Er ist der einzige Deutsche, der einen WPT- und einen EPT-Titel vorzuweisen hat, und auch sonst eine Ausnahmeerscheinung. Mit seinem Sieg beim Bellagio Cup ist Moritz Kranich auf Platz 2 der deutschen Geldrangliste vorgedrungen und kann über 2 Millionen Dollar an Live-Turniergewinnen vorweisen.
Doch auch im Internet läuft es für den Hamburger wie geschmiert. Im November belegte „Catenaccio“ gleich drei dritte Plätze bei sonntäglichen Major-Turnieren auf PokerStars. In unserem aktuellen Interview zeigt sich nicht nur, dass Erfolg und Bodenhaftung sich nicht ausschließen, sondern auch dass wir noch länger mit Moritz rechnen können.
PokerOlymp: Moritz, unser letztes Interview haben wir vor einem halben Jahr geführt. Keine zwei Monate später hast du nach einem verkorksten Main Event bei der WSOP den Bellagio Cup gewonnen. Wie ordnest du diesen Sieg für dich im Vergleich mit deinem EPT-Sieg ein?
Moritz Kranich: Der Sieg beim Bellagio Cup hat für mich einen viel größeren Stellenwert als der EPT-Sieg. Zum einen, weil es der zweite Majortitel ist, was im Pokersport nun wirklich nicht alltäglich ist. Zum anderen, weil es das am besten besetzte Turnier war, das ich bisher gespielt habe, und ich wirklich fünf Tage mein absolutes A-Game abgerufen habe. Der Höhepunkt war dann natürlich 3-handed gegen Phil Ivey und Justin Smith zu bestehen und das Ding nach Hause zu bringen. Ein unglaubliches Gefühl.
PokerOlymp: Du bist nach dem Sieg in Vegas hinter Sebastian Ruthenberg auf Platz 2 der deutschen Geldrangliste geklettert, inoffiziell also der zweitbeste Turnierpokerspieler aller Zeiten hierzulande. Heißt das für dich Attacke, um Erster zu werden, oder spielt dieses Ranking für dich keine Rolle?
Moritz Kranich:Dem Seb gönne ich den ersten Platz. Wir haben lediglich eine kleine Wette um ein Abendessen, wer als Erster den dritten Majortitel holt. Generell ist die Rangliste natürlich schön anzusehen, aber da sie null Aussagekraft über die Spielstärke hat, da zum einen Buy-Ins nicht abgezogen werden, zum anderen einfach die Sample Size bei Live-Turnieren nicht ausreichend ist, um daraus etwas abzuleiten, bleibt es nur eine Spielerei.
PokerOlymp: In dem damaligen Interview hast du den Sonntag als deinen Großkampftag bezeichnet. Dabei sprangen für dich im November zwei dritte Plätze beim Warm-Up und ein dritter Platz beim Sunday 500 für insgesamt über 250.000 Dollar heraus. Wie geht das, wie schafft man das?
Moritz Kranich: Zunächst mal muss man sehr gut flippen können, das ist das wichtigste Kriterium ;) Wenn das einigermaßen funktioniert, muss man die Konzentration über den ganzen Sonntag hoch halten, sich nicht ablenken lassen durch TV oder Internet. Wenn ein Turnier in die Endphase geht, schaue ich mir die Statistiken meiner Gegner auf officialpokerrankings.com an. Vor allem achte ich auf das durchschnittliche Buy-In und den ROI. So lege ich mir für jeden Gegner eine passende Strategie zurecht.
PokerOlymp: Wie sieht es bei Kranichs zu Hause aus, wenn Moritz nachts die Sonntagsturniere rockt?
Moritz Kranich: Es ist meistens so, dass wir Sonntag Nachmittag bei meinen Eltern gemeinsam essen, die nur 500 Meter entfernt wohnen. Um 19 Uhr geht’s dann nach Hause ins Arbeitszimmer, und mit dem Sunday Warm-Up beginnt der Abend. Dazu höre ich meistens Musik über Kopfhörer, so kann ich mich am besten konzentrieren. Ab dann sehe ich meine Frau eigentlich nur noch in den synchronisierten 5 Minuten Pausen jeweils um :55, die es inzwischen gibt. Die beste Erfindung für’s Turnierpoker seit der Einführung von Antes.
PokerOlymp: Immer wieder spricht man beim Poker von Lauf. Mathematisch ist das natürlich völliger Blödsinn, aber es gibt dennoch Beispiele wie dich, Michael Eiler (der erst die Sunday Million und dann die EPT Wien gewann) oder jüngst Giuseppe Pantaleo (der ebenfalls bei den Sonntagsturnieren abgeräumt hatte). Was ist deine Meinung hierzu?
Moritz Kranich: Ich denke, das hat mehr mit Selbstvertrauen zu tun. Es wird immer gesagt, man solle sich beim Poker nicht zu sehr an den Resultaten einer Hand oder eines Turnieres aufhängen. Aber das ist enorm schwer, positiv wie negativ. Hat man einen langen Antilauf, fühlt man sich teilweise, als hätte man das Spiel komplett verlernt und zweifelt an seinen Fähigkeiten. Gewinnt man dagegen ein großes Turnier, fühlt man sich, als hätte man das Spiel erfunden. Dann passt auf einmal jeder Hero Call, den man sonst nicht gemacht hätte, weil man an seine Entscheidung glaubt. Wenn man so spielt und dann auch noch die Karten einigermaßen halten, entsteht so ein Lauf.
PokerOlymp: Umgekehrt muss man als Turnierspieler auch mit längeren Durststrecken rechnen, Beispiele dafür gibt es ja genügend. Glaubst du, darauf vorbereitet zu sein oder passiert dir das nicht?
Moritz Kranich: Da gab es auch bei mir schon einige, online sind Downswings im hohen fünfstelligen Bereich über ein paar Monate eigentlich jedes Jahr dabei. Da spielt auch wieder das Selbstvertrauen rein, welches enorm schwer zu halten ist, wenn eben die Resultate ausbleiben. So mischt sich dann schlechtes Spiel mit Pech und man rutscht in eine Abwärtsspirale.
Generell habe ich aber für mich rausgefunden: Ich bin immer nur so weit auf die nächste Durststrecke vorbereitet, solange sie die bisher schlimmste nicht überschreitet. Ab dem Punkt geht es dann schon an die Psyche.
PokerOlymp: Bleiben wir hypothetisch und stellen uns einfach vor, du hättest einen ähnlich unfassbaren Antilauf wie etwa Nasr el Nasr, der mehrfach mit Assen bei der EPT und zuletzt mit Top Set ausgesuckt wurde. Wie kann man damit umgehen?
Moritz Kranich: Das beste Gegenmittel gegen den Downswing ist weiter spielen, so lange man sich nicht negativ beeinflussen lässt. Wann dieser Punkt gekommen, muss jeder für sich selber herausfinden. Mich treiben solche Niederschläge eine Weile an, bis dieser oben erwähnte Punkt gekommen ist, dann brauche ich eine Pause. Bei Nasr ist das wohl ähnlich, nach dem x-ten Suckout hatte er die Schnauze voll von Live-Turnieren und hat eine längere Pause gemacht.
Moritz Kranich vor seinem Sieg bei der WPTPokerOlymp: Kehren wir zur Realität zurück, die in deinem Fall ja mehr als beeindruckend ist. Eine solche Serie suggeriert natürlich Fragen nach einem speziellen Erfolgsrezept. Was macht Moritz Kranich anders als andere?
Moritz Kranich:Zum einen tilte ich wirklich sehr selten, wo andere vielleicht einen Sonntag irgendwann abhaken, spiele ich jedes Turnier konsequent zu Ende. Des weiteren denke ich, dass es rein spieltechnisch wesentlich bessere Spieler gibt als mich, aber in den sogenannten B-Skills wie Konzentration, Disziplin, Nervenstärke oder Geduld bin ich ziemlich stark, was einen manchmal weiter bringen kann als technische Perfektion.
PokerOlymp: Du bist 30 Jahre alt und Pokerprofi ist sicher für viele ein Traumberuf. Kannst du dir dennoch vorstellen, noch einmal etwas völlig anderes zu machen, oder willst du wie Brunson bis ans Lebensende pokern?
Moritz Kranich:Das kann ich zur Zeit nicht beantworten, ich weiß es wirklich nicht. Mir macht Poker weiterhin enorm viel Spaß, im Moment kann ich mir nichts Besseres vorstellen. Die nächsten 5 bis 10 Jahre werde ich in jedem Falle noch spielen. Aber wie der Pokermarkt und die Gesetzeslage in zehn Jahren aussehen, das weiß ja kein Mensch.
PokerOlymp: Wie sieht eigentlich das Verhältnis von Moritz Kranich zum Cashgame und zu anderen Pokervarianten aus? Warum sieht man dich zum Beispiel nicht bei den German Highrollers oder an PLO-Tischen im Internet?
Moritz Kranich:Ich wollte mich immer mal mit PLO beschäftigen und versuchen, mich die Cashgame-Limits hochzugrinden. Das habe ich nämlich nie gemacht, meine Bankroll damals habe ich mir mit SNGs aufgebaut. Aber Cashgame kann ich mich nie lange fesseln, irgendwie lande ich doch wieder bei den Turnieren, die mir einfach auch am meisten Spaß bringen.
PokerOlymp: Das Jahr neigt sich dem Ende und deine Bilanz für 2010 fällt sicher positiv aus. Was sind deine Pläne für das kommende Jahr? Welche Live-Turniere hast du eingeplant?
Moritz Kranich: Erstmal geht es direkt im Januar zur PCA auf die Bahamas, das Package habe ich online bereits gewonnen. Da nehme ich meine Frau mit, wir haben noch ein paar Tage hinten angehängt und bleiben zwei Wochen dort. Ansonsten stehen einige EPTs auf dem Zettel, Berlin natürlich. Ich habe das Buy-In für die WPT Championship gewonnen mit dem Titel im Bellagio, also geht’s im Mai definitiv nach Vegas. Und Macao ist fest eingeplant, mein Bruder wohnt nämlich um die Ecke in Hongkong, das kann man super verbinden. Aber Cashgame mit Ivey und Dwan gegen die Chinesen wird es nicht geben, dafür reicht die Bankroll dann doch nicht.
PokerOlymp: Als Abschluss noch eine Frage, die ich mir nicht verkneifen kann. Was macht dein Sponsorenvertrag? Es kann doch nicht sein, dass der aktuell erfolgsreichste deutsche Spieler noch immer ohne Sponsor ist…
Moritz Kranich:Dass in die Richtung etwas passiert, ist in jedem Fall schon mal wahrscheinlicher als bei unserem letzten Interview. Vielleicht kann ich beim nächsten Mal dazu was Definitives vermelden…
PokerOlymp: Das hoffen wir sehr und vielen Dank für das Gespräch.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 08.12.2010.