Der Skandal, den das Verhalten des Ali Tekintamgac in Cannes bei der Partouche Poker Tour ausgelöst hat, hat zweifellos auch juristische Konsequenzen. PokerOlymp hat den renommierten Rechtsanwalt Julian Heiss um eine juristische Prüfung der Vorfälle gebeten und präsentiert diese heute seinen Lesern.
Julian Heiss ist spezialisierter Anwalt auf dem Gebiet des Strafrechts, er ist als Strafverteidiger in allen Deliktsbereichen überregional forensisch tätig. Fälle von Straftaten gegen das Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit gehören ebenso zu seinem täglichen Betätigungsfeld wie die Verteidigung Beschuldigter in Betäubungsmittel-, Wirtschafts- und Steuerstrafsachen.
Die die im Allgemeinen geprüfte Sache beinhaltet mehrere weitere formaljuristische Probleme in sich (Tatort nicht Deutschland, Beweisführung recht schwierig, außer es erfolgt ein Geständnis eines Mittäters, was nicht unwahrscheinlich erscheint), welche im Text keine Behandlung gefunden haben.
Der zu prüfende Sachverhalt lautet wie folgt: „Es gibt nähere Informationen zum Skandal in Cannes bei der Partouche Poker Tour. Ali Tekintamgac wird konkret vorgeworfen, sich mit Hilfe von Komplizen (diverse Blogger) Kenntnis von den Holecards seiner Gegner verschafft zu haben. Die Sache wurde bereits an die Justizbehörden weitergeleitet.
“Wir haben alle Beweise auf Video. Sonst hätten wir eine solch schwerwiegende Entscheidung nicht getroffen. Wir haben genug Beweismaterial auf Band und haben es der Justiz und der Polizei vorgelegt”, sagte Patrick Partouche bei einer außerordentlichen Sitzung der Organisation.
Von Turnierdirektor Thomas Kremser wurde ein verdächtiges Bloggerteam im August schon der EPT Tallinn verwiesen. Dort gab es den gleichen Vorwurf wie jetzt in Cannes: Ali T. habe sich der Hilfe von falschen Bloggern bzw. Journalisten bedient. Diese haben sich angeblich direkt hinter ein Opfer platziert und Ali die Holecards per Handzeichen mitgeteilt.“
Hierzu ist in strafrechtlicher Hinsicht folgendes auszuführen.
A.) Einleitung
Zunächst ist klarzustellen, dass in der Sache nur hypothetische Ausführungen erfolgen können. Es wird den folgenden Ausführungen also zu Grunde gelegt, dass die hier auftretenden vermutlichen Täter in tatsächlicher Hinsicht von einem Strafgericht aufgrund der Durchführung einer umfassenden Beweisaufnahme und der anschließenden Würdigung eben dieser einer Manipulation überführt wurden. Zu den vermeintlich zu wertenden Täuschungshandlungen können von hiesiger Seite keine Bewertungen erfolgen, dies ist und bleibt der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im Wege des Ermittlungsverfahrens vorbehalten.
Wenn demnach davon auszugehen ist, dass sich mehrere Personen zwecks Manipulation zusammengeschlossen haben, diese auch in tatsächlicher Hinsicht entsprechende Täuschungshandlungen vornehmen und diese Handlungen sodann „spiegelbildlich“, also darauf beruhend, zu einem Vermögensschaden des Geschädigten (des Getäuschten) führen, ist einleitend zunächst folgender Aspekt zu beleuchten.
B.) Grundsätzliches
a.) Glückspielcharakter des Pokerspiels
Zunächst ist die Frage zu klären, ob sich bei dem Kartenspiel „Poker“ tatsächlich um ein Glückspiel handelt.
Die Diskussion zu dieser Frage wird nicht nur in Juristen- und Steuerberaterkreisen höchst streitig geführt. So ist zunächst klarzustellen, dass der Einfluss des Zufalls bei einzelnen Spielen eine sehr unterschiedliche Rolle spielt. Während bei den sogenannten reinen Glückspielen, wie z.B. Roulette, das Ergebnis ausschließlich vom Zufall abhängt und in keiner Weise vom Geschick des Spielers, so hängt bei den Spielen, die dem Spieler eine Entscheidungsmöglichkeit bieten, der Erfolg des Spielers um so mehr von dessen Geschick ab, je mehr Entscheidungen zu treffen sind bzw. je größer die Auswahl an möglichen Entscheidungen ist.
Ob einem bestimmten Spiel die Eigenschaft, ein „Glückspiel“ zu sein, zukommt, ist eine sehr diffizile und vom Standpunkt der Wahrscheinlichkeitstheorie aus kaum schlüssig zu beantwortende Frage. Das bloße Vorliegen einer Zufallskomponente – wie sie etwa beim Kartenspielen durch das Mischen gegeben ist – ist zwar ein notweniges aber keinesfalls hinreichendes Kriterium.
In der hier vorliegenden Thematik ist jedenfalls die Tatsache erheblich, dass das Kartenspiel „Poker“ hohe Anforderungen an das Geschick der Spieler setzt, die Zufallskomponente mithin für einen Gewinn zwar wichtig, aber nicht unbedingt entscheidend ist.
b.) Wettcharakter des Pokerspiels
Grundsätzlich bezeichnet das Wort „Wette“ formaljuristisch einen Vertrag durch den zur Bekräftigung bestimmter einander widersprechender Behauptungen ein Gewinn oder Sieg für denjenigen vereinbart wird, dessen Behauptung sich als richtig erweist. Bei dem Spiel „Poker“ ist die Wette, der Einsatz also, ein festes und nicht hinweg zu denkendes Spielelement.
c.) Der Betrugstatbestand im Allgemeinen (§ 263 StGB)
Unter Betrug im strafrechtlichen Sinn versteht man ein Vermögensdelikt, bei dem der Täter in rechtswidriger Bereicherungsabsicht das Opfer durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen gezielt so irreführt, dass es sich selbst oder einem Dritten am Vermögen schädigt, d.h. einen materiellen Schaden zufügt. Das Vergehen des Betruges ist ein Straftatbestand der Vermögensdelikte. Das geschützte Rechtsgut ist nicht die Verfügungsfreiheit des Vermögensinhabers, sondern das Individualvermögen.
d.) Der Wettbetrug
Wenn nun der Ausgang eines Ergebnisses eines Spiels einer Partei eben dieses Spiels bekannt und aufgrund materiellen Interesses ein Gewinn durch eine Wette zu erwarten ist, wird dies allgemein als „Wettbetrug“ empfunden und kann strafrechtlich geahndet werden. Es handelt sich aber erst dann um einen „Wettbetrug“, wenn der Wettkandidat manipuliert wurde, der Ausgang der Wette mithin bekannt war und eine arglistige Täuschung des Wettkandidaten mit der Absicht, sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen, vorhanden war.
C.) Konkrete Bewertung des aufgezeigten Sachverhaltes
Herrn Ali Tekintamgac wird offensichtlich konkret der Vorwurf gemacht, sich mit Hilfe von Komplizen Kenntnis von den Holecards seiner Gegner verschafft zu haben. Der Beschuldigte, so der Vorwurf im Weiteren, habe sich hierbei der Hilfe von Bloggern bzw. Journalisten bedient. Diese haben sich angeblich direkt hinter ein Opfer platziert und dem Beschuldigten die Holecards per Handzeichen mitgeteilt.
Zweifelsfrei kann ein Pokerspieler ein Spiel manipulativ beeinflussen, wenn dieser die Karten des Spielgegners kennt. So ist vorstellbar, dass der Beschuldigte durch Zeichengabe eines Mittäters darüber informiert wurde, ob der Gegenspieler nun niedrige bzw. schwache oder hohe bzw. starke Karten hat. Hierauf kann der in betrügerischer Absicht handelnde Pokerspieler sein Spielgeschick in eine für ihn optimale Art und Weise einsetzten. Unstreitig entsteht hierdurch ein Vorteil für diesen Pokerspieler.
Diese manipulative Beeinflussung des Pokerspiels und damit im Ergebnis der Wette stellt eine konkludente Täuschungshandlung gegenüber dem getäuschten Gegenspieler dar, der hierdurch einen Vermögensschaden, den Verlust seines Wetteinsatzes nämlich, erleiden soll.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bezüglich Wettmanipulationen im Fußballspiel ist bereits die reine Vorstellung des Täters von der Täuschungshandlung und dem darauf beruhenden Vermögensschaden ausreichend, um zu einem Schuldspruch wegen Betruges zu gelangen (vgl. BGH, Urteil v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06). Diese Rechtsprechung kann bezüglich Manipulationen im Pokerspiel ohne Weiteres übertragen werden.
Es reicht demnach bereits also die Vorbereitungshandlung zu der Täuschung, sprich die Verabredung der Installation eines Mittäters hinter dem Gegenspieler, welcher die Aufgabe hat, in die Karten eben dieses einzusehen und diesem dem Täter durch Zeichengabe mitzuteilen, aus, um zu einer Tatbestandserfüllung der Betrugsnorm zu gelangen.
Problematisch wird diese Vorgehensweise, wenn mehrere Personen zum Zwecke der Manipulation eingesetzt werden. So wird bei einer solchen Konstellation die Begehungsform der „gemeinschaftlichen Verabredung zum gewerbs- und bandenmäßigen Betrug“ (§§ 30 Abs. 1 und 2, 263 Abs. 1, Abs. 5, 25 Abs. 2 StGB) zu überprüfen sein. Dies ist deshalb problematisch, da der Vergehenstatbestand des Betruges bei entsprechender Bejahung des gewerbs- und bandenmäßigen Vorgehens der Täter zum sogenannten „Verbrechen“ qualifiziert wird, mithin mit drastisch erhöhten Straferwartungen zu rechnen ist.
Für die Annahme einer Verabredung ist es im Sinne des § 30 StGB ausreichend, wenn sich zwei Personen ernstlich darüber einig sind eine bestimmte, konkretisierte Tat begehen zu wollen. Die Tat muss also hinsichtlich Zeit, Ort und Ausführungsmodalitäten umrissen sein, so dass sie von den Tätern ausgeführt werden könnte, wobei der Grad der Konkretisierung grundsätzlich von der Art der geplanten Tat abhängig ist. Dabei muss die geplante Tat ein Verbrechen darstellen, wenn diese der Planung entsprechend ausgeführt worden wäre.
Die geplante Tat als Bezugspunkt der Verabredung könnte in der vorliegenden Sache dabei jeweils das Verbrechen des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs (§ 263 Abs. 5 StGB) darstellen. Nach der Vorstellung des Täters muss die beabsichtigte Tat daher im Hinblick auf den Begriff der Bande ein Zusammenschluss von mindestens drei Personen darstellen, die sich mit dem ernstlichen Willen und Ziel verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer sich oder Dritten durch bestimmte Betrugstaten eine nicht unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen.
Die dahingehende Sachverhaltsfeststellung hängt natürlich zunächst von dem Ergebnis des Ermittlungsverfahren und der sodann gegebenenfalls durchzuführenden Hauptverhandlung unter umfangreicher Beweisaufnahme durch das erkennende Strafgericht ab.
Allgemein ist jedoch die Feststellung zu treffen, dass derartige Manipulationen im Pokerspiel durchaus möglich sind und bei Verurteilungen zu erheblichen und einschneidenden Strafaussprüchen führen können. Dies insbesondere deshalb, da aufgrund der vorgeworfenen Regelmäßigkeit der Taten ohne gehobene Schwierigkeiten von einem gewerbsmäßigen Handeln der Täter ausgegangen werden kann.
Sollte sich zudem herausstellen, dass mehr als zwei Personen in die Manipulationshandlungen eingebunden sind, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die bandenmäßige Begehungsform des Betruges angenommen werden, welches sich wiederrum ebenfalls deutlich strafschärfend auswirken würde.
Cura Advocati, Preiss Repp Heiss Schuller & Kollegen Rechtsanwälte Steuerberater, Rechtsanwalt Julian Heiss, Falkensteiner Straße 77, 60322 Frankfurt am Main, Tel.: 069 / 977 866 – 0, E-Mail: [email protected], www.cura-advocati.de
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 10.11.2010.