Weiter geht es mit unserem Gespräch über die „guten alten“ Pokerzeiten mit Soraya Homam und Ulli Gerloff, mit skurrilen Händen, Reminiszenzen und mancher Anekdote.
Frage: Aus heutiger Sicht schwer vorstellbar ist die Frage, wie man damals seine Spielstärke verbesserte. Heute gibt es Bücher, Softwares wie PokerStove, Odds-Calculators – lauter Hilfsmittel, die theoretische Grundlagen liefern. War es damals so, dass man besser wurde, indem man auf die Fresse fiel und daraus seine Lehren zog?
U.G. : Meine Erfahrung war die gleiche wie beim Draw Poker, es zeigte sich recht schnell, wer das Opfer war und wer einen steifen Kragen hatte. Es gab damals höchstens Literatur auf Englisch und manche Spieler blieben einfach auf ihrem Niveau. Sie waren entweder der Sprache nicht mächtig oder hatten keine Lust. Viele haben sich trotz großer und dauerhafter Verluste eingeredet, sie hätten Pech und die Gewinner Glück. Irgendwann kamen Spieler wie Roland Specht und Bobbi G, die sich ruckzuck zu starken Spielern entwickelten, während andere immer nur „Pech“ hatten.
S.H. : Es ist richtig, dass wir damals diese Möglichkeiten nicht hatten, deshalb mussten wir selbst aus unseren eigenen Fähigkeiten ohne Hilfsmittel das bestmögliche für das Spiel herausholen. Mir haben zum Beispiel meine Spielanalysen, zeitweilige Strategiewechsel oder das Ernst nehmen meiner Niederlagen sehr geholfen. Aus den Niederlagen habe ich am meisten gelernt. Dazu ein Beispiel: In Vegas verlor ich viel Geld bei Limit Stud und habe so viel gelernt wie noch nie zuvor. Im Grunde war dies meine erste große Niederlage und ich sah zum ersten Mal, dass es Spieler gibt, die etwas von diesem Spiel verstehen. Es gab Spielerinnen wie Cindy Violette und Jennifer Harman, die von anderen gestaked wurden. An diesen Spielern konnte man sich orientieren, als ich nach Deutschland zurück kam, hatte ich einen großen Sprung gemacht und holte das Verlorene mit Zinsen zurück.
Letztlich habe ich mit diesen Niederlagen in den USA einen großen Gewinn erzielt.
Ich erinnere mich noch gut an die Anfänge, bei denen ich als eine Pokerspielerin in der Männerrunde noch nicht akzeptiert war und auch mit manchen Verlusten zu kämpfen hatte und dementsprechend meine Spielpsyche im Eimer war, genau zu diesem Zeitpunkt kam Mickey Finn auf mich zu, baute mich auf und machte mir Mut, und sagte, dass er in meinem Spiel Potential sähe. Seine aufrichtige Art und Weise hat mich sehr motiviert. In Bezug auf Hold’em hat mir Ulli sehr viele Tipps gegeben, zu ihm habe ich immer aufgeschaut.
U.G. : Mit die wichtigsten Elemente sind Gewinnmaximierung und vor allem Verlustminimierung, da haben die meisten Leute große Probleme gehabt.
Frage: Vielleicht kann jeder von Euch ein besonders bizarres Erlebnis aus der Anfangszeit des Poker in Europa zum Besten geben?
Soraya Homam nach dem Sieg in London
U.G. : Nie vergessen werde ich die Master Classics of Poker 2000 in Amsterdam. Ich saß am Final Table des PLO-Turniers, wir waren noch zu dritt und ich war mit einem anderen Spieler All-In. Das Board zeigte 6 4 6 6 , wir hatten beide nichts getroffen, aber ich lag meilenweit vorne. Er hatte Ax Qx Xx und ich A K Xx, auf dem River kam die Q , mein Gegner sprang auf und brüllte „Full House, Full House“ und ihm wurde der Pot zugeteilt und ich stand auf. Es standen vier Floor-Manager herum, aber ich bin erst in der Nacht aufgewacht und habe begriffen, dass ich eigentlich gewonnen hatte. Am nächsten Tag bin ich noch einmal hin und habe darauf hingewiesen, dass ich die Hand eigentlich gewonnen hatte, doch das Casino drückte zunächst nur sein Bedauern aus. Später hat der Casinochef sich die Aufzeichnung angesehen und sich bei mir für mein Verhalten bedankt – ich habe keinen Aufstand gemacht – und mir 10.000 Gulden überreicht.
S.H.: : Unvergesslich ist für mich meine erste Pokerhand überhaupt. Ich bekam 3x 2x suited, Ulli stand hinter mir und schüttelte den Kopf, aber schließlich war ich zum Spielen da. Es war eine Pot-Limit Hold’em-Partie und mit einigen Spielern im Pot wurde der Flop aufgedeckt: 3x 3x 2x . Einer der Gegner hatte Asse und ich gewann seinen gesamten Stack – kein schlechter Anfang.
Frage: Früher wurde vor allem Stud und Omaha gespielt, während das Geschehen heute von No-Limit Hold’em dominiert wird. Warum ist das so?
SH: Bei Holdem ist der Glücksfaktor geringer und das Regelwerk ist einfacher. Holdem geht schneller, es werden viel mehr Hände gespielt, das passt in das Tempo der heutigen Zeit.
UG: Bei Omaha kann man sein Geld schneller verlieren und viele Runden sind geplatzt, weil die Summen so groß waren. Für die guten Spieler ist Omaha besser, weil die Kluft zu den schwachen Spielern größer wird.
Gerloff und Krause nach ihrem Doppelsieg bei der EM
Frage: Ulli, zum letzten Mal taucht Dein Name bei HendonMob im Jahr 2000 auf. Spielst Du seitdem kein Turnierpoker mehr und wenn ja, was waren die Gründe für den Rückzug?
UG: Aus persönlichen Gründen habe ich mein Engagement eingeschränkt.
Frage: Sie, Frau Homam, haben von der Pokerwelle profitiert und sind als Full-Tilt-Pro in einer privilegierten Position. Wie fällt Ihr Zwischenfazit als Pokerprofi aus der heutigen Perspektive aus?
SH: Ich habe, seit ich bei FT unter Vertrag bin, viel von der neuen Pokerwelt dazu gelernt. Die Interaktion mit anderen Spielern hat mich sehr viel weiter gebracht. Durch die moderne Entwicklung des Pokerspiels habe ich viele Schüler dazu bekommen, die ich berate und coache.
Frage: Ulli, sind die Spieler heute besser als früher?
UG: Also das, was ich sehe, ist old school und new school. Beide treffen genauso selten, doch bei der new school sieht es besser aus. Die Spieler der new school sind aggressiver, aber von der old school kenn ich viele, die immer noch sehr erfolgreich sind.
Die neuen Spieler gehen das Risiko eines frühen Ausscheidens ein, doch ich bin nicht sicher, ob das die richtige Strategie ist. Die Philosophie ist eine andere, eine vertretbare, aber nicht meine.
SH: Wir Oldies haben diese aggressiven Moves seinerzeit auch nicht seltengemacht, können aber durch viele Erfahrungen die Gefahren intuitiv besser einschätzen.
Frage: Ulli, im Mai 1999 hast Du hinter Andreas Krause Platz 2 bei der EM in No-Limit Hold’em belegt. Dein Gegner im Heads-Up ist seit Kurzem neuestes Mitglied der Full Tilt Pros Germany. Was sagst Du zu seiner Entwicklung?
UG: Andreas habe ich auch aus anderen Gründen in guter Erinnerung, er hat damals in Amsterdam „auf mich aufgepasst”. Zu damaligen Zeiten hat er recht aggressiv gespielt, ich beglückwünsche Full Tilt zu dieser Neuerwerbung.
Frage: Frau Homam, meines Erachtens sehen wir Sie viel zu selten bei Turnieren, dabei wurden Sie 2008 Damenweltmeisterin. Wollen Sie mit Ulli Gerloff keine Fahrgemeinschaft bilden, um an der DPM im November teilzunehmen?
SH: In letzter Zeit habe ich meine Prioritäten anders gesetzt, will aber in Zukunft wieder mehr Turniere und Live-Cashgames spielen. Die DPM steht fest in meinem Kalender, ist doch klar, dass Sie Ulli und ich zu dritt hinfahren.
Frage: Noch einmal ein Blick zurück. Angenommen, Ihr hättet die Möglichkeit, eine Zeitreise ins Jahr 1995 zu unternehmen. Was würdet Ihr machen?
SH: Ich würde allgemein vieles anders machen, vor allem wünschte ich mir meine heutige Lebenserfahrung und mein schwer erarbeitetes Selbstvertrauen. Wodurch ich bestimmt vieles hätte besser machen können, jedoch beim Poker selbst würde ich bis auf wenige Ausnahmen den selben Weg beschreiten.
UG: Wäre schon interessant, und natürlich würde ich vieles anders machen. In manchen Situationen würde ich anders vorgehen, weil ich heute weiß, dass es falsch war. Das ist zwar eine Binsenweisheit, aber trotzdem wahr.
Frage: Vielen Dank Euch beiden für das Gespräch.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 01.10.2010.