Ich bin kein kunstsinniger Mensch, gehe nicht oder nur ungern und dann auf ausdrücklichen Druck meiner Frau ins Theater. Ins Kino schon gar nicht. Und den Fernseher mache ich nur an, wenn auf meinem Lieblingssender Sport 1 leichtbekleidete Mädchen Volleyball spielen. Oder mit noch weniger Klamotten kegeln. Oder angezogene Menschen pokern. Und daher kenne ich Joram Voelklein. Als Pokerspieler, der immer wieder als Schauspieler geoutet wird.
Ein ausgebildeter Schauspieler, an renommierten Schulen in München und Los Angeles; ein gebildeter Pokerspieler, der dem geneigten Pokerpublikum spätestens seit seinen Teilnahmen an den German High Roller-Staffeln bekannt ist.
Im Theater agierte der 37-jährige zuletzt als Richard, der Dritte; aktuell ist er im Kino zu sehen, in der Verfilmung (ich muss es gestehen, auch meiner Jugendbücher) Hanni und Nanni.
Frage: Erstmal, Joram, müssen wir Deine Herkunft klären. Vielen bist du nicht so ganz bekannt. Und es geistern seltsame Gerüchte herum. Bist du nun eigentlich Deutscher mit Wohnort Österreich oder ein Österreicher, den es in das Land des dreifachen Fußballweltmeisters verschlagen hat? Bist Du Schauspieler oder Pokerprofi oder beides?
Joram Voelklein: Also, in Österreich bin ich gern zu Gast, aber die Staatsbürgerschaft hat man mir bis jetzt noch nicht angedient. Ich wohne in München, Schauspielerei ist mein Beruf, Pokern mein Hobby.
Frage: Wie kamst du zum Poker, wie lange spielst Du schon?
Joram: Ich habe schon so mit 13, 14 angefangen verschiedene Pokerarten zu spielen. Mit Texas Hold’em habe ich mich erst 2004 auseinandergesetzt. Ich habe dann durch Zufall den Weg in eine wöchentlich stattfindende Live-Runde gefunden und eigentlich durch den jetzigen Pokerstars Pro Jan Heitmann, der fester Bestandteil der Runde war, gelernt, wie facettenreich und wunderbar dieses Spiel ist.
Frage: Was macht für Dich die Faszination von Poker aus?
Joram: Das Spiel ist, wenn man am richtigen Tisch sitzt, ähnlich komplex wie Schach. Es braucht, in den meisten Fällen, Fleiß und vielfältig angelegte Interessen und Begabungen ,um wirklich besser zu werden, trotzdem wird man es nie meistern, weil sich das Spiel selbst auch andauernd verändert.
Speziell beim Live-Poker sind es entwicklungsfähige Eigenschaften wie Disziplin oder Menschenkenntnis, die Poker für mich so spannend machen. Es ist immer aufs Neue eine Herausforderung.
Frage: Spielst Du nur Texas Holdem oder auch die anderen Varianten?
Joram: Ich spiele auch Omaha und im Netz gerne ab und zu 8-Game.
Frage: Spielst Du lieber Cash Game oder Turniere?
Joram: Ich spiele eigentlich beides gerne, aber mir gefällt die zeitliche Flexibilität, die das Cash Game bietet. Unterm Strich spiele ich sicher wesentlich mehr Cash Games.
Frage: Welche anderen Spiele machst Du? Oder erzähl mir was von Deinen sonstigen Hobbies, Leidenschaften und bislang verheimlichten Leidenschaften. So was Skurriles wie Mau Mau oder überdimensionale Topflappen häkeln?
Joram: Ich spiele sehr gerne Chinese Poker, außerdem lese ich viel und gerne und beschäftige mich seit einiger Zeit mit Hypnose.
Frage: Zurück zum Pokern. Ben Kang sagte zuletzt im Rahmen des European High Roller Events, „Joram kann theoretisch gut spielen, aber er macht immer und zu viele große Böcke“. Allerdings sagt er aber auch, dass Du „vom Pech verfolgt gewesen seist“.
Joram Voelklein im FilmJerry Cotton
Joram: Knapp falsch. Er hat gesagt „Joram kann theoretisch ganz gut spielen, aber er macht manchmal seltsame Dinge…“ Kann natürlich sein, dass er damit große Böcke gemeint hat. Ben ist ein guter Kumpel und übler Stricher. Klar mach ich auch mal Fehler, aber es gibt eben auch ne Menge Situationen im Live Game, die von außen sehr schwierig zu beurteilen sind. Es gab während der European High Roller eine sehr bezeichnende Situation. Ich bin in einem multiway-Pot mit JTo unterwegs. Flop KcQh8c, ich halte up & down Straightdraw, nicht das schlechteste Ergebnis für meine Hand. Spieler1, ein Amateur, checked, David Peat, einer der Weltbesten Cashgamespieler, betted €900 in einen Pot von €950, ich folde. Ben, der die Sendung kommentiert hat, sagt eben, er findet es „sehr, sehr, sehr seltsam“, dass ich hier JT folde. Zufälligerweise checkraised jetzt Spieler1 auf €3000, auf dem Bildschirm ist zu sehen, dass er 88 hält, er hat ein Set geflopped. Was Ben nicht mitgeschnitten hat, war, dass ich diesen Spieler sehr genau beobachtet habe als der Flop runterkam und ich war mir aufgrund seiner Reaktion sicher, dass er den Flop sehr hart getroffen haben musste. Ich habe gehofft, dass Spieler1 seine Hand anspielt und ich meine Hand weiterspielen kann, aber als er gechecked hat und der aggressive David Peat anspielte, gab es für mich keine Möglichkeit mehr in der Hand zu bleiben, weil ich wusste, dass ich den anstehenden Checkraise von Spieler1 nicht bezahlen kann. Ich fand es wiederum seltsam, dass Ben das nicht geschnallt hat. Ich mache ihm da aber keinen Vorwurf, Live Poker und Cash Game im Internet ist eben ein großer Unterschied. Ben ist pokertechnisch eher im Internet beheimatet und wenn jemand in einer Internetpartie in der gleichen Situation JT foldet, ist das tatsächlich etwas seltsam.
Frage: Wie siehst Du Dich und Dein Pokerspiel selber ?
Joram: Ich investiere einiges an Zeit in mein Spiel, lese viel, diskutiere häufig mit guten oder besseren Spielern über Hände und analysiere auch selbst immer wieder gespielte Hände. Trotzdem würde ich bei Games ab $2/$4 im Internet wahrscheinlich nicht den Titel „winning player“ verliehen bekommen. Bei höheren Limits im Netz würde ich sogar ziemlich sicher ordentlich auf den Sack kriegen. Ich bin Live-Spieler. Darauf habe ich mich spezialisiert und Fähigkeiten wie genaue Beobachtung und Einschätzung, Beeinflussung und Körperbeherrschung, die im Internet kaum eine Rolle spielen, machen mich im Live Game zum winning player.
Frage: Welche Parallelen bietet Poker zur Schauspielerei?
Joram: Beides ist oft frustrierend, belohnt einen aber mit Glücksgefühlen und bester Laune, wenn’s läuft. Es braucht für beides Geduld und Disziplin, um Erfolg zu haben, aber eben auch nacktes Glück zum richtigen Zeitpunkt. Außerdem habe ich in beiden Tätigkeitsfeldern Kollegen gesehen, die die Kerze an beiden Enden angezündet haben und untergegangen sind.
Frage: Hast du es als Schauspieler einfacher, weil dich die Leute unterschätzen? Oder gesteht man dir bei jeder Hand das perfekt geschauspielerte Pokerface zu? Du kannst doch auch bestimmt auf Kommando weinen …
Joram: Bei meinem ersten Auftritt bei German High Roller wurde ich sicher zu meinem Vorteil unterschätzt. Aber meistens wissen die Leute nicht, was ich beruflich mache und am Pokertisch hält sich meistens eh jeder für den besten Schauspieler. Auf Kommando weinen kann ich tatsächlich, kostet aber…
Frage: Bist Du als Schauspieler besser geeignet, Tells der Gegner zu erkennen? Du hast Mimik und Gestik doch gelernt…
Joram: Ich hatte nicht explizit Mimik- und Gestik-Unterricht auf der Schauspielschule, aber ich glaube schon, dass ein gewisser Sinn für Wahrhaftigkeit geschult wurde und ich liege oft richtig, wenn ich der Meinung bin, dass mir jemand etwas vorspielt.
Frage: Ab und zu ziehst Du mal eine Sonnenbrille auf. Nervöses Augenzucken beim Bluffen?
Joram: Nein, Ich kann dadurch meine Mitspieler beobachten ohne dass sie es bewusst wahrnehmen. Das kann manchmal von großem Vorteil sein.
Frage: Welche Menschen magst Du am Pokertisch und welche nicht?
Joram: Ich mag Menschen, die höflich sind, eine intelligente Ausstrahlung haben und die, wenn’s grad nix zu sagen gibt, auch mal die Schnauze halten können. Außerdem laute Arschlöcher, die ihr Geld in meine Richtung blasen. Klugscheißer, Dummschwätzer und Pokernazis mag ich nicht so gerne, aber man kann es sich nicht immer aussuchen. Pecunia non olet.
Frage: Dein persönlicher finanzieller Status bei den High Roller Cash Games im Alpine Palace ist ja eher, zumindest was wir Fernsehzuschauer mitbekommen, drastisch in den Miesen. Das scheint nicht deine Location zu sein. Schlechtes Karma oder bist Du nicht abergläubisch? Ich persönlich glaub an einen solchen Unsinn nicht.
Joram: Ich bin auch nicht abergläubisch. Bei den Games vor der Kamera bin ich ungefähr break even, bei den Games hinter der Kamera liege ich im Plus. Man spielt vor laufender Kamera im Verhältnis so wenig Hände, der Glücksfaktor ist da enorm.
Frage: Nun machst Du sogar Anfang September im Alpine Palace Dein eigenes Event. Die High Mountain Cash Game Woche. Bereits zum zweiten Mal. Was genau, wer ist mit dabei, und vor allem warum machst Du das ?
Joram: Die erste Veranstaltung war eine reine High Roller-Veranstaltung. Die Idee war, Spieler, die ich auf meinen Reisen nach Las Vegas, Macao, Marrakesch, Litauen, Prag, Bahamas und sonstwo kennen gelernt habe, zu einer actionreichen Woche nach Österreich zu holen. Ein sehr schweres und mühsames Unterfangen, wie sich herausstellte. Nichtsdestotrotz hatten wir eine lustige Woche. Dieses Mal soll HIGH MOUNTAIN eine Cashgamewoche für alle Cashgamer werden und wir spielen Texas Hold’em und Pot Limit Omaha mit Blinds von €2/€5 bis €20/€40. Das Alpine Palace Luxury Resort hat gute Angebote für die Teilnehmer bereitgestellt, die man auf unserer Website einsehen kann. Ich mache das, weil ich offensichtlich zu viel Zeit habe und es mir Spaß macht. Die Zukunft für solche Veranstaltungen sieht dank der Gesetzesänderungen, die der österreichische Staat zum Schutz der Myriaden von hochgradig suchtgefährdeten oder bereits süchtigen Pokerspielern auf den Weg gebracht hat, düster aus, also finanziell ist die Veranstaltung eines solchen Events für mich wenig interessant.
Frage: Diesesmal seid ihr breiter aufgestellt und habt eine andere Rakestrukur.
Joram: Ja, bei unserer Veranstaltung im April hatten wir eine komplett andere Rakestruktur. Das Cardcasino hat bei High Mountain im April 1% uncapped Rake genommen. Es war wie gesagt eine reine High Roller Veranstaltung, d.h. unser kleinster Tisch war €50/€50 No-Limit. Dafür wurden unsere Gäste einzeln vom Flughafen abgeholt und kostenfrei in Luxus-Suiten untergebracht. Bei unserer jetzigen Veranstaltung vom 3. Bis 9. September wird ein max. Rake von €25 genommen, d.h. auch wenn €10.000 im Pot sind, werden nicht mehr als €25 Rake genommen. Bei Splitpots wird kein Rake genommen, auch nicht, wenn es keinen Flop gibt.
Frage: Bist Du dort „nur“ Veranstalter oder spielst Du auch mit? Muss ich irgendwann schreiben „Er gewann sein eigenes JV-Turnier“? Die Voelklein-Championship?
Joram: „Voelklein-Championship“ klingt eigentlich viel besser als „High Mountain“, ich werd das mal vorschlagen. Mal sehen, wie viel ich da zu tun haben werde, aber ich werde zu fortgeschrittener Stunde bestimmt auch ein bisschen an den kleineren Tischen rumdonken. Vor allem, weil ja zur gleichen Zeit die 4. Staffel von German High Roller im Alpine Palace aufgezeichnet wird und viele bekannte Gesichter vor Ort sein werden, die nach der Aufzeichnung sicher auch noch ein paar Scheinchen im Card Casino unter die Leute bringen wollen.
Frage: Wieso im Alpine Palace? Das scheint ja der faszinierendste Spielsalon, entschuldige diese altertümlich anmutende Wort, zu sein.
Joram: Markus Golser hat mal gesagt, der Card Room im Alpine Palace sei der schönste, den er je gesehen hat. Das sehe ich genau so. Das hat natürlich auch mit dem Hotel zu tun. Ich bin viel und ungern in Hotels, aber aufs Alpine Palace freue ich mich jedes Mal. Und der Card Room hat tatsächlich schon legendäre Partien gesehen…
Frage: Deine Lieblingsrolle in der Schauspielerei? Beziehungsweise nächste, unerfüllte Pläne?
Joram: Vor kurzem lief „Jerry Cotton“ im Kino, da habe ich einen brutalen Schläger gespielt, das hat mir großen Spaß gemacht. Wirkliche „Lieblingsrolle“ weiß ich jetzt nicht, ich spiele gerne gebrochene, vielschichtige, kaputte Typen. Am 26. September läuft ein Tatort, in dem ich mitspiele, das war auch eine schöne Rolle. Konkrete Pläne habe ich momentan keine, mal sehen was kommt.
Frage: Deine Lieblingsrolle beim Pokern? Beziehungsweise nächste, unerfüllte Pläne?
Joram: Ich möchte wieder häufiger Live-Turniere spielen und würde mir wünschen, irgendwann mal über einen Sponsor zu stolpern, für den ich etwas aufbauen kann.
Frage; Ich schick dir ein paar Bücher von mir, die kannst Du dort bitte den Dealern schenken.
Joram: Mach ich gerne.
Frage: Wenn ich das Geld hätte, würde ich im Alpine Palace ja mitspielen. Erlaubt mir aber die Finanzchefin meines Haushaltes nicht. So bleibt mir, Dir ein gutes Turnier zu wünschen. Viel Spaß.
Joram: Turnier gibt’s während High Mountain nicht – Cashgame only!
Frage: Ach ja, einen grossen Gefallen musst Du mir bitte, bitte tun. Wenn Du demnächst die die Hauptrolle in einer großen Hollywood-Produktion spielst und dabei Jennifer Aniston kennen lernst, musst Du ihr bitte dringend meine Telefonnummern geben. Dasselbe gilt übrigens für Charlize Theron.
Joram: Würde mich interessieren, was deine Finanzchefin dazu meint…
Frage: Der erzähl ich das gar nicht, oder später. Oder sie erfährt es aus der Zeitung.
Das Interview führte Udo Gartenbach
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 03.08.2010.