Weiter geht es heute mit dem zweiten Teil unserer Artikelserie über die Benutzung einer Hilfssoftware beim Internetpoker. Nach der allgemeinen Einführung wird nun die Frage beantwortet, wie man aufgrund der Werte andere Spieler besser einschätzen kann:
Was bedeuten die Werte?
In vielen Situationen können die gegnerischen Werte entscheidende Informationen für die richtige Entscheidung liefern. Dazu später einige konkrete Beispiele. Zunächst jedoch einige Tipps für die allgemeine Klassifizierung von Spielern.
1. Der extrem tighte Spieler
Spieler mit Werten von 7/5, 8/6 oder 10/8 sind sehr tight und schauen sich den Flop nur mit sehr starken Händen an. Meist haben sie dadurch nach dem Flop starke Hände, die sie zuvor voran getrieben haben, doch differiert der AF dennoch je nach Typ sehr stark. Einige geben dann Gas, während für andere weiterhin die Vorsicht regiert.
Die Werte geben Rückschluss auf die Spektren (oder englisch „ranges“), die letztlich ausschlaggebend für die richtige Entscheidung bei No-Limit Hold’em sind. Es ist fast nie möglich, einen Gegner auf eine konkrete Hand zu setzen, aber sein Spektrum lässt sich eingrenzen. Genau dies ist bei diesem Spielertyp – da er nur verhältnismäßig wenige Hände spielt – sehr einfach, wodurch er meist nicht sonderlich profitabel spielen kann, wenn seine Gegner aufmerksam sind oder eben ein HUD haben.
2. Der tight-aggressive Spieler
Dieser Lehrbuchtyp (kurz: TAG) spielt in einer normalen Partie Werte von etwa 13/11 bis 18/16, beim Shorthanded liegt die Spanne zwischen etwa 18/16 und 24/20. Diese Spieler haben ein größeres Spektrum an Starthänden, doch wie der sehr tighte Spieler raisen sie diese meist. Der TAG möchte schwer durchschaubar sein, aber gleichzeitig die Initiative haben.
Indem sie beispielsweise mit allen Paaren und hohen Broadway-Kombinationen, aber auch einigen Suited Connectors mit einem Raise eröffnen, ist es gegen sie nicht so leicht, das Spektrum einzugrenzen. In der Regel geht dieser Stil mit einer ähnlich aggressiven Postflop-Strategie einher, wodurch dessen Vertreter nicht nur gefährlich ist, sondern meist auch Gewinne erzielt.
3. Der loose-aggressive Spieler
Dieser Typ (kurz: LAG) spielt noch mehr Hände und wird dadurch noch weniger greifbar. Beim Shorthanded können die Werte bis zu 30/28 betragen, beim Fullring durchaus 24/20. Auch diese Spieler raisen fast immer, wenn sie sich am Pot beteiligen, tun dies aber noch öfter als der TAG und sind damit noch undurchschaubarer.
Gleichzeitig ist im Schnitt eine schwächere Hand ausreichend, um sich mit dieser Spezies anzulegen. Ist gegen den sehr tighten Spieler Ax Qx praktisch nichts wert, ist es gegen den LAG fast ein Monster. Aber natürlich können auch diese Spieler Asse bekommen.
Der LAG braucht nicht viel, um zu raisen, ihm genügen neben den guten Karten spekulative Hände für einen Raise vor dem Flop. Vorsicht: Diese Spieler können sehr gefährlich sein, da sie auf fast jedem Flop die Nuts treffen können.
4. Der loose-passive Spieler
Leider ist dieser Typ ab einem bestimmten Limit nicht mehr allzu oft anzutreffen, auf den Micro-Limits aber immer noch stark vertreten. Diese Spieler, die Werte wie 75/15 oder 38/0 haben können, spielen nicht nur zu viele Hände, sondern agieren dabei auch noch passiv.
Auf diese Weise sind sie leichte Opfer, da sie sich nie ohne Treffer einen Pot schnappen oder semibluffen. Auf Dauer sind diese Gegner auch aufgrund ihrer Passivität nach dem Flop zwar ein gefundenes Fressen, doch treffen sie ab und zu ebenfalls den Flop oder ein Monster. Bisweilen agieren sie auch mit starken Händen vor dem Flop passiv und wollen sich dann ausbezahlen lassen. Bluffs sollten deshalb mit Bedacht erfolgen.
5. Der Maniac
Dieser Typ ist die ungesunde Variante des LAG. Für ihn spielt die konkrete Hand quasi keine Rolle und er liebt es, im Mittelpunkt zu stehen. Es ist schwierig gegen diesen Gegner, seine eigene Hand sauber zu bewerten, aber im Schnitt reichen schwächere Blätter wie Top-Pair ohne guten Kicker oder auch ein schlechteres Paar, um gegen diesen Gegner anzutreten.
Trifft man den Flop gut, sollte man deshalb zum Äußersten bereit sein, denn dieser Spieler geht auch nach dem Flop nicht vom Gas.
Ergänzungen durch den Aggressionsfaktor
Jeder Mensch ist individuell und das gilt auch für jeden Pokerspieler. Es ist sinnvoll, sich ein Bild von einem Gegner zu machen, aber nichts ist sicher. Manche TAGs werden nach dem Flop auf einmal passiv, während jemand, der vor dem Flop sehr passiv spielt, nach dem Flop durchaus sehr aggressiv werden kann.
Der Aggressionsfaktor kann bei der Analyse sehr hilfreich sein, um einen Spieler genauer zu charakterisieren. Jemand, der fast immer nach dem Flop setzt, kann nicht immer eine gute Hand haben, es sei denn, er ist vorher sehr tight. Genauso haben auch passive Spieler bisweilen eine starke Hand, selbst wenn sie damit nicht hausieren gehen.
Die korrekte Einschätzung eines Spielers anhand seiner Werte erfordert wie Pokern allgemein ein wenig Übung. Hat man sich seinen PokerTracker gekauft, lohnt es sich anfangs, die Werte mit Händen, die beim Showdown gezeigt wurden, und deren Spielweise abzugleichen. Bei höheren Limits entscheiden die Werte vor dem Flop oft, welche Entscheidung man trifft. Nach Raise und Reraise ist Ax Kx gegen einen Maniac etwa eine Hand für ein All-In, gegen einen sehr tighten Spieler empfiehlt sich ein Fold.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 29.01.2011.