferenz vom 10. März 2011 steht zumindest fest, dass die Bundesländer den Milliardenmarkt der Sportwetten für private Anbieter öffnen wollen. Bis zu einer Sonderkonferenz am 6. April 2011 sollen die Details geklärt werden.
Es ist auszuschließen, dass sich die Länderchefs auf ein Modell zur Weiterentwicklung des Monopols bei Lotterien und Sportwetten verständigen werden. Bisher hatten sich die SPD-geführten Länder dagegen gesträubt, Sportwetten privater Anbieter zuzulassen, während CDU und FDP in den Ländern mehrheitlich für eine Marktöffnung eintraten.
Damit wäre eine Monopollösung vom Tisch.
Mittlerweile hat auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) erkannt, dass momentan rund 90 Prozent der Wetten im illegalen Bereich stattfinden. Das Monopol ist bereits jetzt löchrig wie Schweizer Käse. Beck schätzt, dass rund 5 Milliarden Euro am deutschen Fiskus vorbeifließen.
Alle Seiten sind sich einig, dass die Lotterie weiter in staatlicher Hand bleiben soll. Über die Öffnung des Sportwettenmarktes gibt es noch Differenzen. Beck schwebt ein Modell mit drei regional begrenzten Lizenzen für den Norden, die Mitte und den Süden Deutschlands vor. Ein solches Modell schlösse echten Wettbewerb aus, wäre wirklichkeitsfremd und würde dem Spieltrieb nicht gerecht werden. Die Unionsländer treten zurzeit für fünf bundesweit geltende Konzessionen ein, was zu größerer Konkurrenz führen würde.
Bisher stehen die Länder Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, NRW und Rheinland-Pfalz auf dem Standpunkt, dass kein Wettbewerb zwischen einzelnen Konzessionären stattfinden darf. Indem sie explizit gegen ein Wettbewerbsmodell im Sportwettenmarkt eintreten, greifen sie zu kurz. Ein System, das privaten Wettbewerb ausschließt, hat nichts mit einer kontrollierten Liberalisierung zu tun und würde ein Abwandern in den rechtsgrauen Raum nicht stoppen können.
Die drei Landtagswahlen im März dieses Jahres könnten einen Kompromiss erschweren. Allen Akteuren muss aber klar sein: Ohne eine gemeinsame Linie ist das staatliche Lotteriemonopol nicht zu retten. Dies würde zu Lasten der Haushalte sowie der Finanzierung des Breitensports und der Wohlfahrtsverbände gehen. Ein Scheitern der Gespräche am 6. April ist also faktisch undenkbar, da spätestens Ende 2011 ein neuer Staatsvertrag her muss, der die jetzige bizarre Rechtslage beenden soll.
Nach Ansicht von Experten hinkt Deutschland bereits jetzt international hinterher. In Dänemark, Frankreich, Italien und Spanien ist man schon weiter. Internationale Vergleiche zeigen, dass die Einbeziehung des Internet-Poker in ein Gesamtkonzept sinnvoll und zwingend geboten ist. Eine kontrollierte Liberalisierung sollte neben den Sportwetten auch Online-Poker betreffen. Zum einen lassen sich legalisierte Märkte besser kontrollieren. Und zum anderen dürfte der Rohertrag beim Online-Poker denjenigen bei den Online-Sportwetten sogar leicht übertreffen.
Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer des Beratungshauses Goldmedia, verweist mit Bezug auf die Goldmedia-Studie „Glücksspielmarkt Deutschland 2015“ auf die beeindruckende Marktentwicklung: So sei der Bruttospielertrag im gesamten Online-Markt von 2005 bis 2009 im Jahresschnitt um knapp 30 Prozent gewachsen, wobei die Sportwetten um 28 Prozent anstiegen und das Segment Online-Poker sogar um jährlich 35 Prozent zulegen konnte. Für die Prognose bis 2015 zeigt er zwei Wege auf: Während die Bruttospielerträge bei einem verschärften Monopol, das nun offenbar vom Tisch scheint, von derzeit 960 Millionen Euro auf bis zu 580 Millionen sinken dürften, kletterten sie bei einer kontrollierten Marktöffnung mit Werbemöglichkeiten und Online-Vertrieb auf etwa 1,5 Milliarden Euro, so Goldhammer im Februar auf dem Branchenkongress SpoBiS in Düsseldorf.
Aus ordnungspolitischer Sicht überzeugt bisher nur der schleswig-holsteinische Gesetzentwurf für die Reform des Glücksspielstaatsvertrages. Ein Blick ins benachbarte Ausland zeigt, dass es sich hierbei aber zunächst nur um einen – zweifelsohne wichtigen – Schritt in die richtige Richtung handelt. Die niederländische Regierungskommission hat im August vergangenen Jahres nämlich explizit die Legalisierung des Online-Poker ausgesprochen. Legalisierung und Regulierung des Online-Poker sei noch wichtiger als die Legalisierung der Sportwetten. Nach Ansicht des Sachverständigenrates für Glücksspiele im Internet sollte die Legalisierung auf Poker begrenzt werden, da Poker das einzige Format sei, für das ein Bedarf besteht, für den eine Lenkung angemessen ist. Poker ist hinsichtlich der Regeln homogen und hat eine einfachere steuerrechtliche Struktur, da der Betreiber keine Glücksspielsteuer zahlen muss. Die Suchtgefahren sind im Vergleich zu anderen Casinospielen geringer.
Die Nutzer fragen momentan vor allem Online-Poker und Online-Live-Wetten nach. Eine Kanalisierung des Spieltriebs ist also insbesondere in diesem Bereich durch Legalisierung und Regulierung geboten. Pläne, bestehende deutsche Casinos mit Lizenzen für Online-Poker zu versehen, sind unrealistisch. Casinos haben ihre Stärken im Offline-Bereich. Doch nur international erfahrene und global aufgestellte Anbieter wie Pokerstars sind vom technischen Knowhow und der jahrelangen Markterfahrung in der Lage, gute Angebote zu präsentieren, die von der Community nachgefragt werden. Pläne, an nationale Casinos Lizenzen für Online-Poker zu geben, gleichen dem Versuch, den Markteintritt von Coca Cola zu verhindern, indem man an verschiedene inländische Anbieter Konzessionen zur Herstellung eines koffein- und kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränks vergibt.
Fazit:
Wenn sich die Ministerpräsidenten auf ein Modell nach dem Vorbild des schleswig-holsteinischen Gesetzentwurfes einigen könnten und – bei einem fortbestehenden Monopol für Lotto – eine kontrollierte Legalisierung privater Online-Poker-Angebote und Sportwetten auf den Weg brächten, wäre dies ein großer Wurf. Nur mit einem so ausgestalteten neuen Staatsvertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2012 könnten verschiedene Interessen (Spieler- und Jugendschutz, Bekämpfung des Schwarzmarktes und des rechtsgrauen Raumes, höhere Steuereinnahmen, bessere Förderung der Wohlfahrtsverbände, der Kultur und des Breitensports) unter einen Hut gebracht werden.
Aufgrund der mangelnden Entschlusskraft der Politik sind schon im Jahr 2011 Tausende von Jobs nicht entstanden. Experten gehen davon aus, dass unter den Bedingungen eines legalisierten Marktes rund 30.000 neue Jobs entstehen könnten. Abgesehen von diesen Argumenten wird der Markt – also die Community der Spieler – de facto auch gar kein anderes Modell akzeptieren. Die Politik sollte zudem nicht riskieren, dass auch eine weitere Reform des Staatsvertrags höchstrichterlich kassiert wird.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 22.03.2011.