Im kolumbianischen Bogota lag mein Hotel mitten in Downtown. Einer Ecke, wo man sich abends mehrfach überlegt, ob man rausgehen soll. Aber auf einer nahen Straße fand ich gleich mehr als 10 Casinos.
Mit so klangvollen Namen wie Aladdin, Casino-Club und Golden Palace. Doch gepokert wurde hier nur in im „Faraon Dorado“. Hausfrauen und Studenten verspielen hier ihr Taschengeld und langweilen einen. Witzig aber sind die Regeln. Zunächst einmal wird, wie beim Black Jack, nach dem Mischen das Kartendeck mit der Deckkarte vom Button geteilt. Dann gilt Vorwerfen als Fold. Und alle lieben den Mississippistraddle. Was heißt, der Button kann so viel wie er will preflop erhöhen. Gähn und Nerv!
Ganz anders in „Zona T“, dem Stadtteil, wo alles etwas nobler ist. Dort gibt es auch diverse Pokerclubs. Ich probierte das „Rockefeller“ und den Club „Jacks“. Im „Jacks“ stieg ich auch gleich in ein Turnier ein und bemerkte, die Regeln sind internationale Regeln. Das könnte Chris liegen, dem Chef. Er ist halb englisch, halb deutsch, in Jamaika geboren und in Kolumbien aufgewachsen.
Man spielt Turniere von 120.000,- bis 300.000,- Pesos. Also ungefähr 50 bis 120 Euro. Der Club ist schön und bequem und an 5 Tischen wird gespielt. Kurioses: Wenn einer zulange überlegt, wird ihm eine kleine Sand-Eieruhr vor die Nase gestellt. Wer pünktlich am Turniertisch sitzt, bekommt 10 Prozent mehr Stack. Die Chips im Turnier sind ohne Zeichnung und so braucht man etwas, um deren Wert zu verstehen. Spanisch zu können, ist zu empfehlen. Nicht für das Spiel, sondern für den Weltfrieden.
Die großen Spiegel braucht man eben in Südamerika…Quelle: carstenweidling.de
So wurde ich von einem älteren Herrn, der zwar nicht alt genug war um mit Simón Bolivar gekämpft zu haben, aber sicherlich Seit an Seit mit Pablo Escobar im Schnee wühlte, mehr als nur deutlich darauf hingewiesen, dass ich nun in seinem Land wäre und gefälligst seine Sprache zu sprechen hätte. Bueno! Das Turnierspiel verlief halbwegs normal, wenn auch der allgemeine südamerikanische Optimismus unerschütterlich ist und ein Drei-Outer als gute Investition gilt. Ein solcher gab mir auch schließlich die Chance, zum Cash-Game zu wechseln.
Eine Menge altes “Bling-Bling”Quelle: carstenweidling.de
Brüder, Pokerfreunde, Landsleute, der Wahnsinn lebt! Viele der Spieler waren unterwegs, als würde man in Kolumbien dem Klischee entsprechend nicht ohne eine armdicke Koksline aufwachen dürfen. Panik, Gottvertrauen und Geldverachtung in Perfektion. Und das war das noch eher moderate Hold`em. Was ich danach beim Pot Limit Omaha erlebte, sprengte meine Vorstellungskraft. Denn was gefühlte 12 Generationen familiärer Kokainmissbrauch so anrichten können, erlebt man hier. „Die Pablo-Escobar-Classics“! Obwohl mit Blinds von 5.000 und 5.000 gespielt wurde, waren immer mindestens 250.000 im Pot. Gern waren aber auch schon preflop mehrere Spieler mit deutlich über 300.000 all in. Und einen Pot von 1,5 Millionen bei diesen Blinds und Pot-Limit muss man erst mal hinbekommen.
Die Träume, die beim PLO ohnehin immer groß sind, können in der Potenzierung von Bogota an diesem Tisch nur einem jahrzentelangen Dauerrausch geschuldet gewesen sein. Das Spiel läuft so: Schauen, beten, raisen, jubeln, Nasenscheidewand malträtieren. Ich bin noch gut davongekommen. Das war aber Glück und hatte nichts mit Poker zu tun. Mir ist jetzt noch schlecht.
Ja, die guten alten Ameisen unter der Haut… äh an den Wänden…Quelle: carstenweidling.de
Was ich praktisch finde, viele Spieler haben größere Dollarsummen im Club deponiert, von denen sie immer wieder Geld abrufen können. Das ist insofern sinnvoll, als dass die größte Banknote in Kolumbien, der 50.000-Peso-Schein ist, der ungefähr 25 Euro entspricht. Und so wie hier gespielt wird, müssten viele mit dem Handwagen anreisen. Es gibt auch einen VIP-Bereich im Club, bei dem man sich mit Summen von 2 bis 5 Millionen an die Tische setzen kann. Hauptregel: Mehr Kohle, mehr Wahn!
Fazit: Gehen Sie mal hin und behalten Sie sich Ihre „Zoo-Einstellung“. Denn was für possierliche Tierchen Sie sich da in ihren Revierkämpfen anschauen können, macht schon Laune. Doch wie im Zoo heißt es: “Betreten des Geheges auf eigene Gefahr”.
Euer Carsten Weidling on Tour
Wer mehr über Carsten und seine Weltreise erfahren möchte, kann gern auf www.carstenweidling.de nachlesen.
Dieser Artikel erschien auf PokerOlymp am 21.03.2010.